Dixieland - Die besten Südstaatenfilme
Jeff Nichols' "Loving" erzählt von der Ehe zwischen einer Afroamerikanerin und einem Weißen in Virginia im Jahre 1958. Faszinierende und verstörende Südstaaten-Filme sind aber auch "Monster's Ball" mit Halle Berry oder "Die Nacht des Jägers" mit Robert Mitchum.
Vom US-Schriftsteller Percy Walker, geboren in Huntsville, Mississippi, stammt die lakonische Antwort auf die Frage, warum die Südstaatenliteratur so stark sei: "Cause we lost." - "Weil wir verloren haben." Den Bürgerkrieg.
Schwüle, Hitze, Schweiß, Rassismus, Ku-Klux-Clan, Mangrovenwälder, exzentrische Menschen, Armut, Gewalt… und dann noch das Übernatürliche, die Geister. In der Glut des Südens eben, die verzehrt, verbrennt. Was in der Literatur "Southern Gothic" genannt wird, kann gut auch auf den Film übertragen werden. "Loving", der neue Film von Jeff Nichols, erzählt von der Ehe zwischen einer Afroamerikanerin und einem Weißen in Virginia des Jahres 1958, also im Süden der USA. Und viel ist in "Loving" enthalten von all den "Southern Gothic"-Elementen. Hartwig Tegeler mit den Top Five der faszinierendsten und verstörendsten Südstaaten-Filme.
Platz 5 – "Die Nacht des Jägers" von Charles Laughton (1955)
Anfang der 1930er-Jahre, die Große Depression, irgendwo in den Südstaaten. Wahnsinn, wie religiöser Wahn, Frauenhass und Gier ihre psychopathologische Symbiose eingehen. Und zwar nicht nur bei dem von Robert Mitchum gespielten Wanderprediger und Frauenmörder, sondern auch bei den Bürgern dieser Kleinstadt im Süden, die den Prediger zunächst vergöttern und ihn dann lynchen wollen. Charles Laugthon inszenierte dämonische Schattenspiele im Stil des deutschen Film-Expressionismus, was die Zuschauer 1955 verstörte und den Film vollkommen floppen ließ. 2008 landete "Die Nacht des Jägers" bei den Chahiers du cinéma auf Platz 2 der besten Filme aller Zeiten. Verstörend wirkt Charles Laughtons Masterpiece heute noch. Allein wenn die Kinder das Lied "Hing, Hang, Häng. Die Schlinge, die ist eng" singen, weil ja der Vater ihrer Klassenkameraden John und Pearl wegen Mordes gehängt worden ist. Mörderischer Süden.
Platz 4 – "Monster's Ball" von Marc Forster (2001)
Nicht weniger verstörend und von ebensolcher Faszination die Geschichte von Hank, der die Hinrichtungen in einem Staatsgefängnis im Süden der USA leitet, dessen Sohn sich vor seinen Augen erschießt und der eine leidenschaftliche Affäre mit der Afroamerikanerin Leticia eingeht, die ebenfalls ihren Sohn verloren hat. Außerdem hat Hank Leticias Mann hingerichtet.
"Monster's Ball" entwirft ein dunkles Bild von den Abgründen der Pflicht, des Männlichkeitswahns und des Rassismus, dies sich in diesem Film in einer intensiven Sex-Szene entlädt. Wo sich Liebe, Lust und Tod wie in einer dunklen Eruption entladen. Angesichts des Üblichen im US-Kino, der Besessenheit von Gewalt und der gleichzeitigen puritanischen Zensur des Sexes, wirkt der Akt zwischen Halle Berry und Billy Bob Thornton wie eine Befreiung. Leidenschaftlicher Süden.
Platz 3 – "O Brother, Where Art Thou?" von Joel und Ethan Coen (2000)
1937, Weltwirtschaftskrise. Der Untertitel des Coen-Films ist signifikant: "eine Mississippi-Odyssee". Odysseus will zurück zu seiner Penelope. Doch dieser Ulysses Everett McGill – George Clooney – kann wohl kaum als großer Held durchgehen, ebenso wenig seine von John Turturro und Tim Blake Nelson gespielten Begleiter. Drei geflohene Sträflinge auf Schatz- bzw. Suche nach der Gattin, die kurz davor ist, einen anderen zu heiraten. Das Mississippi in "O Brother, Where Art Thou?" ist bevölkert von Figuren, die aus der Odyssee von Homer stammen zu scheinen. Der Zyklop, der alte Seher, der bösartige Sheriff, der Ulysses so verfolgt wie Poseidon einst den griechischen Namensvetter. Doch alle, die diese Welt bevölkern, sind ziemlich durchgeknallt, doch ihr Wahnsinn wird bei den Coens auf wunderbare Weise durch den Blues, den Bluegrass und die Hillbilly-Musik rhythmisiert wird. Wunderbar durchgeknallter Süden.
Platz 2 – "Mud" von Jeff Nichols (2012)
"Genieße den Fluss, mein Sohn, solange du noch auf ihm wohnst, denn die Art zu leben, wird bald vorbei sein", sagt der Vater zu Ellis. Der Fluss ist der Mississippi, an und auf dem Ellis und sein bester Freund Neckbone leben. Zwei zeitgemäße Wiedergänger von Mark Twains Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Auf der Insel im Fluss finden sie das Boot, das von der letzten großen Überschwemmung noch hängengeblieben ist. Und sie finden diesen Typen Mud. "Coming of Age"-Geschichte trifft auf Liebesmelodram, denn Mud – Matthew McConaughey – schafft es nicht, sich von Juniper – Rees Witherspoon – zu trennen. Oder umgekehrt. Betörende Bilder von Mississippi-Flusslandschaften, in denen der Verlust der Jugend umso schmerzhafter, schöner, schrecklicher wie lebendiger wirkt. Melancholischer Süden.
Platz 1 – "In The Electric Mist – Mord in Louisiana" von Bertrand Tavernier (2009)
Tommy Lee Jones als Bulle aus Louisiana, der Frauenmorde aufzuklären sucht, aber an die Grenzen der Realität stößt, wenn ihm bei seinen Ermittlungen anderes streift. Durchbruch durch die Zeit, 100 Jahre zurück, 1864, die Niederlage des Südens im Bürgerkrieg. Der Polizist trifft auf einen alten Südstaatengeneral auf seiner Veranda.
Ein Gespenst? Ein Geist? Zeitliche Spiegelungen, Spiegelungen von Realitätsebenen überall. Südstaaten – Gegenwart, Vergangenheit. Spiegelungen, deren Konturen wie im Nebel verschwimmen. Alles Einbildung? Hirngespinst? Tja, wer soll das sagen?
"In The Electric Mist – Mord in Louisiana" nimmt uns gefangen in dieser Hitze, dieser tropischen Luftfeuchtigkeit mit diesen zu offenen Durchgängen zwischen Realität und dem Jenseits davon, dieser Zeit und dem Jenseits von ihr. Ort und gleichzeitig Nichtort. Mythischer Süden.