Wissenschaft zwischen Abgrund und Zukunft
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In der Filmgeschichte sind Forscher und Forscherinnen ambivalente Figuren. In „Frankenstein“ müssen Leichenteile her, „Avatar“ entwirft eine utopische Welt. Hier die fünf besten Filme über verrückte und nicht ganz so verrückte Wissenschaftler.
Platz 5 – "Frankenstein" von James Whale (1931)
Das mit dem Verrücktwerden, beziehungsweise der Gefahr davor, das ist eines der größten Probleme, da, in der Dämmerung des 19. Jahrhunderts, mit Viktor Frankenstein als "mad scientist". Frankenstein verfällt in seiner obsessiven Gier nach Wissen dem Größenwahn, in der Schaffung einer Kreatur Gott gleich zu sein: "Es lebt!".
Aus der Verzweiflung über die Endlichkeit des Lebens entsteht der Wille, eben diese zu überwinden. Das Monster erweist sich erstaunlicherweise menschlicher, als selbst Frankenstein denkt, und am Ende trauert es um seinen hingerafften Schöpfer. Herzzerreißende Romantik.
Platz 4 – "Der verrückte Professor" von Jerry Lewis (1963)
Immer die Zwiespältigkeit, die Janusköpfigkeit im Mann oder in der Frau des Wissens, ob im Drama oder in der Komödie. Chemieprofessor Julius Kelp, exzentrisch, chaotisch, recht hässlich, ist der große Zerstörer an seiner Uni. Dessen Rektor fasst den Cocktail des letzten Kelpschen Experiments zusammen: "Allgemein bekannt als …? Nitroglyzerin! Es war die schlimmste Explosion in der Geschichte unserer und jeder anderen Universität."
Als Kelp sich verliebt, aber bei der Studentin Stella abblitzt, wird er mittels Chemie-Elixier zu Buddy Love, der eigene Gegenentwurf in Gestalt eines American Boy. Jerry Lewis in einer Doppelrolle zeigt die Janusköpfigkeit des Wissenschaftlers à la Dr. Jekyll und Mr. Hyde in Form einer Brachialkomödie.
Platz 3 – "High Life" von Claire Denis (2018)
Frankensteins Größenwahn ist Professor Kelp dabei ebenso wenig fremd wie der Gynäkologin Dr. Dibs. Ein Raumschiff, dessen Besatzung aus männlichen und weiblichen Kriminellen besteht, ist auf dem Weg zu den Rändern eines Schwarzen Lochs. Bord-Ärztin Dr. Dibs (Juliette Binoche) hat Mann und Kinder ermordet.
Nun zapft sie den männlichen Besatzungsmitgliedern Sperma ab und pflanzt es den weiblichen ein. Der Schöpfungswahn dieser Wissenschaftlerin schreit nach psychologischer Analyse à la "Die Mörderin nahm Leben und will mittels Ablasshandels neues Leben schaffen". Eine Figur mit solch aufregender pathologischer Basis ist ein gefundenes Fressen für Filmliebhaber mit einer Vorliebe für den Blick in die Abgründe des Menschen.
Platz 2 – "Avatar" von James Cameron (2009)
Aus dem Raumschiff hinab auf den fremden Planeten. Menschen können auf Pandora, bewohnt von den Ureinwohnern der N'avi, nur in künstlich hergestellten N'avi-Körpern – also Avataren – überleben. Dr. Grace Agustine (Sigourney Weaver) ist Wissenschaftlerin und Hippie. Das Stirnband auf ihrem Avatar-Kopf passt mithin!
Sie erkennt: Der Wald auf Pandora ist ein Netzwerk aus elektrochemischer Energie: "Es ist ein globales Netzwerk. Und die N'avi haben Zugang dazu." Ein Öko-Märchen also? Ja. Oder auch: Ein utopischer Entwurf, der Leben im Einklang aller Lebewesen träumt, gegen die uns vertrauten Formen von Ausbeutung und Naturbeherrschung.
Platz 1 – "I Am Legend" von Francis Lawrence (2007)
Der Wissenschaftler im Labor: einsam, aber auch ganz bei sich in der Arbeit. Die Versuche, mit einem modifizierten Virus Krebs zu heilen, führten in der Zukunft des Jahres 2012 zum Tod fast der gesamten Menschheit. Dr. Neville scheint neben den Mutierten der einzige überlebende Mensch in New York zu sein.
Der Wissenschaftler, der sich an seinen Reagenzgläsern, Erlenmeyerkolben und Computern der Rettung des Menschen verschreibt, dabei frei von Frankenstein‘schem Größenwahn, ist ausgerüstet mit dem Pragmatismus des US-Pioniers.
Was für ein Traum, den er lebt, was für ein Heldentod, den er erleidet! Wobei Dr. Neville in der Alternativfassung auf der DVD, nachdem er das rettende Serum gefunden hat, sich auf den Weg in eine helle Zukunft macht. Wir können also wählen, was wir lieber sehen wollen, beziehungsweise aushalten können in den Zeiten unserer Pandemie.