"Wo gekitet wird, sind keine Vögel mehr"
Verscheucht Kitesurfen die Vögel im Nationalpark Wattenmeer? Darüber streiten Naturschützer und Wassersportler seit Jahren. Eine Studie bescheinigt dem Kitesurfen jetzt, ein naturfreundlicher Sport zu sein. Umweltschützer zweifeln die Ergebnisse an.
"Weil, es hatte gar nicht mehr so viel mit Kiten zu tun, das war dann wirklich sehr viel Partytourismus in dem Moment."
Jannek Kiekbusch ist 32 Jahre alt und leitet das Wassersportcenter "XH2O" am Strand von St. Peter-Ording. Der braungebrannte gebürtige Hamburger mit dem Käppi, dem weißen T-Shirt und grauen Shorts hat gerade viel Zeit. Denn an diesem Mittag herrscht Flaute. Erst nächste Woche rechnet er wieder mit Westwind:
"Und dann sieht die Nordsee auch wieder anders aus: 'N bisschen unruhiger und nicht so flach, wie sie jetzt gerade ist."
Auch im übertragenen Sinn scheint sich der Wind etwas beruhigt zu haben. Seit Jahren ist der Kitesurfsport an der schleswig-holsteinischen Westküste umstritten. Naturschützer warnen immer wieder davor, dass die Kitesurfer die Vögel im Wattenmeer stören, aber auch eine Bedrohung für Säugetiere sind – wie zum Beispiel die Schweinswale.
In 22 Gebieten an der Westküste ist das Kitesurfen erlaubt
Und so legte im vergangenen September die frisch gebildete Jamaika-Landesregierung in Kiel eine neue Regelung vor für die Kiter. Die zeige, dass touristische Attraktivität und ökologische Verantwortung auch in einem so sensiblen Naturraum wie dem Nationalpark Wattenmeer vereinbar seien, beteuerten der grüne Umweltminister Robert Habeck und FDP-Wirtschaftsminister Bernd Buchholz.
In insgesamt 22 Gebieten entlang der Westküste ist das Kitesurfen damit erlaubt. Darunter sind auch mehrere Spots rund um St. Peter-Ording.
Mit der Regelung, seinen Sport nur in bestimmten Bereichen zu erlauben, ist Jannek Kiekbusch zufrieden. In St. Peter-Ording laufe der Austausch zwischen Kitesportlern, Gemeindevertretern und Naturschützern schon länger gut:
"Die Kitesurfer, gerade jetzt hier im Norden kann ich es jetzt nur sagen, halten sich an die Regeln, halten sich an die Zonen. Und wenn da irgendwelche Leute Mist bauen, werden die natürlich auch gleich sofort angesprochen."
Lutz Kretschmer, stellvertretender Landesvorsitzender der Naturschutzorganisation NABU, beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema Kitesurfern. Sein Fazit: Eigentlich müsste im Nationalpark Wattenmeer jegliche Nutzung durch den Menschen unterbunden werden. Doch Kretschmer weiß, dass das nicht realistisch ist. Als Erfolg sieht er deswegen, wenn es gelingt, bestimmte Zonen in der Nordsee zu schützen. Zum Beispiel beim Muschelfischen. Hier sei eine Einigung mit den Fischern gefunden worden, die nun bestimmte Gebiete bei ihrem Muschelfang schonen. "Wo sie wirklich den Nationalpark Nationalpark und Natur Natur sein lassen…"
Die Vögel haben große Rastplätze auf dem Wasser
Doch mit der Einigung, die mit den Kitesurfern erreicht wurde, kann sich Naturschützer Kretschmer noch nicht so richtig anfreunden. Denn es bleibe der Effekt der sogenannten Scheuchwirkung, den Kitesurfer mit ihrem Sport verursachten:
"An der Stelle, wo gekitet wird, sind keine Vögel mehr. Und das ist unser Problem: Wir haben eben große Rastplätze auf dem Wasser. Und das sagen bestimmte Studien, aus Niedersachsen sieht man das, auch die Wirkung, dass die Vögel weg sind und aufgescheucht werden."
Nach der neu getroffenen Kite-Surf-Regelung hat die schleswig-holsteinische Landesregierung gemeinsam mit den Wattenmeer-Anrainern Niedersachsen und Hamburg – auch der Stadtstadt besitzt ein paar Quadratkilometer Nationalpark-Anteil – einen Antrag an das zuständige Bundesverkehrsministerium gestellt. Die sogenannte Befahrensverordnung für die Nordsee soll geändert werden, um damit den Schutz von Meeressäugern und Vögeln zu garantieren.
Dass damit auch vor St. Peter-Ording und Sylt drei Kilometer zur Wasserseite für die Kitesurfer freigegeben würden, ärgert Naturschützer Kretschmer.
Jannes Ahlers ist erster Vorsitzender des Boardsportvereins, der versucht, die Interessen von Kite- und Windsurfern in St. Peter-Ording und bundesweit zu vertreten. Dass Wassersport in bestimmten Schutzzonen tabu ist, sei ja klar, sagt der 28-Jährige, der im Hauptberuf Sonderpädagoge ist. Kitesurfen sei ein naturfreundlicher Sport. Wer ihn im Wattenmeer ausübe, haben denselben Einfluss auf Vögel wie etwa Spaziergänger – ob mit und oder Hund – oder aber auch Reiter und Kajakfahrer. Zu diesem Ergebnis sei eine Studie gekommen, die der Verein in Auftrag gegeben habe. Vom NABU wurden die Ergebnisse jedoch angezweifelt.