Die "rotesten" Filme aller Zeiten
Die Farbe rot spielt in Filmen oft eine besondere Rolle. Welche und wie – das untersucht derzeit die Filminstallation ROT im Deutschen Filmmuseum in Frankfurt am Main. Für uns die Gelegenheit, die fünf schönsten oder verstörendsten "roten" Filme anzupreisen.
Platz 5: THE ROCKY HORROR PICTURE SHOW von Jim Sharman (1975)
Die Eingangssequenz. Sex, hetero, homo, transgender, "I´m just a sweet transvestie from Transylvannia" singt Dr. Frank N. Furter alias Tim Curry. Die Spießer Janet und Brad - Janet, das ist hier die junge Susan Sarandon. Sie lernen, dass in erotischen Dingen alles, was möglich ist, darf, muss genossen werden. Zeichenhaft klingt das wuchtig im Vorspann des Kultfilms an: schwarze Leinwand, im Kontrast zu sehen nur die roten Lippen. Knallrot, rot. Mehr Rot geht nicht. Keine Schatten von Grau, shades of grey, sondern reine Sinnlichkeit, sexy, erotisch. Geil. Saugeiles Rot.
Platz 4 - THE WILD BUNCH von Sam Peckinpah (1969)
Das Rot ist geflossen in entsetzlichen Mengen beim finalen Massaker, wenn dieser letzte Dialogsatz zu hören ist, den der alte Outlaw zu seinem nicht ganz so alten Gegenspieler sagt, bevor sie gemeinsam in die Berge reiten:
"Es ist nicht mehr so, wie es mal war, aber es reicht noch."
Die ehemaligen Gefährten sind da schon tot. Der Spätwestern als blutrote Erzählung über Amerika. Klagelied. Die Helden, bevor sie verrecken, verloren, müde und alt. Also ist das Todesballett, das Peckinpah am Ende seines Abgesangs auf den Westerner und den Western inszeniert, konsequent. Spritzendes Blut, gedehnte Zeit des Tötens und Sterbens. Die Zeitlupe als Mittel, um der Gewalt im Kino, damals 1969, ein neues Gesicht zu geben.
Doch die Exzessivität der Gewaltbilder - von da an Peckinpahs Markenzeichen - die spritzenden Fontänen von Rot, von Blut, der ästhetische Schock, hier in THE WILD BUNCH noch versehen mit dem Impuls der Aufklärung über die Gewalt, verkam schon bei Peckinpah selbst bald zum Tick. Neuer Mainstream. Bei seinen Epigonen sowieso. Im heutigen Kino ebenso. Stereotyp. Zynischer Rot-Blut-Bilder-Alltag, ohne kritischen Hintergrund. Die Aussage ist im Modischen untergegangen.
Platz 3 - DIE ROTEN SCHUHE von Michael Powell und Emeric Pressburger (1948)
Die Obsession des Künstlers und der Tänzerin. Leben oder Kunst? Wer kann, wer will die Entscheidung treffen, ohne das Eine gegen das Andere zu verraten. Das Weiß der Kostüme der Balletttänzerinnen, unschuldig. Vollendete Bewegung sehen wir, den visuellen Rausch erleben wir. Und wie ein lustvoller Stich in diesem unschuldigen Weiß wirkt das Rot der Schuhe. Die tanzen und tanzen, wie im Märchen von Hans Christian Andersen. Und sie wollen nicht aufhören.
Die Tänzerin im Film stürzt sich vom Balkon. Mit letzten Worten bittet sie ihren Mann, ihr die roten Schuhe auszuziehen. Das Rot als Verheißung und Drohung. Als gefährliches Angebot zur Entgrenzung, zur Auflösung im Rausch.
Platz 2 - RAN von Akira Kurosawa
Das Rot der Fahnen und das Rot des Blutes. Bei Akira Kurosawa wird in diesem Shakespeares KING LEAR angelehnte Königsdrama die Farbe Zeichen in einer geometrischen Ordnung von Macht, Gier und Verlorenheit. Das ist auch so mit dem Rot im spirituell-buddhistischen Kosmos in Scorseses Dalai-Lama-Film KUNDUN, das ist auch so im politischen Welterlösung-Kosmos bei Bertolucci am Ende seines Epos' "1900".
Das Rot als Zeichengeber ist betörend. Es ist übermächtig. Die Realität der Geschichte tritt zurück hinter das Rot. Die Geschichte verliert ihre Eigenständigkeit vor diesem filmischen Zeichen. Wird wieder zu Mythos.
Platz 1 - SO FINSTER DIE NACHT von Tomas Alfredson (2008)
Das satte, dunkle Rot als Lebenselixier in dieser Vampir-Geschichte mit notwendigen Splatter-Elementen. "Bist du ein Vampir?", fragt Oscar, der von seinen Klassenkameraden gemobbte, blonde Junge aus der Vorstadt, das merkwürdige Mädchen aus dem ersten Stock in seinem Wohnhaus. "Ja," sagt Eli, "ich lebe von Blut." "Bist du tot?", fragt Oscar auch noch. "Nein, merkt man das nicht?" Elis Gegenfrage ist rhetorisch.
Tomas Alfredsons betörend-brutal-melancholisch-zarte Liebesgeschichte zwischen zwei Außenseitern spielt im skandinavischen Winter. Das ist für die Ästhetik des Films wunderbar, denn wie könnte Rot besser zur Geltung kommen, sogar als einzelner, kleiner Tropfen, wenn nicht auf dem Hintergrund des unschuldigen Weiß des Schnees. Und der dämpft auch die Geräusche, so dass wir gar das Tropfen des Blutes in den Kanister besser hören können.
Blut-Vorratshaltung für die kleine Vampirin. Aber, keine Sorge, wie Godard ja sagte: "Es ist kein Blut, es ist Rot."