Missbrauch in der katholischen Kirche
Beratungsbedarf in einer medialen Ausnahmesituation: Kölns Erzbischof Kardinal Woelki, vorübergehend in Auszeit. © Getty Images / Andreas Rentz
Moral ist nur was für arme Schlucker
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Fast drei Millionen Euro hat das Erzbistum Köln für juristischen Beistand und PR-Beratung während des Missbrauchs-Skandals bezahlt. Die Opfer sexualisierter Gewalt erhielten etwa die Hälfte. Finden Sie den Fehler?
Das Erzbistum Köln ist ein göttliches Ding. Das behaupteten seine Spitzenvertreter, als sie noch nicht in geistlichen Auszeiten oder im afrikanischen Ausland weilten. Die römisch-katholische Kirche, so pflegten Rainer Maria Woelki und seine geweihte Entourage zu sagen, sei nicht irgendeine weltliche Institution, nein, sie sei von Gott selbst eingesetzt und dürfe nicht verändert werden.
Wenn das stimmt, dann kam Jesus in Köln zur Welt und arbeitete bis zu seinem 33. Lebensjahr als Jurist oder PR-Berater. Denn diese Berufsgruppen scheinen für die Verkündigung dessen, was man in der Domstadt fürs Evangelium hält, systemrelevant zu sein. Vorgestern machte das Erzbistum bekannt, dass es in den vergangenen beiden Jahren im Zusammenhang mit dem Thema Missbrauch 2,8 Millionen Euro für Anwaltskanzleien und PR-Beratung ausgegeben hat.
Gutachten und Krisenkommunikation
Rund 1,27 Millionen haben laut Pressemitteilung die beiden Gutachten gekostet, darunter eines, das unveröffentlicht bleibt. 588.000 Euro wurden für weitere rechtliche Beratung ausgegeben und 820.000 Euro für Krisenkommunikationsberatung. Es sei eine mediale Ausnahmesituation gewesen, sagt der Herr des Geldes, der nun wegen dieser Ausnahmesituation Delegat und nicht mehr Generalvikar heißt.
Das Geld war göttlich gut investiert. Die Imagewerte des Kölner Kardinals und seiner Truppe sind zwar desaströs, die Austrittszahlen im Schatten des Domes auf Rekordhöhe, aber die hochwürdigsten Herren, die in den Gutachten belastet werden, haben ihre Ämter behalten. Wie sagte Jesus noch gleich? Am Amte hängt und zum Amte drängt in meiner Kirche alles.
Ach, einen solchen Satz hat Jesus gar nicht gesagt? Macht nichts. Wir heuern ein paar Rechts- und PR-Profis an, dann drücken wir auch Halb-, Teil- und Unwahrheiten durch. Nichts geahnt, nichts gewusst – kommt alles auf die Rechnung.
Täter gehätschelt, Opfer ignoriert
Apropos halb und teil: An Missbrauchsbetroffene zahlte das Erzbistum nach eigenen Angaben seit 2010 eineinhalb Millionen Euro. In Worten: 1,5 Millionen in elf Jahren im Vergleich zu 2,8 Millionen an Gutachter und Berater in zwei Jahren.
So viel juristisches Gewese war nötig, um von schlichten Fakten abzulenken: Kleriker haben Kindern und Jugendlichen sexualisierte Gewalt zugefügt, die Täter wurden gehätschelt, die Opfer ignoriert, gedemütigt, eingeschüchtert, ruhiggestellt. Die Vertuscher reden sich bis heute heraus.
Gutachten und Gutachten der Gutachten könnte sich die Kirche sparen, wenn die Männer an der Spitze aus freien Stücken ehrlich sagten, was los ist, was sie getan und was sie unterlassen haben. Entschädigungen werden bis heute nicht gezahlt.
Mein Gott, wie naiv, sagen Berater, wenn sie solche Sätze hören. Stimmt. Moral ist nur was für arme Schlucker.