Uwe Bork, geboren 1951 im niedersächsischen Verden (Aller), studierte an der Universität Göttingen Soziologie, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Verfassungsgeschichte, Pädagogik und Publizistik. Bis Ende 2016 leitete er die Fernsehredaktion "Religion, Kirche und Gesellschaft" des SWR. Für seine Arbeiten wurde er mit dem Caritas-Journalistenpreis sowie zwei Mal mit dem "Deutschen Journalistenpreis Entwicklungspolitik" ausgezeichnet.
Was der Papst von Autokonzernen lernen kann
04:23 Minuten
Der Shareholder-Value ist manchmal leichter zu erkennen als der Wille Gottes, meint der Soziologe Uwe Bork. Trotzdem könnte der Weltkonzern "Katholische Kirche" sich an Konzepten internationaler Autokonzerne orientieren. Ein gewagter Ratschlag?
Und wenn es unsere Kirchen einfach einmal mit Polytheismus versuchten? Bei Griechen wie Römern war eine Vielzahl von Gottheiten schließlich lange erfolgreicher Stand der Theologie. Vielleicht könnte solch ein Schwenk das Christliche im christlichen Abendland ja wieder attraktiver machen.
Doch im Ernst: Im Moment dürfte es nicht gerade viele Menschen geben, die gern mit unseren Kirchenmännern und – falls Sie evangelisch sind – auch mit unseren Kirchenfrauen tauschen würden. Die Aufgaben, die die gegenwärtig zu lösen haben, sind nämlich so gewaltig, dass es schon einer überdurchschnittlichen Menge an Gottvertrauen bedarf, um an ihrer Größe und Dringlichkeit nicht zu verzweifeln.
Durch Fehler und Starrsinnigkeit Glaubwürdigkeit verloren
Namentlich die katholische Kirche hat durch eigene Fehler und eigene Starrsinnigkeit wesentliche Teile ihrer Glaubwürdigkeit verloren – und weil Differenzierungsfähigkeit nicht unbedingt zu den Kernkompetenzen moderner Medienbürger gehört, droht in der Gesellschaft nun die Stimme beider Konfessionen zu verstummen. Wären die Kirchen statt mit der Hervorbringung von Seelenheil mit der Produktion von Verbrennungsmotoren beschäftigt, würde man ihnen wohl den massiven Einsatz von Schummelsoftware vorwerfen.
Nicht den eigenen Maßstäben gerecht geworden zu sein, das ist in der Tat der Vorwurf, den man beiden machen muss, den Kirchen wie den Konzernen. Während es Letzteren aber gelungen ist, selbst ohne eine grundlegende Veränderung ihres Geschäftsmodells den Eindruck ökologischer Läuterung zu erwecken, dümpelt vor allem das katholische Kirchenschiff nach wie vor in den Brackwassern nicht aufgearbeiteter Skandale und unterbliebener Reformen dahin.
"Whitewashing" unterm Glockenturm
Anders als bei den Autobauern, bei denen ein Wechsel der Werbeagentur für das "Greenwashing" oft schon genügt, ist das "Whitewashing" unterm Glockenturm allerdings auch um einiges schwieriger. Sogar wenn – wie jetzt in Deutschland auf katholischer Seite – ein sogenannter "synodaler Weg" eingeschlagen werden soll, auf dem – welch eine Unterscheidung – "Kleriker und Laien" endlich auf Augenhöhe miteinander reden, droht das am Einspruch aus Rom zu scheitern. Wo es um Fragen von Macht, Sexualmoral, Zölibat und nicht zuletzt um die Rolle der Frauen in der Kirche geht, will der Vatikan quasi als Inhaber der weltweiten Markenrechte immer noch ein Wort mitreden.
Umsteuern scheint undenkbar
Gut, auch in den oberen Etagen von VW, BMW und Daimler würde man sich vermutlich schwer damit tun, wenn plötzlich unten am Band entschieden würde, statt tonnenschwerer Dickschiffe nur noch schlanke E-Bikes zu produzieren. Letzten Endes würde man allerdings wohl doch den Kurs wechseln: Der "Shareholder-Value" ist manchmal einfach leichter zu erkennen als der Wille Gottes.
Im Vatikan hat man mit dem Umsteuern deshalb Probleme. Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern: Unmöglich! Abschaffung des Pflichtzölibats? Undenkbar! Mehr Mitsprache für das Kirchenvolk: Unerreichbar!
Unter dem Primat, einen einheitlichen Katholizismus zu erhalten, den es so längst nicht mehr gibt, verkennen viele Oberhirten offenbar, dass die fortschreitende Marginalisierung ihrer Kirche zumindest in Europa ohne entschiedene Veränderungen und eine Öffnung für mehr Vielfalt nicht mehr aufzuhalten ist.
Unter dem Primat, einen einheitlichen Katholizismus zu erhalten, den es so längst nicht mehr gibt, verkennen viele Oberhirten offenbar, dass die fortschreitende Marginalisierung ihrer Kirche zumindest in Europa ohne entschiedene Veränderungen und eine Öffnung für mehr Vielfalt nicht mehr aufzuhalten ist.
Den Markenkern erhalten
Die Autoindustrie kennt so etwas längst. Sie produziert schon lange keine bis auf die letzte Schraube gleichen Weltautos mehr, sie setzt vielmehr auf Modelle, bei denen zwar alle wichtigen Teile gleich sind, die sich beim Design aber dennoch unterscheiden.
Vielleicht sollte der Weltkonzern "Katholische Kirche" es einfach auch einmal mit einem solchen Konzept probieren. Den Markenkern erhalten, darüber hinaus aber das Gespräch mit seinen weltweit mehr als 1,3 Milliarden Kunden suchen.
Und keine Angst: Die christliche Dreifaltigkeit durch ein buntes Pantheon zu ersetzen, das wird bei diesen Gesprächen garantiert kein Thema sein. Gott bewahre!
Und keine Angst: Die christliche Dreifaltigkeit durch ein buntes Pantheon zu ersetzen, das wird bei diesen Gesprächen garantiert kein Thema sein. Gott bewahre!