Volker Schlöndorff zum 80.
05:57 Minuten
Er arbeitet seit 50 Jahren als Regisseur und feiert nun seinen 80. Geburtstag. Bekannt wurde Volker Schlöndorff mit Filmen wie "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" und der Romanverfilmung "Die Blechtrommel". Wir empfehlen fünf unbekanntere Werke.
Platz 5 - "Der junge Törless" (1966)
Das Debüt von Volker Schlöndorff. Eine atmosphärisch dichte Robert-Musil-Verfilmung, die die Geschichte des Internatsschüler Törless aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erzählt, der staunend, als geborener Mitläufer und Untertan passiv teilnimmt an der Ermordung eines anderen Schülers. Am Ende reflektiert der von Mathieu Carrière gespielte Törless einen autoritären, brutalen Gesellschaftskosmos, der sich wie im Brennglas in diesem Internat verdichtet, wenn er sagt: "Es gibt nicht eine schmutzige und saubere Welt. Es ist die gleiche Welt, in der beides geschieht. Das ist die ganze Weisheit." Schlöndorffs Film "Der junge Törless" beschreibt die Genesis des autoritär-faschistischen Charakters so wie 43 Jahre später Michael Haneke in "Das weiße Band".
Platz 4 - "Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach" (1971)
Schlöndorff, gebürtiger Hesse, erzählt den scheinbaren Aufstieg von acht Bauern und Tagelöhnern und ihren fürchterlichen, konsequenten Abstieg im hessischen Hinterland im Jahr 1822, nachdem sie im tiefen Wald einen Steuer-Geldtransport der Regierung ausrauben. Ein passionierter Heimatfilm, in dem nicht nur der gesellschaftskritische Blick der 68er einfließt, sondern der auch an das Bild der armen Leute bei Georg Büchner in dessen "Woyzeck"-Stück erinnert. Ein Film auch, der sich deutlich gegen den Muff des kitschigen Heimatfilms, diesem konstituierenden deutschen Filmgenre der 1950er und 60er-Jahre, positioniert. Man wird den "Kombach"-Film damals, 1971, wie eine Erlösung gesehen haben, trotz der Traurigkeit, die er am Ende auslöst.
Platz 3 - "Ein Aufstand alter Männer" (1987)
Das Aufbegehren gegen die Macht der weißen Rassisten endet in Schlöndorffs zweiter US-Produktion, nach "Der Tod eines Handlungsreisenden", mit einem Sieg der Zivilcourage. Die Lynchjustiz, der "normale" Racheakt an dem Schwarzen, der einen Weißen aus Notwehr erschossen hat, sie wird von den alten Afroamerikanern verhindert. Gegen den Widerstand des weißen Sheriffs, gespielt von Richard Widmark, der sich die alten Männer vornehmen will, aber an deren Souveränität scheitert. Ein heute umso präziser erscheinender Blick von Volker Schlöndorff auf die gespaltene amerikanische Gesellschaft.
Platz 2 - "Der neunte Tag" (2004)
Ein katholischer Priester, verschleppt ins KZ Dachau, wird für neun Tage freigesetzt, um seinen Bischof zu überzeugen, mit den Nazis zu kollaborieren. Sollte er fliehen, droht seinen Priesterkollegen im Lager die Ermordung. Schlöndorff schafft mit seinen grandiosen Darstellern Ulrich Matthes als Priester und August Diehl als SS-Offizier ein Drama, das von Schuld und Sühne und der Frage handelt, was Vergebung eigentlich bedeutet und was sie möglich macht. Und das alles erzählt jenseits von KZ-Film-Klischees.
Platz 1 - "Ulzhan – Das vergessene Licht" (2007)
Der Franzose Charles sucht auf dem alten Berg in Kasachstan - was? Auf dem Weg dahin trifft er die junge Nomadin Ulzhan. Am Ende der Reise steht womöglich der Tod. Vor allem geht es um Bewegung durch die Weite. Immer Bewegung, so wie das Leben der Nomaden war. Alles, was Schlöndorff auch hier einmal wieder vorgeworfen wurde, dass seine Landschaftsbilder zu metaphorisch seien, dass die Bilder von ehemaligen Gulags, endlosen Ölfeldern mit zum Himmel ragenden Bohrtürmen und verseuchtem Atomtestgelände, dass sie wieder unsäglich aufgeladen seien von Literatur, Politik und Geschichte, das hat mich hier nie gestört, denn Charles, die Kinofigur, hat mich mit seinen Rätseln mitgenommen auf diese Reise, die ihn auf Ulzhan treffen lässt. Charles fragt Ulzhan: "Warum reitest du mir nach? Warum lässt du mich nicht los?" – "Du kommst doch zu mir. Ich war da. Ich konnte nichts anderes machen." Nichts anderes machen können, als sich zu bewegen durch den (Kino)Raum. Märchenhaft. Volker Schlöndorffs Autobiografie trägt den Titel "Licht, Schatten und Bewegung". Treffender geht's nicht.