Die besten Erotik-Thriller
Es muss nicht immer "Fifty Shades of Grey" sein: Das Kino hat zahlreiche eindrucksvolle, spannende, vibrierende und erregende Geschichten über den Sex hervorgebracht. Hartwig Tegeler hat die fünf besten herausgesucht und stellt sie uns vor.
Platz 5 - "Crash" von David Cronenberg (1996)
Physischer und psychischer Horror in Verbindung mit der Darstellung körperlicher Deformationen hatte Cronenberg auf betörend-verstörende Weise ergründet. In "Crash" kommt der Fetisch hinzu. Der der gelackten, metallenen Oberflächen. Die sexuelle Lust am Autounfall vereinen einen Filmproduzenten, seine Gattin und die Frau, mit der er frontal bei einem Autounfall kollidiert. Lustvoll versuchen sie, den Unfalltod von James Dean nachzuspielen. Die kinetische Energie, die sich in einem solchen Crash entlädt, wird bei Cronenberg zur Metapher und gleichzeitig zur sexuellen Grenzerfahrung, die aber - Liebe, Sex, Tod, wie gesagt - natürlich lebensgefährlich ist. Der Orgasmus als "kleiner Tod" wird von der psychischen ganz brutal, aber nicht weniger lustvoll, auf die Ebene der physischen Verstörung gebracht. Nicht zur Nachahmung, aber zum Anschauen empfohlen. Eine kalte, betörende, metallene Sinnlichkeit geht von diesem Film aus. Der auf wunderbare Weise das Genormte, das moralisch vorgeblich Zulässige hinter sich lässt.
Platz 4 - "Vertigo" von Alfred Hitchcock (1958)
Eine Mann versucht eine Frau nach dem Ebenbild seiner ehemaligen Freundin zu formen, die sich von einem Glockenturm gestürzt hat. James Stewart als Polizist, der den Dämon der erotisch-morbiden Kraft der Frau zu bannen sucht, indem er Kim Novak seiner vermeintlichen männlichen Macht unterwirft und damit genau diesem Dämonen begegnet. Hitchcock macht uns, wahrscheinlich vor allem die männlichen Zuschauer unter uns, zum Kumpanen des Lust-Schauens dieses Polizisten. Zweimal muss die Frau in den Tod stürzen. "Vertigo" ist ein abgründiges Krimidrama von Alfred Hitchcock, das eine psychologische Höllenfahrt in sich verbirgt und gleichzeitig die erotische Obsessivität seiner Hauptfigur zum Spielball der Virtuosität des psychoanalytisch versierten Regisseurs werden lässt. 1958 ziemlich zurückhaltend aufgenommen, zählt Hitchcocks Film heute als Meisterwerk.
Platz 3 - "Chloe" von Atom Egoyan (2009)
Dieses Remake steht dem französischen Original von Anne Fontaines Film "Nathalie" in nichts nach: Julianne Moore, Amanda Seyfried und Liam Neeson bei Atom Egoyan in einer eher unfreiwilligen, aber schließlich abgründig lustvollen ménage à trois. Die Ehefrau versucht ihren Mann zu testen, indem sie ein Callgirl - Chloe - engagiert, das David verführen soll. Quod erat demonstrandum? Denkste: David hatte nie was mit Chloe, aber Catherine ihrerseits verliebt sich in die junge Frau und öffnet damit bei ihr eine bisher unbekannte erotische Quelle. Doch, so ist nun einmal die Tragik des Erotikthrillers, wenn eine Geschichte zu sehr im Umfeld des Puritanismus wildert: Das alles kann nicht gut gehen, sondern muss in puritanischer Logik mit dem Ausmerzen der erotischen Provokation enden. Schön böse, dass die Ehefrau die Geliebte, die nicht die ihres Mannes, sondern ihre eigene ist, am Ende aus dem Fenster stößt. Und wenn sie nicht gestorben sind, die Zurückgebliebenen, dann leben sie ihr Eheleben wieder nett und behäbig. Bis zur nächsten Krise.
Platz 2 - "Lucia und der Sex" von Julio Medem (2001)
Eine sinnliche Oper aus verschachtelten Erzählsträngen, die Zeitchronologie aufhebt und dabei unsere Schaulust und Sinnlichkeit provoziert, wenn wir der labyrinthischen Geschichte von Lucia und ihrem angeblichen toten Freund Lorenzo folgen. Julio Medem erschafft einen erotischen Bilderrausch, der explizite Sex-Szenen als selbstverständlichen Bestandteil seiner Erzählung nimmt und uns als Kinogänger, die wir immer Voyeur sind, das ganz sein lässt. Die Bilder über Liebe, Sex und Tod haben in diesem Kino einen gleichwertigen Anteil. Sie sind bei Julio Medem in "Lucia und der Sex" ganz frei gestellt. Ein Kino, das keine Zensur kennt, keine Hemmung, das frei erzählen kann von den Menschen und ihren Gefühlen, Ängsten und Lüsten.
Platz 1 - "Intimacy" von Patrice Chereau (2001)
Jeden Mittwoch. In der Wohnung von Jay hat Claire mit dem Musiker Sex. Beide kennen am Anfang nicht einmal den Namen des anderen. Doch je mehr sie voneinander wissen - Claire ist verheiratet, hat einen Sohn -, funktioniert der "reine Sex" immer weniger. 2001 gewann Patrice Chéreau für "Intimacy" den Goldenen Bären. Dies ist ein Film, der den kurz aufflackernden Genre-Begriff "Art-Porn" mitprägte, weil er expliziten Sex vor der Kamera zeigte. Doch wie bei Julio Medem hat die Sinnlichkeit, die Erotik und der Sex auch bei Patrice Chéreau vor allem die Funktion - in ihre direkten Darstellung - umso genauer, feinnerviger, radikaler von den Menschen zu erzählen. Nichts auszusparen. "Intimacy" ist ein großer Film über die Liebe oder besser - wie es das Kino ja immer lieber hat -, eine großer Film über eine Liebe, die nicht zustande kommt.