Kinostart

Amerika wie im Bilderbuch

TS Spivet (Kyle Catlett) in einer Szene des Kinofilms "Die Karte meiner Träume" von Jean-Pierre Jeunet
TS Spivet (Kyle Catlett) in einer Szene des Kinofilms "Die Karte meiner Träume" von Jean-Pierre Jeunet © picture alliance / dpa / Jan Thijs/ DCM
Von Anke Leweke |
Mit seinem Film "Die fabelhafte Welt der Amélie" verzauberte Jean-Pierre Jeunet das Kinopublikum. Im Mittelpunkt seines Roadmovies "Die Karte meiner Träume" steht ein Junge, der von Karten, Maßeinheiten und physikalischen Gesetzen besessen ist.
Kino darf naiv, fantastisch und abgefahren sein. Kino darf träumen, spinnen und Welten erfinden. Und deshalb sucht es sich immer wieder Helden, mit denen es gemeinsam auf Reisen gehen kann. Auf konkrete Reisen und auf Reisen in Gedanken.
So ein Held ist der zehnjährige, hochbegabte und wissenschaftsbesessene T. S. Spivet. Mit seiner Familie wohnt er in einem abgelegenen Haus in der sattgrünen Landschaft Montanas. Mit seinem Blick schweift auch unserer über die Weite der Wiesen und Hügel, doch so richtig kann man sich an dem Anblick in 3 D nicht erfreuen. Man spürt, dass uns hier jemand zum Staunen bringen will.
Mutter Insektenforscherin, Vater Cowboy
Dieser Film hat sich seine Originalität regelrecht auf die Fahnen geschrieben. So ist Spivets Mutter eine drollige Insektenforscherin, der Vater wiederum ein introvertierter, aus der Zeit gefallener Cowboy. Einsam schwingt er sein Lasso in der Prärie.
Entfaltete sich die Fantasie in Jean-Pierre Jeunets wunderbarem Gegenwartsmärchen "Die fabelhafte Welt der Amélie" in aller Selbstverständlichkeit, wirkt sie hier regelrecht aufgesetzt. Mit Amélie wanderte man durch das heutige Paris, ihr transformatorischer Blick verwandelte eine ganz alltägliche Umgebung in ein wundersames Reich.
Der französische Regisseur Jean Pierre Jeunet, US-Schauspieler Kyle Catlett und der US-amerikanische Autor Reif Larsen.
Der französische Regisseur Jean Pierre Jeunet, US-Schauspieler Kyle Catlett und der US-amerikanische Autor Reif Larsen.© picture alliance / dpa / Javier Etxezarreta
Der wissenschaftliche Blick
Hier wirkt Amerika von Beginn an wie eine Bilderbuchlandschaft. Doch warum eine irreale Welt noch irrealer erscheinen lassen? Jetzt bekommt man es mit einem wissenschaftlichen Blick zu tun, Spivet zerlegt seine Umgebung in Karten, Maßeinheiten und physikalische Gesetze, während wir aus dem Off seinen altklugen Ausführungen folgen müssen.
Die bahnbrechende Erfindung eines Perpetuum Mobile bringt dem Kleinen einen wichtigen Preis ein, doch wer glaubt schon, dass ein kleiner Junge dahintersteckt? Spivet zieht los, um die Erwachsenen eines Besseren zu belehren.
Der Film wird zum Roadmovie und später zur Mediensatire. Zudem gilt es noch Trauerarbeit zu bewältigen, bei einem seiner Experimente kam Spivets Bruder ums Leben. Bleibt festzuhalten, dass es manchmal sehr anstrengend sein kann, dem Kino beim Träumen und Spinnen zuzuschauen.

Frankreich, Kanada 2014, Regie: Jean-Pierre Jeunet, Hauptdarsteller: Kyle Catlett, Helena Bonham Carter, Robert Maillet, 135 Minuten

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