Kinos öffnen wieder

Wieder Leben auf der Leinwand

08:10 Minuten
Personen sitzen mit Abstand und Maske in einem Kino.
Mit Abstand ist Kino nun bald wieder möglich. © picture alliance / Keystone / Gaetan Bally
Kim Ludolf Koch im Gespräch mit Stephan Karkowsky |
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Nach monatelanger Coronapause dürfen alle Kinos bundesweit morgen wieder öffnen. Zwar fehlt vielen jetzt Personal, doch Insolvenzen habe es kaum gegeben, sagt Kim Ludolf Koch, Chef der Cineplex-Gruppe.
Stephan Karkowsky: Viele Kinos haben längst wieder geöffnet, morgen wollen die meisten anderen folgen, darunter auch die Cineplex-Kinos. Der Chef der Cineplex-Gruppe ist Kim Ludolf Koch. Acht Monate lang waren die Kinos dicht, wie dick waren die Spinnweben vor den Leinwänden?
Kim Ludolf Koch: Die waren nicht ganz so dick, weil man diese empfindlichen technischen Systeme mindestens einmal in der Woche eine Stunde anwerfen muss, damit sie nicht einrosten.
Wir haben geguckt, dass die Systeme vernünftig gelaufen sind, trotzdem haben wir jetzt zum Start natürlich umfangreiche Tests machen müssen. Auch die Getränkeleitungen, die wir an den Theken hatten, es musste alles wieder aufgefüllt werden. Ein größeres Multiplex wieder komplett spielfertig zu machen, dauert seine Zeit.
Karkowsky: Cineplex betreibt 90 Kinos in 68 Städten. Sie hätten die ja schon ein paar Wochen früher öffnen können, wie manche Mitbewerber. Warum erst jetzt?
Koch: Kino und Verleih stehen in einem ganz eng ineinandergreifenden Verhältnis. Wenn die Kinos nicht offen sind, bringen die Verleiher keine Filme. Und umgekehrt: Wenn wir keine Filme haben, machen die meisten Kinos nicht auf. Deswegen haben sich die drei Kinoverbände und die zwei Verleihverbände, die auf beiden Seiten 99,9 Prozent des Marktes abdecken, darauf verständigt, einen gemeinsamen Termin zu finden, zu dem die Kinos in allen Bundesländern öffnen und zu dem Verleiher sich verpflichten, dann auch mit den ersten Produktionen zu kommen.
Wir hatten einen Vorlauf von mindestens sechs oder acht Wochen, mit der Ankündigung, dass die Bewerbung der Filme geklappt hat. Zum anderen wollten wir auch sicher sein, dass die Inzidenzen dann überall so niedrig sind, dass die Kinos bundesweit aufmachen können.
Wir erinnern uns an den letzten Lockdown, da lagen zwischen dem ersten und dem letzten Bundesland acht Wochen hinsichtlich der Öffnungserlaubnis. Das war für die Filmbelieferung eine katastrophale Situation. Die frühen Standorte hatten überhaupt gar keinen Vorteil, weil gar keine Filme kamen.

Verschiedene Zugangsbedingungen je nach Bundesland

Karkowsky: Sind die Zugangsbedingungen in allen Bundesländern gleich? Wenn ich morgen zu Ihnen ins Kino komme, ist es egal, wo? Ob in Bayern oder in Schleswig-Holstein - gilt immer das Gleiche für mich?
Koch: Nein, leider nicht. Da haben wir mit dem föderalen Prinzip eine Vorlage, die sehr große Unterschiedlichkeiten zur Folge hat. Manche Länder haben Maskenzwang im Saal, manche haben ihn nicht, manche haben 1,50 Meter Abstand, manche haben einen Meter. Manche machen die Distanz davon abhängig, ob die Leute einen Impfnachweis oder Testnachweis bringen.
Das heißt, wir haben sehr viele unterschiedliche Systeme. Wir haben eine Online-Buchungsquote von etwa 80 Prozent, und das heißt, man muss in jedem Bundesland oder manchmal auch von Stadt zu Stadt die Buchungsregeln in den Online-Buchungssystemen unterschiedlich anlegen und das auch mit relativ häufigen Wechseln.
Kinosessel sind im Kinosaal "Arri" in der Astor Film Lounge im Arri zu sehen. Am 01.07.2021 öffnen viele Kinos wieder nach monatelanger Schließung. Darüber hinaus beginnt am selben Tag das Internationale Filmfest München.
Vor der Öffnung der Kinos© picture alliance/dpa | Sven Hoppe
Karkowsky: Da kommen dann Leute mit einem Online-Ticket, die wissen, sie müssen an der Kasse nicht anstehen und wenn sie pünktlich zum Filmbeginn da sind, sagt der Filmvorführer, Moment, wir brauchen einen Test von euch?
Koch: Auch das kann passieren, weil wir in den Buchungssystemen keine Testergebnisse erfassen können.
Karkowsky: Die Festangestellten im Lockdown hatten Kurzarbeit, richtig?
Koch: Der große Teil, ja.
Karkowsky: Mussten Sie Leute entlassen?
Koch: Von den Festangestellten mussten wir in den allerwenigsten Fällen Leute entlassen. Es waren eher welche, die von sich aus gekündigt haben. Anders verhält es sich mit dem im operativen Geschäft eingesetzten Personal - also kurzzeitig geringfügig Beschäftigte, Studenten, Schüler, die im Kino gejobbt haben, zum Teil auch schon länger dabei waren. Die konnte man nicht in Kurzarbeit schicken.
Es war weder für sie noch für uns als Arbeitgeber eine sinnvolle Situation, diese relativ lange Phase mit einer Anstellung zu überdauern. Man hätte zwar die Stunden reduzieren können, um sie zu halten, aber das machte auch keinen Sinn. Das heißt, man hat sich von fast allen alle operativen Teams im Einvernehmen getrennt. Die haben ja auch gesehen, dass das keinen Sinn macht.

