Klangwechsel in Halberstadt
Im September 2001 begann in der St. Burchardi-Kirche in Halberstadt das längste Konzert der Welt - 639 Jahre wird das Orgelstück des amerikanischen Komponisten John Cage dauern. Im Halbjahrestakt wird die Klangfolge verändert.
Behutsam ziehen Sachiko Kawakatsu und Jan Meßtorff die kleinste und die größte der sechs Orgelpfeifen aus ihrer Halterung. Den beiden Kompositionsstudierenden von der Hochschule für Künste in Bremen sieht man ihre Nervosität an. Immer wieder werfen sie sich Blicke zu, bis schließlich die beiden silbernfarbenen Pfeifen sicher in ihren Händen liegen. Der Besucher nimmt zuerst nur ein Windgeräusch wahr, dann verebben langsam das zweigestrichene Gis und das eingestrichene D. Aus der provisorischen Orgel erklingen nur noch vier Töne: ein C, ein Fis, ein As und ein A. Aber auch der neue Klang bleibt dissonant.
Sechs elektrisch betriebene riesige Blasebälge sorgen stetig für den Wind, um die Orgel in Gang zu halten. Sandsäckchen hängen an den klobigen Holztasten. Sie ziehen die Pedale nach unten, sodass die Töne auch dauerhaft zu hören sind. Organist Michael Jahnke aus Raststatt findet nicht nur das provisorische Orgelkonstrukt faszinierend:
"Das Projekt begeistert mich halt insofern, weil es der ganzen Beschleunigungshysterie, die man erlebt, völlig zuwiderläuft. Das Orgelstück an sich kann man so ja nicht erleben."
Über 100 Gäste aus ganz Deutschland, Japan und den USA sind diesmal nach Halberstadt gereist, um den zehnten Klangwechsel mitzuerleben. Die gebürtige Hamburgerin Maria Verena von Stumpfeld war bislang immer dabei:
"Wir sind von Anfang an dabei und wir finden das Projekt faszinierend. Dass es überdauert, man hat Kirchen für die Ewigkeit gebaut und man kann auch Musik für die Ewigkeit erfinden. Und das finde ich so genial. Ich denke, die Dauer ist in heutiger Zeit besonders gut, weil die Zeit so schnelllebig ist. Und man vergisst von einer Generation zur anderen, was sie erlebt haben. Unser langes Leben mit Höhen und Tiefen findet hier eine gewisse Beständigkeit."
Nicht jeden aber beglückt grundsätzlich dieser blecherne Klang. Nachbarn beschwerten sich, sie könnten nachts nicht mehr ruhig schlafen. Darum ist normalerweise eine Plastikhaube über die provisorische Orgel gestülpt. Die Haube dient als Lärmschutz und wird nur zu besonderen Anlässen wie diesem entfernt. In der Partitur der Komposition von John Cages Orgelstück "As slow as possible", also das Stück so langsam wie möglich zu spielen, kommt an keiner einzigen Stelle ein klassischer Dreiklang vor. Wie viele Klangwechsel noch stattfinden werden, ist unklar. Der letzte Ton aber soll am 5. September im Jahr 2640 erklingen. Das zumindest hoffen die Menschen, die die Idee zu dem längsten Orgelstück der Welt hatten.
Vor 16 Jahren diskutierten Organisten, Philosophen, Orgelbauer und Musikwissenschaftler die Frage, wie "As slow as possible" überhaupt zu begreifen sei. Wie langsam ist langsam? Wann endet ein Stück? Mit dem Tod des Organisten? Schließlich kam man auf die Idee, das Stück 639 Jahre lang zu spielen – und das in Halberstadt. Aus gutem Grund, erklärt Rainer Neugebauer. Er sitzt mit im Kuratorium der John-Cage-Orgel-Stiftung:
"Die 639 Jahre sind gespiegelt um das Jahr 2000. Und zwar 1361 gab es hier eine ganz berühmte Orgel in Halberstadt, die Musikgeschichte geschrieben hat. Und dieses Datum haben wir genommen und mit dem Jahr 2000 gespiegelt, von 1362 bis 2000 sind 639 Jahre. Da haben wir gesagt, gut, dass nehmen wir als Aufführungsdauer und wir haben dann nicht im Jahr 2000, aber im Jahr 2001 damit angefangen."
