Klaus Bringmann: "Das Volk regiert sich selbst"

Die alten Eliten hielten nichts von Demokratie

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Im Vordergrund das Cover von Klaus Bringmanns "Das Volk regiert sich selbst", im Hintergrund ein Blick durch die Glaskuppel in den Plenarsaal des Bundestages.
Klaus Bringmann legt mit "Das Volk regiert sich selbst" eine in weiten Teilen überzeugende Geschichte der Demokratie vor, urteilt unsere Rezensentin. © Unsplash/ Claudio Schwarz Purzlbaum/ Wbg Theiss
Von Sieglinde Geisel |
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Der Althistoriker Klaus Bringmann legt mit "Das Volk regiert sich selbst" eine notwendige Geschichte der Demokratie vor. Er beschreibt, wie langsam sich diese Staatsform entwickelte. Bei Kommentaren zu aktuellen Problemen zeigt er sich weniger stark.
Die Demokratie gehört zu den Dingen, die zumindest im Westen selbstverständlich schienen und nun auf einmal in Frage stehen. Deshalb ist eine Geschichte der Demokratie, wie der Althistoriker Klaus Bringmann sie mit "Das Volk regiert sich selbst" vorlegt, dringend nötig.
Im ersten Teil geht es dabei um die Entstehung der Demokratie im alten Athen, im zweiten um die Entwicklung der modernen Demokratien in Europa und Amerika.
Von einer modernen Demokratie war das alte Athen weit entfernt: Die große Mehrheit der Bevölkerung hatte kein Wahlrecht (Frauen, Sklaven, Fremde), es gab weder Gewaltenteilung, Menschenrechte noch Rechtsstaat. Klaus Bringmann gibt einen anschaulichen Einblick in das komplexe Gemeinwesen, mit dem das Experiment der direkten Demokratie in Athen realisiert wurde.
Allerdings hatte die Demokratie bei ihren Erfindern keineswegs den guten Ruf, den sie heute hat. Die alten Eliten hielten nichts von einer Regierungsform, die den Ungebildeten und Besitzlosen gleiche Rechte zugestand.
Von Sokrates über Platon bis zu Aristoteles meldeten sie Bedenken an: Befürchtet wurden etwa Parteienzwist und die Gefahr, dass ein rhetorisch versierter Demagoge das Volk manipulieren könnte. Bringmann zitiert ausgiebig aus den Quellen − manches liest sich wie ein Kommentar zu den heutigen Verwerfungen.

Parteien und unabhängige Justiz entstanden langsam

Auch in der Neuzeit wurde die Demokratie ihren schlechten Ruf lange nicht los. Jean-Jacques Rousseau war der einzige Verfechter der direkten Demokratie. Kant war dieser Staatsform gegenüber skeptisch, ebenso Montesquieu, der erstmals die Gewaltenteilung und die Form der repräsentativen Demokratie propagierte.
In jedem Land fand die Demokratie andere Voraussetzungen für den Übergang der Macht der privilegierten Stände an das breite Volk, erst allmählich wurde das Zensuswahlrecht, das nur den wohlhabenden Bürgern eines Landes das Wahlrecht zuerkannte, abgeschafft. Und nur langsam wurden die Institutionen geschaffen, ohne die ein moderner Rechtsstaat nicht denkbar ist: politische Parteien, ein professionelles Beamtentum, eine verbindliche Rechtsprechung.
Klaus Bringmann zeichnet detailliert und anschaulich nach, wie unterschiedlich sich die parlamentarischen Demokratien in Europa und den Vereinigten Staaten entwickelten. Unverständlich allerdings ist, dass er ausgerechnet die Schweiz nur am Rand erwähnt, die einzige direkte Demokratie und als solche ein erstaunlich leistungsfähiges Modell.

Eigene Schlussfolgerungen bleiben blass

Die Gegenwart gehört nicht zum Fachgebiet eines Althistorikers. Eine Antwort auf die aktuelle Krise der Demokratie hat auch Bringmann nicht, stattdessen referiert er drei aktuelle Neuerscheinungen. Seine eigenen Schlussfolgerungen bleiben blass, stellenweise mit Entgleisungen, wenn er beispielsweise den maroden Zustand der Bundeswehr auf die Kosten des Sozialstaats und die Ausgaben "für das Millionenheer der Asylbewerber, Flüchtlinge und Armutszuwanderer" zurückführt.
Dies tut jedoch seiner historischen Darstellung keinen Abbruch. Die Geschichte der Demokratie ist für das Verständnis der gegenwärtigen Debatten unverzichtbar. Nach der Lektüre hat man ein geschärftes Bewusstsein dafür, was auf dem Spiel steht.

Klaus Bringmann: Das Volk regiert sich selbst. Eine Geschichte der Demokratie
Theiss Verlag, Stuttgart 2019
336 Seiten, 25 Euro

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