Verstörende Familien im Film
Mit dem tschechischen "Familienfilm" kommt gerade eine Geschichte über eine ziemlich dysfunktionale Gemeinschaft ins Kino. Die Familie ist im Film seit jeher ein Ort der Störungen und Neurosen. Wir haben daher in die schwärzesten Abgründe von Filmfamilien geschaut.
Platz 5 – "The Virgin Suicides" von Sofia Coppola (1999)
1970er-Jahre, Vorstadt, fünf streng behütete Töchter. Es beginnt mit einem Selbstmordversuch. Am Ende sind alle, Cecilia, Lux, Bonnie, Mary, Therese tot. Sie waren 13, 14, 15, 16, 17. James Woods und Kathleen Turner als Elternpaar, das diese Familie zum einem Albtraum-Ort gemacht hat. Sie wissen nichts über ihre Töchter, finden keinen Kontakt zu ihnen. Das Kleinbürgertum erstickt den Geist des Aufbruchs dieser Zeit. Wunderbar dieser Film, getränkt tief in Melancholie.
Platz 4 – "Rat mal, wer zum Essen kommt" von Stanley Kramer (1967)
Die Tochter aus weißer Oberschichtfamilie kommt mit einem Schwarzen zu Vater und Mutter. Sie will den Mann tatsächlich heiraten. Was in dieser liberalen gutsituierten bürgerlichen Familie Anfang der 1960er Jahre tief sitzende rassistische Ressentiments an die Oberfläche treibt. Allerdings: In dem kitschig-rührselige Happyend, das Spencer Tracy mit seinem Abschlussmonolog für seine Tochter und seinen schwarzen Schwiegersohn in spe besiegelt, zeigt immerhin, wie die Liebe in dieser Familie in diesem Diskurs-Film über den Rassismus in der Gesellschaft und bei diesen wohlhabenden Draytons den Sieg davon trägt. Das utopische Bild einer funktionalen Familie auch in stürmischen Zeiten.
Platz 3 – "Die Addams Family" von Barry Sonnenfeld (1991)
Welche Wonne, dieser durchgeknallten Addams Familie bei ihrem Weg zu sich selbst zuzuschauen. Grausig, gruselig, scheinen sie, gefährlich für die Nachbarn, aber doch ganz und gar bei sich selbst. Weil jeder seine Absonderlichkeiten, die Lust am Morbiden oder die an der Gattin, wenn sie denn französisch parliert. Und was stellt Gomez Addams, das Familien-Oberhaupt, nicht alles an, um seinen Bruder Fester wieder im trauten Kreis begrüßen zu dürfen. Darf er dann auch. Welch Romantik im Skurrilen.
Platz 2 – "Das Hausmädchen" von Im Sang-soo (2010)
Eine junge Frau aus einfachen Verhältnissen wird Hausmädchen bei einer begüterten Familie. Doch als sie vom Hausherrn schwanger ist, wird aus Im Sang-soos erlesenen Kammerspiel in unheimlich-luxuriös-kalten Räumen ein Horrorfilm, in dem das barbarisch Archaische hervorbricht. Die Hausherrin und ihre Mutter nämlich unternehmen alles, um die Haushälterin zur Abtreibung zu zwingen, das Blut muss rein bleiben. Die junge Frau wehrt sich mit allen Mitteln, denn ganz ohne ist auch sie auf keinen Fall. Am Ende ist das störende Element des Hausmädchens ausgemerzt; die Familie wieder intakt als perverse soziale Gemeinschaft, in der es nur um Macht und Gier geht.
Platz 1 – "Der Eissturm" von Ang Lee (1997)
Ein eindrucksvolles Familienbild über die 1970er-Jahre, auch als Horrorfilm, aber viel, viel subtiler: Wie eine Familie versucht, sich zu orientieren in dieser Welt zwischen Vietnamkrieg, Watergate und Gegenkultur. Vater und Mutter wollen die Freiheit leben, die hier in der Zeit liegt. Alle sind dem Freiheitsversprechen, das proklamiert wird, innerlich nicht gewachsen. Fremdheit, Einsamkeit; Familie, die kein Schutzraum mehr ist, sondern Dampfkochtopf unterdrückter Sehnsüchte und Obsessionen. Dann kommt der Eissturm, das Blitzeis, und mit ihm der Tod. Und erst da dürfen sich Gefühle, Tränen zeigen, Verzweiflung. Aber es bleibt nur Leere. Hoffnung, Happyend? Nein.