In einem halben Jahr gibt es in Halberstadt schon wieder den nächsten Klangwechseln zu hören. Zum ersten Mal erklingen dann zwei Basspfeifen. Die Orgelpfeifen sind allerdings 1,60 Meter groß und passen nicht in den provisorischen Orgelbau aus Holz. Orgelbauer zerbrechen sich darum derzeit den Kopf darüber, wie sie diese Pfeifen in der Kirche aufstellen werden. Sicherlich werden auch dann wieder mehrere hundert Gäste dem neuen Klangwechsel des John-Cage-Orgel-Projektes in Halberstadt lauschen.
Sechs elektrisch betriebene riesige Blasebälge sorgen stetig für den Wind, um die Orgel in Gang zu halten. Sandsäckchen hängen an den klobigen Holztasten. Sie ziehen die Pedale nach unten, sodass die Töne auch dauerhaft zu hören sind. Organist Michael Jahnke aus Raststatt findet nicht nur das provisorische Orgelkonstrukt faszinierend:
"Das Projekt begeistert mich halt insofern, weil es der ganzen Beschleunigungshysterie, die man erlebt, völlig zuwiderläuft. Das Orgelstück an sich kann man so ja nicht erleben."
Über 100 Gäste aus ganz Deutschland, Japan und den USA sind diesmal nach Halberstadt gereist, um den zehnten Klangwechsel mitzuerleben. Die gebürtige Hamburgerin Maria Verena von Stumpfeld war bislang immer dabei:
"Wir sind von Anfang an dabei und wir finden das Projekt faszinierend. Dass es überdauert, man hat Kirchen für die Ewigkeit gebaut und man kann auch Musik für die Ewigkeit erfinden. Und das finde ich so genial. Ich denke, die Dauer ist in heutiger Zeit besonders gut, weil die Zeit so schnelllebig ist. Und man vergisst von einer Generation zur anderen, was sie erlebt haben. Unser langes Leben mit Höhen und Tiefen findet hier eine gewisse Beständigkeit."
Nicht jeden aber beglückt grundsätzlich dieser blecherne Klang. Nachbarn beschwerten sich, sie könnten nachts nicht mehr ruhig schlafen. Darum ist normalerweise eine Plastikhaube über die provisorische Orgel gestülpt. Die Haube dient als Lärmschutz und wird nur zu besonderen Anlässen wie diesem entfernt. In der Partitur der Komposition von John Cages Orgelstück "As slow as possible", also das Stück so langsam wie möglich zu spielen, kommt an keiner einzigen Stelle ein klassischer Dreiklang vor. Wie viele Klangwechsel noch stattfinden werden, ist unklar. Der letzte Ton aber soll am 5. September im Jahr 2640 erklingen. Das zumindest hoffen die Menschen, die die Idee zu dem längsten Orgelstück der Welt hatten.
Vor 16 Jahren diskutierten Organisten, Philosophen, Orgelbauer und Musikwissenschaftler die Frage, wie "As slow as possible" überhaupt zu begreifen sei. Wie langsam ist langsam? Wann endet ein Stück? Mit dem Tod des Organisten? Schließlich kam man auf die Idee, das Stück 639 Jahre lang zu spielen – und das in Halberstadt. Aus gutem Grund, erklärt Rainer Neugebauer. Er sitzt mit im Kuratorium der John-Cage-Orgel-Stiftung:
"Die 639 Jahre sind gespiegelt um das Jahr 2000. Und zwar 1361 gab es hier eine ganz berühmte Orgel in Halberstadt, die Musikgeschichte geschrieben hat. Und dieses Datum haben wir genommen und mit dem Jahr 2000 gespiegelt, von 1362 bis 2000 sind 639 Jahre. Da haben wir gesagt, gut, dass nehmen wir als Aufführungsdauer und wir haben dann nicht im Jahr 2000, aber im Jahr 2001 damit angefangen."
In einem halben Jahr gibt es in Halberstadt schon wieder den nächsten Klangwechseln zu hören. Zum ersten Mal erklingen dann zwei Basspfeifen. Die Orgelpfeifen sind allerdings 1,60 Meter groß und passen nicht in den provisorischen Orgelbau aus Holz. Orgelbauer zerbrechen sich darum derzeit den Kopf darüber, wie sie diese Pfeifen in der Kirche aufstellen werden. Sicherlich werden auch dann wieder mehrere hundert Gäste dem neuen Klangwechsel des John-Cage-Orgel-Projektes in Halberstadt lauschen.