Ein neues Haus in Blau
Bucharische Juden stammen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken Usbekistan, Tadschikistan und Kirgisien. Die meisten Bucharier emigrierten nach Israel, in die USA, nach Österreich und Deutschland. In Hannover wurde vor Kurzem das bundesweite Zentrum der bucharischen Juden eröffnet.
Mit einem fröhlichen Gottesdienst feiern die bucharischen Juden ihre Treue zur Tora, dem ersten Teil der hebräischen Bibel. Feierlich werden die Torarollen durch die Synagoge getragen. Eine Torarolle ist rund 30.000 Euro wert. Und die junge Gemeinde in Hannover besitzt bereits vier Rollen, wie stolz betont wird.
So wie die Musik und die Liturgie ist auch das Leben der bucharischen Gemeinde orientalisch geprägt. Die bucharischen Juden gehören zu den Mizrachim, zu den orientalischen Juden. Die Wurzeln der bucharischen Juden lassen sich weit zurückverfolgen, sagt die Theologieprofessorin Ursula Rudnick:
"Bucharische Juden kommen nicht allein aus der Stadt Buchara, sondern aus Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan. Historisch gehen die Ursprünge weit zurück, manche führen sich auf die verlorenen Stämme zurück. Es ist gut möglich, dass nach dem babylonischen Exil im 6. Jahrhundert vor der Zeit nicht alle ins Land Israel zurückkehrten, sondern einige in der Region blieben."
Nach dem Babylonischen Exil vor mehr als 2500 Jahren zog eine jüdische Gemeinschaft weiter nach Persien und ließ sich dann in Zentralasien nieder.
Hilfe auf Nordafrika
Bis heute sprechen die bucharischen Juden einen persisch-tadschikischen Dialekt, der mit hebräischen Buchstaben geschrieben wird. Auch nach der Ausbreitung des Islam konnten die asiatischen Juden ihren Glauben weiter ausleben, berichtet Michael Krebs vom bucharischen Zentrum in Hannover:
"Im Orient war die Beziehung zwischen Muslimen und Juden eigentlich in Ordnung. Die Juden waren die Untergebene, die Abgaben zahlen mussten, aber ihre Synagogen konnten sie prächtig machen."
Das änderte sich Ende des 18. Jahrhunderts, als usbekische Nomaden viele Juden zwangen, zum Islam zu konvertieren. Hilfe kam da aus Nordafrika:
"1793 reiste ein marokkanischer Jude nach Usbekistan und er fand die jüdische Bildung zu diesem Zeitpunkt darniederliegend und er brachte das sephardische Erbe dorthin."
Josef ben Moses Mamon al-Maghribi führte bei den bucharischen Juden sephardische Bräuche und Sitten ein, und legte so den Grundstein für das Überleben der jüdischen Gemeinschaft. Schwierig wurde es noch einmal während der sowjetischen Herrschaft, berichtet Ruben Motaif, der aus Kirgisien stammt. Die Bucharier mussten gegenüber den Kommunisten ihren Glauben tarnen:
"Ich habe immer noch Gebetsbuch, wo vorne drauf Lenin geschrieben steht, als kommunistisches Buch, womit mein Großvater damals im Bus gefahren ist, damit keiner erkennt, dass er zum Gebet fährt."
Anders als viele Juden in der ehemaligen Sowjetunion schafften es die strenggläubigen Bucharier, ihren Glauben im Verborgenen zu praktizieren. Heute leben allerdings nur noch einige Hundert Bucharier in Usbekistan. In Israel sind es weit über 100.000, in den USA und Kanada einige Zehntausend. In Europa liegen die größeren Zentren in Wien und Hannover.
Die Gemeinde feiert offen die orientalisch geprägte Liturgie
Ursula Rudnick: "Seit mehr als hundert Jahren ist es der bucharischen Gemeinschaft gelungen, in der Diaspora ihre Identität zu pflegen. Da das in Israel, den USA und Kanada seit vielen Jahrzehnten gelungen ist, warum sollte es dann nicht auch in Hannover gelingen."
Was in der ehemaligen Sowjetunion nicht möglich war, ist heute kein Problem mehr: die orientalisch geprägte Liturgie offen zu feiern.
Michael Krebs: "Bei den Bucharis ist es so, dass sie eine alte Tradition mitbringen, die in Europa schon sehr gekürzt ist. Die Aschkenasim haben alles verkürzt, alles rationalisiert, und hier solche Gottesdienste dauern fünf, sechs Stunden."
Besonders stolz ist die bucharische Gemeinde in Hannover auf ihre neue Synagoge – entstanden aus einer ehemaligen evangelischen Kirche. Auffallend ist besonders das Blau der Wände. Michael Krebs, der als Architekt die Synagoge mit gestaltet hat, betont, dass vor allem sehr religiöse orientalische Juden blaue Synagogen gebaut haben:
"Das Blau war immer ein aus dem heutigen Afghanistan importiertes Lapislazuli, man musste viel Geld ausgeben, um die Wände blau einzufärben mit dem teuren Mineral, und deswegen haben wir hier (…) die Räumlichkeiten, die ja mal christliche Räume waren, zu etwas zu machen, was unsere Heiligkeit trägt."
In das neue bucharische Zentrum kommen zu den jüdischen Feiertage Juden aus Frankfurt, Berlin und dem Ruhrgebiet, um hier gemeinsam zu feiern. Auch wenn in ganz Deutschland nur rund 1000 bucharische Juden leben, ist Ruben Motaif überzeugt von der Zukunft seiner Gemeinde. Denn anders als in vielen jüdischen Gemeinden hierzulande kommen vor allem viele Kinder und Jugendliche ins Gemeindezentrum.