Klage wegen Biblis

    RWE kann auf Millionen hoffen

    Mitglieder des Beladeteams beobachten am 12.12.2015 auf dem Gelände des Atomkraftwerks Biblis (Hessen) das Absenken eines beladenen Castor-Behälters mit Hilfe des Krans am Hubgerüst von Block A. Als Vorbereitung für den geplanten Rückbau sind am stillgelegten Atomkraftwerk Biblis die ersten Brennelemente aus dem Block A ins benachbarte Standort-Zwischenlager gebracht worden.
    Verladung eines Castor-Behälters auf dem Gelände des stillgelegten Atomkraftwerks Bilblis © dpa / RWE Power AG
    17.12.2015
    Nach der Atomkatastrophe von Fukushima hatten Bund und Länder die sieben ältesten Atomkraftwerke kurzfristig vom Netz genommen. Nun drohen die Energiekonzerne mit milliardenschweren Schadenersatzforderungen. Den Anfang machte am Donnerstag RWE - der Jurist Rainer Geulen gibt der Klage gute Chancen.
    Fünf Jahre nach der Atom-Katastrophe von Fukushima müssen Bund und Länder mit einer Welle milliardenschwerer Schadenersatzklagen rechnen. Den Anfang macht der Energiekonzern RWE, der allein für die erste dreimonatige Stilllegung der beiden Kraftswerksblöcke im hessischen Biblis 235 Millionen Euro verlangt.
    Knapp zwei Jahre später hatte der hessische Verwaltungsgerichtshof die befristeten Betriebsverbote für Biblis Anfang 2013 für rechtswidrig erklärt - unter anderem, weil RWE vor der Entscheidung nicht ordnungsgemäß angehört worden sei. Die Entscheidung wurde vom Bundesverwaltungsgericht bestätigt.
    Landgericht Essen will auch die Frage der Haftung klären
    Wie Deutschlandradio-Korrespondent Moritz Küpper berichtet (MP3), könnten die beiden Verwaltungsgerichtsentscheidungen auch für das Schadenersatzverfahren große Bedeutung haben. Das habe das Landgericht Essen bereits bei der ersten Anhörung am Donnerstag erkennen lassen. Allerdings gebe es noch viele offene Fragen, so zum Beispiel die Haftungsfrage:
    "Das ist ein Punkt, über den das Gericht hier auch entscheiden könnte: Wer haftet denn letztendlich? Das Land, der Bund oder vielleicht sogar beide zusammen?"
    Das Land Hessen habe jedenfalls ausführlich dargelegt, dass es vom Bund "eine Art Weisung" bekommen habe, Biblis abschalten zu lassen. Der Bund dagegen spricht von einer Bitte. Klärung erhofft man sich auch zu zwei weiteren Fragen: zur Höhe Schadenersatzforderungen und zur Frage, ob die Stilllegung überhaupt gerechtfertigt war.
    Seebeben und Tsunami hätten in Deutschland nicht gedroht
    So hat RWE starke Zweifel daran, ob das Argument der Gefahrenabwehr schlüssig gewesen ist - denn die Gründe für die Atomkatastrophe in Japan, ein Seebeben und ein sich anschließender Tsunami, lassen sich kaum auf Deutschland übertragen. Andererseits will das Landgericht Essen klären, welcher Schaden tatsächlich entstanden ist, denn: Die Stilllegung von Biblis könnte an anderer Stelle auch zu Mehreinnahmen für RWE geführt haben.
    Genauso argumentieren der Bund und das Land Hessen: So sei Block B damals wegen einer Revision ohnehin abgeschaltet gewesen. Außerdem habe RWE während des Moratoriums mehr Strom in anderen Kraftwerken produziert - während der Strompreis gleichzeitig gestiegen sei.
    Verwaltungsrechtsexperte: "Unverständlicher, unverantwortlicher formaler Fehler"
    Wie Rainer Geulen, Fachanwalt für Verwaltungsrecht, sagt (MP3), stehen die Chancen von RWE jedoch gut, seine Schadenersatzsansprüche geltend machen zu können. "Ich glaube, dass RWE einen Anspruch dem Grunde nach erstreiten wird", sagte Geulen am Donnerstag im Deutschlandradio Kultur. Die Frage, ob eher das Land oder zusätzlich auch der Bund zu haften habe, bezeichnete Geulen als zweitrangig. Viel wichtiger sei ein ganz anderer Punkt, denn bei der Abschaltung der Atommeiler nach Fukushima sei ein "ganz unverständlicher und unverantwortlicher formaler Fehler" gemacht worden:
    "Das Land Hessen, das ja dafür zuständig ist, die Umweltministerin, hat der RWE diese Stilllegung sofort auferlegt und hat sie vorher nicht angehört. Das ist ein elementarer rechtsstaatlicher Grundsatz, dass man einen Betroffenen, der eine Genehmigung hat, wenn man diese entzieht, anhören muss."
    Auch in dringenden Fällen seien einem Unternehmen wie RWE mindestens 24 Stunden einzuräumen, um zu dem Vorgang Stellung zu nehmen. "Dass nicht einmal diese 24 Stunden abgewartet wurden - als ob es nun darauf ankommt, bei einem Reaktor, der seit 30 Jahren läuft, ob er nun einen Tag früher oder später vom Netz geht, das ist derart juristisch unverantwortlich, dass die Verwaltungsgerichtsbarkeit, übrigens auch das Bundesverwaltungsgericht, überhaupt kein Verständnis dafür hatten", sagt Geulen.
    Klagen weiterer Energiekonzerne sind schon anhängig
    Klagen weiterer Energiekonzerne sind bereits anhängig: So klagen Eon und EnBW vor den Landgerichten Hannover und Bonn wegen des Moratoriums für die Kraftwerksblöcke Isar I, Unterweser, Neckarwestheim 1 und Philippsburg 1. Die mündliche Verhandlung zu diesen Klagen soll im Frühjahr 2016 stattfinden, dabei geht es dann um insgesamt um rund 650 Millionen Euro Schadenersatz.
    Nach der Atom-Katastrophe von Fukushima im März 2011 hatten Bund und Länder kurzfristig die sieben ältesten Atomkraftwerke für drei Monate vom Netz genommen, darunter auch das Kraftwerk Biblis in Hessen. Wenig später propagierte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den endgültigen Atomausstieg bis 2022 - als wichtigen Bestandteil der Energiewende.
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