Pfarrer vorm Kadi
In Bayern legt sich die christsoziale Staatsregierung nun mit den christlichen Kirchen an: Kirchenasyl soll stärker als bisher verfolgt werden. Das könnte nun Pfarrerinnen und Pfarrer zu Straftätern machen - und bis zu drei Jahre ins Gefängnis bringen.
Lange hegten die Kirchen einen Verdacht: die bayerische Staatsregierung wolle Kirchenasyl strafrechtlich stärker verfolgen. Jetzt fühlen sie sich bestätigt: vor ein paar Tagen schickte das bayerische Justizministerium eine Art Drohbrief an die Kirchen: in Zukunft werde man gegen alle Fälle von unerlaubtem Aufenthalt oder der Beihilfe dazu vorgehen.
Das betrifft nicht nur Flüchtlinge, die in Kirchen Schutz suchen, sondern auch Pfarrer, die Flüchtlinge aufnehmen. Die bayerischen Generalstaatsanwaltschaften wollen einheitlich vorgehen. Als Richtschnur haben sie deshalb ein Drei-Stufen-Modell herausgegeben, sagt der Münchner Oberstaatsanwalt Joachim Ettenhofer.
"Je nachdem, wie der Einzelfall liegt, erfolgt beim Erstfall in der Regel eine Einstellung wegen Geringfügigkeit ohne Geldauflage, beim zweiten Mal eine Einstellung gegen Geldauflage und beim dritten Fall dann die Beantragung eines Strafbefehls."
Flächendeckende Ermittlungen
Beim Thema Kirchenasyl wird der Ton zwischen Politikern und Pfarrern rauer, beobachtet die evangelische Kirche. Und zwar schon seit Jahresanfang. Die Staatsanwaltschaften mussten zwar schon immer ermitteln. Allerdings stellten sie die Verfahren bisher sofort wieder ein. Weder die Pfarrer noch die Flüchtlinge erfuhren davon. Das ändere sich nun, sagt Michael Martin, Oberkirchenrat der evangelischen Kirche in Bayern.
"In den letzten Monaten wurde das vermehrt in die Öffentlichkeit gebracht. In Bayern haben wir das Gefühl, es wird flächendeckend ermittelt. Auch bei Fällen von Kirchenasyl, die Jahre zurückliegen. Die kriegen jetzt eine Mitteilung, dass sie vor zwei Jahren ein Kirchenasyl gemacht hätten und dass das eine Straftat sei."
Die katholische Kirche will sich nicht öffentlich äußern. Hinter vorgehaltener Hand sagt ein Sprecher eines bayerischen Bistums, es sei noch keine tatsächliche Verschärfung spürbar. Man wolle erstmal abwarten, ob mehr dahintersteckt als heiße Luft. Die bayerische Staatsregierung wolle beim Wähler den Eindruck vermitteln, dass etwas vorangehe.
Bayern am strengsten
Doch statt Klarheit schafft das bei der evangelischen Kirche Unsicherheit und Frust, sagt Michael Martin.
"Wir sehen schon eine Verschärfung in der Situation, wenn jetzt in aller Öffentlichkeit gegen alle Pfarrer und Pfarrerinnen ermittelt wird, die jemals ein Kirchenasyl eingerichtet haben und sogar gegen ganze Kirchenvorstände Vorermittlungen eingeführt werden. Da gibt es natürlich ganz neue Ängste."
Auffällig ist, wie streng Bayern im Vergleich mit anderen Bundesländern vorgeht. Martin geht von 30 bis 50 laufenden Verfahren bei aktuell 53 Kirchenasylen aus. In norddeutschen Bundesländern sehe das ganz anders aus: In den evangelische Kirchen in Mecklenburg-Vorpommern sei keine einzige Ermittlung bekannt - trotz 32 Kirchenasylen.
Juristische Grundsatzentscheidung gefordert
Falls es zu Anklagen kommt, wollen evangelische und katholische Kirchenvertreter Widerspruch einlegen – und ein Gericht entscheiden lassen. Wenn nötig, gehe man durch alle Instanzen bis zum Bundesverfassungsgericht, so der Sprecher eines bayerischen Bistums. Michael Martin erhofft sich eine juristische Grundsatzentscheidung:
"Ist überhaupt dieses Kirchenasyl ein Straftatbestand im Sinne von unerlaubtem Aufenthalt? Es wird ja ganz offen kommuniziert, dass jemand in Schutz genommen wird. Die Behörden können jederzeit mit den Personen sprechen im Kirchenasyl, es wird auch niemand versteckt. Deshalb kommen manche Juristen und Politiker zu der Meinung, es ist überhaupt kein unerlaubter Aufenthalt und es besteht überhaupt kein Anlass, zu ermitteln."
Ob Anklage erhoben wird, entscheiden letztlich die Staatsanwaltschaften – und haben dabei auch Spielraum. Kirchenasyl sei eine geringfügige Straftat wie Schwarzfahren, heißt es zum Beispiel aus einer bayerischen Staatsanwaltschaft. Keiner dort habe ein Interesse daran, Pfarrer strafrechtlich zu verfolgen.
Wer zahlt?
Wenn es aber doch zu einer Strafe kommt, stellt sich die Frage: Wer zahlt? In der evangelischen Kirche sind das die Pfarrer selbst. Bisher lagen die Kosten bei ein paar hundert Euro. Oberkirchenrat Martin erklärt das so:
"Wir haben im Landeskirchenrat ausführlich darüber diskutiert, dass wir diese Strafmandate nicht aus Mitteln der Kirchensteuer übernehmen können und diese Verurteilungen aufgrund einer Gewissensentscheidung stattfinden und wir die Folgen der Gewissenentscheidung nicht ersetzen können."
Einen Rechtsbeistand müssen die Pfarrer allerdings nicht zahlen – den übernimmt die Kirche.