Musik vom gelehrten Schwulst befreien
Heinz Holliger ist als Musiker eine Ausnahmeerscheinung. Er ist ein fabelhafter Oboist und tritt auch als Dirigent und Komponist in Erscheinung. Auf seiner neuen Einspielung widmet er sich Claude Debussy. Zur Seite steht ihm in bewährter Weise das SWR Radiosinfonieorchester.
Holliger gilt nicht umsonst als feinsinniger Musiker, der mit analytischem Ansatz vorgeht. Er tastet sich förmlich in den Klangkosmos des Impressionisten Debussy und widerlegt ein verbreitetes Klischee: Impressionismus sei gleichzusetzen mit atmosphärischer Gefühlsduselei. Im Gegenteil: anhand dieser Einspielung wird etwas deutlich, was Debussy für seine Musik reklamierte, als er seine literarische Figur Monsieur Croche ins Feld schickte, um dem Dilettantismus und dem Traditionalismus zu Leibe zu rücken. Nämlich, dass er abseits des mechanischen Regelwerkes zu neuen Ufern aufbrechen wollte.
Das ging soweit, dass er jegliche Form der stilistischen Wiederholung scheute – er hatte Angst, sich im bereits Gehabten zu verheddern. Vielleicht ist das sogar ein Grund dafür, dass nur das Prélude zum Nachmittag eines Faun vollendet wurde, die beiden anderen Sätze aber über die Idee nie hinauskamen.
Dieses Prinzip des Ausweichens und Neuerfindens ist auf der CD Programm. Die relativ gegenständlichen komponierten Images werden gefolgt vom Nachmittag eines Faun. Das Spiel mit Konturen, Farben, Schichten – Inbegriff des musikalischen Impressionismus. Hinzu kommen die Rhapsodie für Orchester und Klarinette, Debussys Examensstück, ein Geniestreich weniger Wochen und dagegen die eher behäbige Rhapsodie für Orchester und Saxophon, die Fragment blieb.
Holliger und dem Orchester gelingt es, diese unterschiedlichen Klangwelten unter einen Hut zu bringen. Was dieser Einspielung an Eleganz und Schwung an manchen Stellen abgeht, macht sie durch Sachlichkeit und Genauigkeit wett.
Label: faszination musik