Schöner Schwan auf dem Scheiterhaufen
Vor 600 Jahren wurde der große Kirchenreformer Jan Hus als Ketzer auf dem Scheiterhaufen verbrannt – ein brutaler, schrecklicher Irrtum mit Spätfolgen bis in die Reformation Martin Luthers 100 Jahre später. Erinnerungen über Jan Hus, seine Theologie und sein Sterben.
Das Spätmittelalter war eine Epoche der politischen und religiösen Unsicherheit: Es gab nicht nur drei Päpste - Johannes der XXIII, Gregor der XII und Benedict der XIII – sondern auch noch mehrere deutsche Könige, die um die Macht in Europa stritten. König Sigismund von Luxemburg, der sich schließlich als deutscher König durchsetzen konnte, gelang es, die zerstrittenen Parteien auf dem Konzil in Konstanz 1414/1415 zusammenzubringen. Das bestehende Schisma, die Kirchenspaltung, sollte beseitigt und ein einziger Papst gekrönt werden.
Der Historiker Johannes Helmrath: "Das große Schisma, die Wahl zweier Päpste durch die Kardinäle 1378, bedeutet per se schon eine Krise, dass die Einheit der Kirche in ihrer Spitze nun gespalten war. Wenn wir einen Blick auf Böhmen werfen, so war Böhmen im 14. Jahrhundert als Residenz der böhmischen Könige, aber unter den Luxemburgern und ihrem bedeutendsten König und Kaiser Karl IV. auch die Residenz des deutschen Königs. Und in diese kritische Situation wurde der junge Jan Hus geboren."
Jan Hus lernt früh die Lehren des 1384 verstorbenen Oxforder Professors John Wyclif kennen und fordert schon bald wie dieser die Abkehr der Kirche von Luxus und Verschwendung, von Besitz und weltlicher Macht. Im Jahre 1400 wird Hus zum Priester geweiht, zwei Jahre später übernimmt er das Predigeramt an der Bethlehemskapelle in Prag.
"Das ist ein äußerst wichtiger Punkt. Die Predigt, die Verkündung des Wortes Gottes, aber auch die kritische Predigt spielt eine ungeheure Rolle. Hus war hier etwas Besonderes, und auch die Bethlehemskapelle."
Selbst der Papst konnte ein Ketzer sein
Sie fasste bis zu 3.000 Menschen, vor denen Hus predigen konnte. Das intellektuelle Zentrum Böhmens bildete aber die Prager Universität. Dort lehrte Hus ab 1409 Theologie und Philosophie.
Jan Hus lebte in einer Zeit der Widersprüche. Es ging um die politische und kirchliche Neuordnung Europas, wobei die Fronten zwischen den verfeindeten Kräften sich jederzeit wieder verschieben konnten. Hus wurde oft vom böhmischen Adel unterstützt, doch zuletzt auf dem Konstanzer Konzil ließ ihn auch der Papst fallen, denn selbst ein Papst konnte als Ketzer verurteilt werden, wie es schließlich mit Johannes dem XXIII geschah. Der Papst aus dem Spätmittelalter Johannes der XXIII wurde später aus der Liste der Päpste gestrichen, so dass dieser Name im 20. Jahrhundert noch einmal vergeben werden konnte.
"Man muss sich vorstellen, dass das Konstanzer Konzil selbst nur eine bedingte Legitimität hatte. Auf dem Konzil von Pisa hatten die Verursacher des Schismas, die Kardinäle der beiden Obödienzen, der beiden Papsthöfe, versucht, die Sache zu einigen, indem sie einen anerkannten Papst, Alexander V., wählten. Nur schafften sie es nicht, dass die anderen Päpste dann auch zurücktraten."
Man hatte dann nicht nur zwei, sondern drei Päpste, was zu großen Verwicklungen führte. Als Papst Johannes XXIII. sein Amt übernahm, wollte er unbedingt seine Legitimität als oberste Glaubensinstanz der Kirche auf dem Konstanzer Konzil unter Beweis stellen.
Der Fall Hus bot ihm die Gelegenheit zu zeigen, dass das Konstanzer Konzil für den rechten Glauben eintrat, dass es die Kirchenreformen voranbringen und das Schisma beseitigen könne. Nicht die von Hus angestrebten Kirchenreformen erregten Anstoß auf dem Konzil, sondern seine Kirchenlehre, die er vertrat. Sie bezog sich auch auf Ablasskritik und unwürdige Priester.
"Es geht um die Frage, ob Priester, auch wenn sie unwürdig sind, in Sünde leben, gültige Sakramente spenden können. Es geht hier überhaupt um die Frage des kirchlichen Besitzes und das Verhältnis der Kirche zum Geld.
Hus hatte eine Kirchenvorstellung, nach meinem Verständnis, die doch wesentliche Änderungen mit sich gebracht hätte, also im Grunde genommen die Amtskirche weitgehend verschwunden wäre und eine mehr spirituelle Geistkirche entstanden wäre. Es ging letztlich um die Struktur der Kirche."
Hus weigerte sich, seine Thesen zu widerrufen
Jan Hus fordert die Gleichheit der Kleriker, ohne Hierarchie, setzt sich für Gewissensfreiheit ein und für die Kommunion in beiderlei Gestalt, Brot und Wein.
"Die Kommunion in beiden Gestalten, Brot und Wein, also Leib und Blut Christi in gewandelter Form zu sich zu nehmen, war nur den Priestern erlaubt, nicht dem Volk."
Am Schluss bleiben Jan Hus wenige Verbündete in seiner umfassenden Kritik des Papstes und der Kirche. Selbst König Sigismund, der ihm freies Geleit nach Konstanz zugesichert hatte, änderte seine Meinung, da die causa unionis, die Einheit der Kirche, ihm zum wichtigsten Ziel des Konzils wurde. Schließlich wollte er Kaiser werden, und dazu brauchte er einen Papst, der ihn krönte. Zunächst wurde der römische Kardinal Odo Colonna 1417 tatsächlich zum neuen Papst Martin V. gewählt, nachdem seine drei Vorgänger auf dieses Amt verzichtet hatten.
"König Sigismund war König von Ungarn und deutscher König und wollte natürlich auch die böhmische Krone haben, die sein Bruder Wenzel noch innehatte. Er hatte deshalb ein großes Interesse, dass das Hus-Problem in irgendeiner Weise gelöst wurde, dass er dann mal freie Hand in Böhmen bekommen würde."
Jan Hus weigerte sich, seine Thesen zu widerrufen. Auf dem Weg zum Scheiterhaufen rief er, dass er nur eine Gans sei, aus der noch ein schöner Schwan entstehen würde. 100 Jahre später übertrug sich diese Vorahnung auf den Wittenberger Reformator Martin Luther, der sich wie Hus auch für Glaubens- und Gewissensfreiheit einsetzte und eine volkstümliche Sprache pflegte.