Musik für die Welt
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Die neue Dauerausstellung im Jüdischen Museum Berlin widmet sich auch der Musik. Im Themenraum "Klang" kann man in Kojen Lieder aus der Synagoge oder auch Unterhaltungsmusik hören. Dabei wird klar: Jüdische Musik passt in keine Schublade.
Wie klingt Judentum?
So!
Und natürlich so.
Auf jeden Fall klingt so Judentum, oder besser: klingen so "Judentümer" in der neuen Dauerausstellung des Jüdischen Museums in Berlin. "Judentümer", so sagt es David Studniberg, wissenschaftlicher Mitarbeiter im Museum, zuständig für die neuen Klangräume.
"Was wir versuchen zu zeigen ist, dass jüdische Musik - genauso wie Judentum oder die Judentümer - unglaublich vielfältig ist. Dass es sehr viele Einflüsse gibt aus Jahreszeiten, Epochen und aus den Ländern, aus denen die Musik kommt."
Lieder für den Shabbat, den Alltag, die Feiertage
Wir sitzen in einer der beiden runden Klangkojen. Die orangene Farbe und der Kettenvorhang passen besser zu einem Nachtclub als zum Thema dieses "Klangraums".
"Hier sind wir in der Koje zu religiöser Musik aus der Synagoge", erklärt David Studniberg. "Und hier können wir auswählen, was wir anhören wollen, Lieder für den Shabbat, für den Alltag, für die Feiertage."
Mit einem Fingerklick auf dem festinstallierten Tablet. Das "Schema Jisrael" - Gebet und Bekenntnis zu dem einen Gott - findet sich darunter, vertont vom bekanntesten deutschen Komponisten jüdischer Sakralmusik Louis Lewandowski, gesungen vom Tenor Joseph Schmidt 1929.
Schmidt wird später auch in der zweiten Klangkoje zu hören sein. Hier steht er neben einem sephardischen Sabbatlied und "Hawa Narima", einem Chanukka-Lied nach der Melodie von Händels "Tochter Zion, freue Dich".
Gute Laune-Musik für die jüdische Community
Wie klingen die Judentümer? Bei aller musikalischer Vielfalt: Die hebräische Sprache und der Bezug zur Religion macht die Antwort einfach. In Klangkoje Nummer zwei wird die Antwort schwieriger. "Ein Lied geht um die Welt - Unterhaltungsmusik" lautet hier die Überschrift auf dem Tablet.
Tippt man auf den titelgebenden Track, erklingt der Tenor vom selben Joseph Schmidt, der schon in der ersten Klangstation zu hören war. Der weltberühmte jüdische Sänger floh 1933 aus Nazi-Deutschland. Und spätestens hier werden die Definitionen zu Bindestrich-Adjektiven: "jüdisch-deutsch" oder "jüdisch-persisch" wie in dem alten Volkslied ""Azizam" gesungen von der israelisch-jüdischen Sängerin Hadar Moaz in Farsi, der Sprache ihrer persischen Familie.
"Uns war wichtig, dass sich auch die jüdische Community vertreten fühlt mit der Musik, die hier gespielt wird", sagt David Studniberg. Dieses Kriterium erfüllt die Auswahl israelischer Popmusik auf alle Fälle, wie der israelische Gewinnersong des Eurovision Song Contest 2018 von Netta Barzilai. Wenn die Beats einsetzen vibriert die Sitzbank. Gute-Laune-Musik - nachzuspüren auch für gehörlose Besucher.
"Wenn man nach der Definition von jüdischer Musik fragt, muss man erstmal fragen: Was ist denn überhaupt jüdisch?", gibt Studniberg zu bedenken. "So wie man diese Frage nicht mit einer Antwort beantworten kann, kann man das auch nicht bei jüdischer Musik."
Jüdische Musik ist Weltmusik
Am Ende der Dauerausstellung antworten Jüdinnen und Juden auf lebensgroßen Videoleinwänden auf Fragen zu Identität, Wunschträumen, Alltag.
"Das ist das Problem, das Juden in der Diaspora haben. Ich kann nicht sagen, ich bin zuerst Jude oder Perser."
"Ich liebe es jüdisch zu sein, aber es ist anstrengend."
"Oh, mein Gott, schwule Männer in Deutschland haben eine Obsession mit Israel und Israelis."
Der Mann mit modischem Bart, die junge Frau, Rentner, Kinder, ein orthodoxer Rabbiner, der Präsident eines jüdischen Karnevalsvereins. Die eine Antwort gibt es nicht.
Gibt es das eine Lied? Am Ende des Videoloops stimmt einer das Pessach-Lied "Ma Nishtana" an. "Was unterscheidet diese Nacht von allen anderen Nächten?" Ein paar stimmen mit ein. Andere bleiben stumm.
Was unterscheidet jüdische Musik von allen anderen Musiken? Jüdische Musik war und ist Teil der deutschen Hochromantik wie der Kabarettkultur der Berliner 1920er Jahre, Teil persischer und arabischer Kultur und des Pop-Mainstreams. Sie ist überall zu Hause.