Filmgenuss endlich wieder auf der Leinwand
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Nun geht die Lockerung der Corona-Maßnahmen ganz schnell. Doch für viele Kinos bedeutet das noch lange nicht das Ende der existenziellen Nöte. Denn die Krise hat bei den Filmtheatern Wunden hinterlassen. Anders sieht es in Skandinavien aus.
Die Biergarten-Stühle werden geschliffen. Die Coronapause hat man im Kölner Off-Broadway-Kino für die Renovierung genutzt, erzählt Christian Schmalz, der Betreiber des Hauses. Genau zur richtigen Zeit, denn die Kinos dürfen in Nordrhein-Westfalen am 30. Mai wieder öffnen:
"Dass es jetzt doch klappt, war überraschend, weil bis vor zwei Wochen die Signale waren, dass die Beschränkungen sehr lange aufrechterhalten bleiben."
Regionale Unterschiede
Nicht nur am Off Broadway ist man überrascht, in Sachsen und Schleswig-Holstein dürfen Kinos am 18. Mai wieder öffnen, in Hessen sogar neun Tage vorher. Dass die Zuschauer jetzt zögern könnten, in die Kinos zu gehen, glaubt Schmalz nicht:
"Wir haben so eine breite Unterstützung von unseren Zuschauern bekommen, es wurden so viele Gutscheine verkauft."
Allerdings dürfen wegen der Abstandsregeln nur begrenzt Karten verkauft werden. Finanziell wird das schwierig:
"Da müssen wir mit erhöhtem Personalaufwand bei geringerem Zuschauerzuspruch den Kinobetrieb aufrechterhalten. Aber wir haben viele Gespräche geführt, mit dem Land, mit dem Bund, deshalb glaube ich, dass wir Unterstützung bekommen", ist Schmalz überzeugt.
Welche Filme gezeigt werden, ist noch offen. Echte Neustarts hängen davon ab, wann die Kinos bundesweit wieder öffnen können. Dass jedes Bundesland derzeit seiner eigenen Öffnungslogik folgt, findet die Vorstandsvorsitzende des Hauptverbandes Deutscher Filmtheater, Christine Berg, problematisch. Denn für die Verleiher lohnen sich rein regionale Kinostarts nicht:
"Neue Filme brauchen Kinos in allen Standorten, ob ein großer oder ein toller Arthausfilm, die brauchen wirklich die Fläche. Wenn nur zwei, drei Länder aufmachen und alle anderen nicht, das ist nie gut."
Abstimmung mit den Behörden
Statt überstürzter Kinoeröffnungen wäre ein koordiniertes Vorgehen der Länder besser gewesen, denkt Berg:
"Ein Verleiher braucht nicht nur zwei oder vier Wochen, um einen Film starten zu können, sondern viel länger. Es muss Marketing gemacht werden, damit die Zuhörer überhaupt mitbekommen, dass es diesen Film gibt."
Und die Kinos müssten ihre Hygienekonzepte erst mit den Behörden abstimmen, wenigstens in Nordrhein-Westfalen gebe es dafür vier Wochen Vorlaufzeit. Nach acht Wochen ohne Einnahmen müssten die Kinos nun mehr Kosten und weniger Zuschauer stemmen, aber 85 Prozent der Filmtheater bekämen bisher keinerlei Staatshilfe.
Die "ZEIT" kommentierte, die Haltung des Staates zur Filmkunst zeige sich schon daran, dass die Kinos in den Lockdown-Anordnungen zwischen Etablissements für Striptease und Prostitution einsortiert würden:
"Das mit den Bordellen hat uns auch am besten gefallen", erzählt Berg. "Wir haben herzlichst gelacht. Ja, ich glaube, dass Kino keine so große Relevanz hat wie in anderen Ländern, obwohl es ganz viele Kinogänger gibt."
Große Zustimmung für Lockerungen
Enorme Wertschätzung erfährt das Kino dagegen in Norwegen, wo der Spielbetrieb bereits seit dem 7. Mai wieder läuft – mit Einschränkungen. Nicht nur die Zuschauerzahlen sind auf maximal 50 Menschen begrenzt, erzählt Jakob Berg vom Norwegischen Filminstitut. Es werden zudem die Kontaktinformationen jedes Kinobesuchers aufgenommen, um per App Corona-Vorfälle nachzuverfolgen.
Unter den Norwegern habe es eine große Zustimmung für den Lockdown gegeben, aber jetzt gebe es einen ebenso breiten Konsens für die Wiedereröffnung der Kulturstätten – insbesondere der Kinos. 211 Filmtheater verteilen sich über ganz Norwegen.
Da viele Kinos kommunal geführt werden, sei ihr Überleben trotz Corona gesichert. Angst hat Berg nicht um das norwegische Kino, das in den letzten 20 Jahren dank hoher Investitionen einen Aufschwung erlebt habe. Viel vom Erfolg des norwegischen Films verdanke sich auch dem Austausch mit deutschen Ko-Produzenten.
Skeptisch dagegen sieht die Leiterin des Schwedischen Filminstituts, Anna Serner, die Lage in ihrer Heimat, obwohl die schwedischen Kinos durchgehend geöffnet bleiben durften. Das Ergebnis: Es gab nur sehr wenige Besucher.
Angst vor einer zweiten Coronawelle
Wichtig sei wohl der positive psychologische Effekt gewesen, die Kinos offen zu lassen. Aber niemand wisse, wann es wieder volle Kinosäle gibt.
Die schwedische Filmbranche fürchtet die zweite Coronawelle. Und noch schwieriger werde es nun für die Produktion von Arthouse- und einheimischen Filmen. Nicht nur, weil das Hollywoodkino im Land dominieren würde, sondern auch, weil im online-affinen Schweden überdurchschnittlich viel gestreamt werde.
Aber weil trotz Corona die Filmproduktion weiter lief, hofft Anna Serner auf einen Startvorteil für den schwedischen Film nach der Krise. Und darauf, dass die Leute irgendwann genug haben vom Netflix-Schauen.