"Kir Royal"- Satire, Kult und Schickeria

Von Hartmut Goege |
Sechs glanzvolle Folgen pirschte Franz Xaver Kroetz in der Serie "Kir Royal" als Klatschreporter Baby Schimmerlos durch die Münchner Schickeria. Gnadenlos bissig wurde die Schicki-Micki-Gesellschaft der 1980er aufs Korn genommen.
"Na, das fangen wir gar nicht erst an. Und wer reinkommt, bestimme ich. Ich und sonst niemand, ist das klar?"

Wenn Klatschreporter "Baby" Schimmerlos durch Münchens Szene der 80er-Jahre pirscht, dann ist er stets auf der Suche nach der schlüpfrigsten Story. Egal, ob es um die vermeintlichen Krampfadern eines Weltstars oder um die vermutliche Schwangerschaft eines Starlets geht. Wer in seiner viel gelesenen Kolumne der fiktiven Münchner Allgemeinen Tageszeitung, kurz MATZ, auftaucht, hat es geschafft. Denn Dabeisein ist alles in der Schickeria. Der Kontakt zu Prominenten verhilft schließlich sogar "Baby" zu einem Ansehen, das seinem Berufsstand eher abgeht.

"Dat is doch der Herr Schimmerlos, wat trinkt der denn da mit seiner Dame?' 'Kir Royal, Herr Generaldirektor."

Benannt nach dem Schicki-Micki-Getränk des Jahrzehnts, startete die sechsteilige Serie am 22. September 1986 im Abendprogramm der ARD. Schnell wurde "Kir Royal" in der bis dahin gewohnt öffentlich-rechtlichen Ausgewogenheits-Langeweile zum frech unterhaltenden Publikumsrenner. Während zwei Jahre nach der forcierten Einführung des Privatfernsehens durch die Kohl-Regierung, der Stumpfsinn in Titten-Shows wie "Tutti Frutti" eskalierte und auch das ZDF mit seiner Kitsch-Oper "Schwarzwaldklinik" dem beginnenden Quotenwahn huldigte, geriet die Klatschreporter-Saga um Baby Schimmerlos zur ungewohnt boshaften Gesellschaftssatire. Die Katholische Kirche etwa hätte "Kir Royal" wegen einer Schmiergeldszene im Beichtstuhl am liebsten zum Teufel gewünscht.
" 'Möchtest du eine Quittung, mein Sohn'' 'Nein, Hochwürden.' 'Deine Sünden sind dir vergeben. Mögst du jetzt den Leib des Herrn empfangen mein Sohn.' 'Oder zuerst den Bürgermeister."

Der Erfolg der Persiflage auf Münchens wildes Leben der oberen Zehntausend war zum einen dem eingespielten Drehbuch-Gespann Helmut Dietl und Patrick Süskind zu verdanken, zum anderen der hochkarätigen Schauspieler-Besetzung. Neben Franz Xaver Kroetz in der Hauptrolle spielt etwa Ruth-Maria Kubitschek Babys sarkastische und geschäftstüchtige Chefin ...

"Sie schreiben über soviel Blödiane, da kommt's doch auf einen mehr oder weniger auch nicht an."

... Dieter Hildebrand ist Schimmerlos' treu hinterhertrottender Fotograf ...

"So und jetzt... Siegerpose! Nein, nicht Heil Hitler!"

... und Mario Adorf, ein Klebstofffabrikant aus der Provinz.

"Geld regiert die Welt. Und für Geld mach' isch alles."

Für Adorf war "Kir Royal" ein Glücksfall: sein Durchbruch als Komödiant. Er, der bis dahin vor allem als Bösewicht in ´zig Filmen geglänzt hatte, spielt in der ersten Episode den neureichen Heinrich Haffenloher, der sich nach großbürgerlichem Glanz und nach Anerkennung sehnt. Die Szene, in der er Eintritt in die Glitzerwelt sucht, gehört zu den Sternstunden deutscher Fernsehunterhaltung.

"Ich mach dich nieder, Schimmerlos, wenn du mich jetzt hier stehen lässt wie ne Deppen. Dann mach ich dich nieder. Ich ruinier dich. Isch mach disch fertisch. Isch kleb dich zu von oben bis unten.' 'Ahh, mit dem Kleber.' 'Mit meinem Geld. Isch kauf disch einfach. Isch kauf dir ne Villa, da stell isch dir noch´n Ferrari davor. Deinem Weib schick' isch jeden Tag en´ Fünfkaräter. Isch schieb et dir hinten und vorne rein. Isch scheiß dich sowat von zu mit meinem Geld, dass de keine ruhige Minute mehr hast. Und die Versuchung is so groß, da nimmst´s und dann hab isch dich, dann jehörste mir. Und dann biste mein Knecht. Isch mach mit dir, wat isch will, verstehste, Junge."

Ob es in den Episoden um die Bussi-Schickeria geht und ihre miesen Geldgeschäfte oder um korrupte Politiker und Halbseidenes aus der Adelswelt, immer wird in dieser überdrehten Mediensatire der Gesellschaft ein entlarvender Spiegel vorgehalten. Viele, die vom allgemeinen TV-Serien-Fieber infiziert waren, wünschten sich weitere Folgen, doch Regisseur Helmut Dietl hatte "Kir Royal" bewusst nur auf sechs Episoden angelegt.

"Man hat eine bestimmte Sache zu erzählen. Wenn man die erzählt hat, dann, denk' ich, ist es ok. Und wenn man dann, nur weil eine Sache Erfolg hat, sagt, na ja, jetzt stückele ich da noch was dran, dann glaube ich, kriegt es eine Art Automatismus, es verliert die ursprüngliche Kraft und den ursprünglichen Reiz, die es für das Publikum hat. Und ich gehe sogar soweit zu sagen, dass die Tatsache, dass es nur sechs Folgen von 'Kir Royal' gibt, ist mit ein Geheimnis dieses Erfolges."