Heldinnen, in ihrer ganzen Ambivalenz
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Anlässlich des 110. Weltfrauentags blickt unsere Kinokolumne auf Filme mit ganz besonderen Protagonistinnen. Einfach ist das Heldinnen-Dasein in jedem Fall nicht, wie unsere Auswahl von "Mad Max: Fury Road" bis "Alien" zeigt.
Platz 5 – Mallory Kane in "Haywire" (2011)
"Augenklimpern liegt mir nicht", meint Mallory, "Lass Paul klimpern." Rollenspiele gegen den Strich: Die Agentin, die nicht klimpern will, vermöbelt die bösen Jungs – Ewan McGregor, Michael Fassbender, Channing Tatum. Gänzlich befreit von moralisch-ethischen Begrenzungen tut Mallory bei Regisseur Steven Soderbergh das, was die männlichen Kollegen seit ewigen Zeiten im Actiongenre taten.
In "Haywire" dürfen wir dem Mixed-Martial-Arts-Star Gina Carano alias Mallory bei der Arbeit zuschauen, und das Kämpfen beherrscht sie brillant. Unfassbare Körperkunst. Physisch, sinnlich, drastisch. Wenn sie kurz davor ist, Michael Fassbender beim tödlichen Kampf auf dem Hotelbett zu erledigen, evoziert dies eine verstörende Nähe zum anderen Akt. Bilder-Ambivalenzen.
Platz 4 – Jean Gray alias Phoenix in "X-Men: Dark Phoenix" (2019)
Die Mutantin Jean bekommt unerwartet eine unermessliche Superheldinnen-Kraft, eine, die sie nicht lenken kann, die ihr unheimlich ist. So wird sie zur Außenseiterin inmitten der Gruppe der Mutanten-Außenseiter. Durch all den Schmerz, das Leid, das Minderwertigkeitsgefühl und den Omnipotenz-Wahn darf Jean das Ziel ihrer Heldinnen-Reise erreichen.
Dieses Ziel: sich für die Familie zu opfern. Normal für eine Superheldin aus den unendlichen Comic-Adaptionen. Und nur auszuhalten mit großem Taschentuch.
Platz 3 – Jessica Jones in "Marvel´s Jessica Jones" (2015-2019)
Stell dir vor, willst nur Gas geben, aber die Räder hinten drehen durch, weil die Frau die Karre hinten hochhebt. Eine Superheldin mit Superkräften! Ja, aber eine zutiefst desillusionierte. Jessica hat viel Kraft, aber, weil sie mordete, hat sie den Superheldinnen-Job durch die prekäre Tätigkeit einer Detektivin ersetzt.
Ihrem neuen Freund, auch einer mit Kräften, will Hoffnung geben: "Du kriegst trotzdem Punkte für deine guten Taten." Jessica glaubt ihm nicht: "Nicht genug, um die Schlechten wieder gut zu machen." Ob Held oder Heldin, zerrissen müssen sie schon sein, um uns zu interessieren, um genau daraus das Potenzial für eine andere Form von Stärke zu gewinnen.
Platz 2 – Imperator Furiosa in "Mad Max: Fury Road" (2015)
Fragt Mad Max in dieser durchgeknallten postapokalyptischen Action-Oper die Frau, die den hochgerüsteten Lastwagen durch die Wüste kutschiert, um die jungen Frauen aus dem Harem des wahnsinnigen Warlords in die Freiheit zu führen: "Und wonach suchst du?" Antwort: "Nach Erlösung." Furiosa hat zwar keine Superkräfte, sogar nur einen Arm, aber sie ist eine Kämpferin und doch gezeichnet durch eine tiefe Trauer und Melancholie.
Die lässt Charlize Theron als Furiosa so durch den ganzen Film strahlen, als ob sie jede Hoffnung schon aufgegeben hätte. Doch weit gefehlt. Denn Furiosas zweite Eigenschaft ist ihr tiefes Mitgefühl, aus dem eine enorme Kraft erwächst. Furiosa ist mithin eine Schwester von Ellen Louise Ripley.
Platz 1 – Ripley in "Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt" (1979)
Die Reise in der stählernen Schutzhülle des Raumschiffes hilft der siebenköpfigen Mannschaft nicht, wenn das Monster aus dem All ins Schiff eindringt. Unbesiegbar? Unangreifbar? In den labyrinthartigen Gewölben des riesigen Raumschiffes überlebt nur Ripley, der weibliche Offizier, die das mörderische Wesen aus dem All dahin zurückjagt. Warum ist sie stärker als die anderen? Vor allem, weil in ihr neben pragmatischem Mut der andere Teil – Vorsicht, Mitempfinden, Fühlen – in der technisch gepanzerten Welt überlebte.
Ergo: In der männlich dominierten Welt hatte sie ihren weiblichen Teil nicht dem männlichen, der angeblich allein das Überleben sichert, geopfert. Am Ende setzt sie ihr Leben aufs Spiel, um die Katze zu retten. "Alien", dieser Science-Fiction-Horror-Filmklassiker, setzt mit seiner weiblichen, toughen Heldin präzise Eckpunkte für die Überlebensfähigkeit des Menschen.