Personalmangel in den Kinos

Karkowsky: Haben Sie das Personal jetzt so schnell zurückkriegen können?
Koch: Das ist genau das Thema. Sie werden fast auf jeder zweiten Webseite der Kinos bei der Jobsuche Angebote finden, wo Leute gesucht werden, die wieder an der Kasse, an der Theke, am Einlass und so weiter operative Dienste im Kino übernehmen. Wer daran Spaß hat, kann sich gerne melden.
Karkowsky: Wer hat eigentlich die Miete gezahlt für Ihre Häuser in dieser Zeit? Die liegen ja meist in den besten Innenstadtlagen und sind bestimmt nicht billig.
Koch: Ein großes Multiplex mit sieben, acht bis zehn Leinwänden muss gut und gerne bis zu 100.000 Euro Miete pro Monat bezahlen. Das sind in der Tat relativ hohe Mieten, die da gezahlt werden, aber die Bandbreite ist natürlich deutlich größer.
Sie sprechen einen wunden Punkt an: Wir sind behördlich geschlossen worden, und die Möglichkeit, Umsätze zu machen, ist uns damit genommen worden. Trotzdem gibt es keine klare Regelung im Infektionsschutzgesetz, dass in diesen Fällen das Risiko einer Schließung von Mieter und Vermieter gemeinsam getragen wird.
Wir gehen davon aus, dass das in absehbarer Zeit vom Bundesverfassungsgericht entschieden wird. Es gibt bereits unterschiedliche Urteile von verschiedenen Landes- und Oberlandesgerichten, die einmal für den Mieter und einmal für den Vermieter entscheiden. Das Gerechtigkeitsgefühl, das man an dieser Stelle haben kann, ist, wenn beide von der Situation betroffen sind, dass sie behördlich schließen müssen, Mieter wie Vermieter, dann ist es meines Erachtens fair, wenn man sich dieses Risiko teilt und in dieser Zeit nur die Hälfte der Miete zahlen muss oder bekommt.

Bislang keine Insolvenzen oder Schließungen

Karkowsky: Wir haben schon einmal mit Ihnen gesprochen vor ziemlich genau einem Jahr. Da hatten Sie gesagt, Sie sind sich nicht sicher, wie viele Kinos die Schließung überleben werden. Sind Sie heute optimistischer?
Koch: Ich bin optimistischer, denn es ist mit viel Anstrengung der größeren Unternehmen und vor allem der Verbände in der Kinobranche gelungen, die Politik zu überzeugen, die Kinos mit halbwegs brauchbaren Maßnahmen zu unterstützen. Das hat insofern funktioniert, als dass je kleiner das Unternehmen beziehungsweise das Kino war, desto größer die Fördermittel, die sie in Anspruch nehmen konnten.
Da sind zum Teil auch 100 Prozent der Fixkosten erstattet worden. Insofern haben die in der Zeit keine Verluste gemacht. Die etwas größeren Unternehmen – dazu gehören fast alle meiner Gesellschafter – haben auch mindestens 80 Prozent ihrer Fixkosten ersetzt bekommen, mussten also immer noch einen durchaus nennenswerten Teil aus ihren eigenen Rücklagen bestreiten, um das Überleben zu sichern, aber das ist fast allen gelungen.
Deswegen haben wir bis auf ein paar Vorerkrankte, wie es so schön heißt, bislang keine Insolvenzen von Kinos oder Schließungen feststellen müssen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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