Klavier mit Teetisch

Von Tobias Barth |
Das Museum für Musikinstrumente im Leipziger Grassi-Museum bietet einen neuen Rundgang zur bürgerlichen Musiktradition des 18. und 19. Jahrhunderts an. Darunter sind so kuriose Stücke wie ein Klavier mit integriertem Teetisch und ein Tasteninstrument mit Fächern für Näh- und Schminkzeug.
Eszter Fontana: " Wir stehen hier vor einem wunderbaren Instrument. Es ist auffallend, es ist rot, und die Dekoration ist Chinoiserie. "

Voller Stolz zeigt Eszter Fontana auf eines der Prunkstücke ihrer Sammlung. Sie ist die Direktorin des Musikinstrumentenmuseums im Leipziger Grassi, und in dessen Besitz ist auch dieser ganz besondere Hammerflügel, verziert mit Malereien, die chinesische Motive zeigen.

Fontana: " Das ist die Mode, das ist die Zeit des beginnenden 18. Jahrhunderts, als das Porzellan erfunden wurde. Dieses besondere Instrument, das älteste, komplett erhaltene Klavier der Welt ist eben so mit dieser Chinoiserie ausgestattet. "

Gebaut hat es 1726 Bartolomeo Cristofori, der Hofinstrumentenbauer der Medici und Erfinder des Pianofortes. In diesem Raum im Leipziger Grassi stehen fünf weitere Instrumente des italienischen Meisters. Gerade zehn davon gibt es weltweit. Das Museum ist eine Schatzkammer. Rund fünfeinhalbtausend Objekte sind hier vereint.

Fontana: " Die Sammlung hat viele Besonderheiten, für mich ist die Besonderheit auf jeden Fall die Größe. Es ist die größte Sammlung Deutschlands, das hört sich gut an, und es hört sich auch gut an zweitgrößte in Europa. "

Eine Spezialität des Leipziger Museums ist das reiche Erbe der sächsischen Musikbau- und Musiziertradition. Heinrich Schütz und der Frühbarock und natürlich Johann Sebastian Bach. Mehr als 100 Instrumente aus dem Umfeld des Thomaskantors sind im Grassi versammelt.

Das Konzept im Museum: Bild und Objekt geben gemeinsam einen Eindruck von der Lebenswelt der Epochen. Ganz wichtig natürlich: Der Klang. Per Touchscreen können die Besucher Musikstücke auswählen, sortiert nach einzelnen Instrumentenstimmen:

Fontana: " Also wir haben hier ein Bildchen von diesem Kontrafagott, und da gibt es mehrere Stücke, wo das erklingt, und ich habe diese schöne Arie aus der Johannes-Passion, und das spielen wir jetzt an. (…) Und die Aufstellung ist so konzipiert, wie das damals in der Thomaskirche war, also Streicher auf der anderen Seite. Und wir gehen jetzt zu der gegenüberliegenden Seite, dann hören wir die Bläser, dort waren sie nämlich angeordnet. Und in der Mitte war die Orgel. "

Der neue Rundgang widmet sich der bürgerlichen Musiktradition des 18. und 19. Jahrhunderts. Kuriose Stücke sind zu sehen wie etwa ein Klavier mit integriertem Teetisch für den Salon oder Tasteninstrumente für die Hausdame mit Fächern für Näh- und Schminkzeug. Und auch das 20. Jahrhundert ist präsent. Mit Geräten zur Schallaufzeichnung wie Edisons Phonograph oder automatischen Klavieren.
Ein ganz besonderes Schmuckstück: Die Kino-Orgel aus dem Jahr 1931:

Veit Heller: " Diese Orgeln ersetzen sozusagen die kleine Combo bis zum Orchester. Das war eine Rieseninvestition, aber bei einem gut laufenden Kino konnte das innerhalb eines Jahres wieder eingespielt werden. "

Veit Heller ist Musikwissenschaftler am Leipziger Musikinstrumentenmuseum.
Er organisiert auch die Stummfilmabende im hauseigenen Lichtspielsaal natürlich begleitet auf der Kinoorgel.

Heller: " Damit kann man auch sehr schön die Eisenbahn imitieren, die Schienenstöße, das ist die kleine Trommel. "

Was wie ein technisches Wunderwerk aus der Frühzeit der Musikelektronik wirkt, ist eben auch eine Aufgabe der Sammlung: die Rekonstruktion der historischen Aufführungspraxis. Das ist ein Grundsatz des Musikinstrumentenmuseums, das zur Universität gehört und mithin auch eine Forschungsstätte ist.