Klar, schlicht und verschmitzt
Dies ist nicht einfach nur ein neuer Gedichtband des Altmeisters Hans Magnus Enzensberger: In "Blauwärts" werden Enzensbergers Gedichte mit Bildern und Collagen des Künstlers Jan Peter Tripp zu einer gekonnten Inszenierung zusammengefügt.
Dies ist ganz eindeutig ein neuer Gedichtband von Hans Magnus Enzensberger, des alten Kämpen vom Geburtsjahrgang 1929. Doch er sieht erst einmal nicht danach aus und versteckt es ein bisschen. Nimmt man die Banderole weg, steht auf der Vorderseite des elegant broschierten und mit einem edlen zurückgenommenen Blau versehenen Bandes kein Name, nur der Titel "Blauwärts" und der Untertitel "Ein Ausflug zu dritt".
Erst wenn man ihn aufschlägt, werden die Beteiligten genannt: die Bilder und Collagen, die den einzelnen Gedichten zugeordnet sind, stammen von dem Künstler Jan Peter Tripp, und Justine Landat, die Gestalterin, hat das Konzept dieser Zuordnungen und die grafische Umsetzung erstellt – von ihr kommt, wie es vor ihrem gleichberechtigt neben den anderen stehenden Autorennamen heißt, die "Inszenierung".
Der Charakter eines traditionellen Gedichtbandes ist tatsächlich aufgehoben durch die ästhetischen Zutaten der beiden anderen. Die Bilder sind keineswegs Illustrationen der Gedichte, sondern völlig unabhängig von ihnen entstanden, und erst nachträglich wurden Zusammenhänge hergestellt. Es gibt ganz augenfällige wie das Gedicht über W.G. Sebald und das Bild von ihm.
Es gibt motivische Gleichklänge wie ein altes Gruppenfoto oder Schneefall. Und es gibt auch augenzwinkernde Bezüge, die nur für die Eingeweihten erkenntlich sind – dem längeren Text "Ortstermin in Niederbayern", der die Widersprüche der Globalisierung, die Provinzialität und die ihr innewohnenden politischen Dimensionen salopp und bänkelsängerhaft aufspießt, sind etwa gleich drei Bilder zugeordnet, und eines davon zeigt den legendären linken Stuttgarter Buchhändler Wendelin Niedlich, der auf seine Weise derlei Ortstermine ausfocht.
Jan Peter Tripp hat in seinem bildnerischen Zugriff gewisse Ähnlichkeiten mit Enzensbergers Umgang mit Worten: Klarheit, Schlichtheit, collagenhafte Verschmitztheit. Justine Landat hat aber durchaus des öfteren auch die Gedichte selbst kommentierend gesetzt, eines ist im Hoch-, ein anderes im Querformat zu lesen, manchmal springen die Zeilen lustig durcheinander, und eines, "Die Dienerin" ist sogar so gedruckt, dass sich die Zeilen sternförmig im Uhrzeigersinn drehen, bis zur letzten Zeile "bis alles wieder von vorn beginnt".
Das ist manchmal vielleicht doch ein bisschen zu viel an grafischer Selbstverwirklichung, aber letztlich bleibt das Geschmackssache – geschmackvoll wirkt der Band auf jeden Fall.
Und Enzensbergers Gedichte? Es handelt sich auf jeden Fall um den alten Enzensberger – in des Wortes doppelter Bedeutung. Meist leicht hingetupfte Beobachtungen, gekonnt arrangierte Einfälle, mit einem Gestus der Distanz und der Souveränität, Flüchtigkeiten und Augenblicksskizzen. Er spielt auch sehr schön und melancholisch mit den Attributen der Altersweisheit: das Titelgedicht "Blauwärts", das letzte des Bandes, kündet davon am suggestivsten.
Besprochen von Helmut Böttiger
Erst wenn man ihn aufschlägt, werden die Beteiligten genannt: die Bilder und Collagen, die den einzelnen Gedichten zugeordnet sind, stammen von dem Künstler Jan Peter Tripp, und Justine Landat, die Gestalterin, hat das Konzept dieser Zuordnungen und die grafische Umsetzung erstellt – von ihr kommt, wie es vor ihrem gleichberechtigt neben den anderen stehenden Autorennamen heißt, die "Inszenierung".
Der Charakter eines traditionellen Gedichtbandes ist tatsächlich aufgehoben durch die ästhetischen Zutaten der beiden anderen. Die Bilder sind keineswegs Illustrationen der Gedichte, sondern völlig unabhängig von ihnen entstanden, und erst nachträglich wurden Zusammenhänge hergestellt. Es gibt ganz augenfällige wie das Gedicht über W.G. Sebald und das Bild von ihm.
Es gibt motivische Gleichklänge wie ein altes Gruppenfoto oder Schneefall. Und es gibt auch augenzwinkernde Bezüge, die nur für die Eingeweihten erkenntlich sind – dem längeren Text "Ortstermin in Niederbayern", der die Widersprüche der Globalisierung, die Provinzialität und die ihr innewohnenden politischen Dimensionen salopp und bänkelsängerhaft aufspießt, sind etwa gleich drei Bilder zugeordnet, und eines davon zeigt den legendären linken Stuttgarter Buchhändler Wendelin Niedlich, der auf seine Weise derlei Ortstermine ausfocht.
Jan Peter Tripp hat in seinem bildnerischen Zugriff gewisse Ähnlichkeiten mit Enzensbergers Umgang mit Worten: Klarheit, Schlichtheit, collagenhafte Verschmitztheit. Justine Landat hat aber durchaus des öfteren auch die Gedichte selbst kommentierend gesetzt, eines ist im Hoch-, ein anderes im Querformat zu lesen, manchmal springen die Zeilen lustig durcheinander, und eines, "Die Dienerin" ist sogar so gedruckt, dass sich die Zeilen sternförmig im Uhrzeigersinn drehen, bis zur letzten Zeile "bis alles wieder von vorn beginnt".
Das ist manchmal vielleicht doch ein bisschen zu viel an grafischer Selbstverwirklichung, aber letztlich bleibt das Geschmackssache – geschmackvoll wirkt der Band auf jeden Fall.
Und Enzensbergers Gedichte? Es handelt sich auf jeden Fall um den alten Enzensberger – in des Wortes doppelter Bedeutung. Meist leicht hingetupfte Beobachtungen, gekonnt arrangierte Einfälle, mit einem Gestus der Distanz und der Souveränität, Flüchtigkeiten und Augenblicksskizzen. Er spielt auch sehr schön und melancholisch mit den Attributen der Altersweisheit: das Titelgedicht "Blauwärts", das letzte des Bandes, kündet davon am suggestivsten.
Besprochen von Helmut Böttiger
Hans Magnus Enzensberger/Jan Peter Tripp/Justine Landat: Blauwärts. Ein Ausflug zu dritt.
Suhrkamp Verlag, Berlin
136 Seiten, 32 Euro
Suhrkamp Verlag, Berlin
136 Seiten, 32 Euro