"Kleine Kerzen in der Dunkelheit zünden"
Er wurde als palästinensischer Beduinensohn geboren, besitzt die israelische Staatsbürgerschaft und lebt in Heidelberg. Der Schriftsteller Salim Alafenisch plädiert für eine Zweistaatenlösung zwischen Israel und Palästina. Sein Roman "Die Feuerprobe" thematisiert die hochexplosive Stimmung in Nahost.
Matthias Hanselmann: Israel ist gestern 60 Jahre alt geworden. Die Israelis feiern den Tag der Gründung ihres Staates mit Enthusiasmus. Stargast ist der amerikanische Präsident George Bush. Nichts zu feiern gibt es für die Palästinenser. Die, wie es die "Süddeutsche Zeitung" schreibt, sich als Verlierer der Erfolgsgeschichte Israels fühlen. Eine ganz besondere Sicht auf die Geschichte Israels und die arabische Welt hat unser Studiogast. Ich begrüße Salim Alafenisch, Schriftsteller, geboren im Gründungsjahr Israels, und zwar als Sohn eines Beduinenscheichs in der Wüste Negev, die von der Fläche her zirka 60 Prozent des Staates Israel einnimmt. Guten Tag, Herr Alafenisch!
Salim Alafenisch: Guten Tag!
Hanselmann: Sie haben als Kind in der Wüste Negev, das heißt auf Deutsch die Trockene, die Kamele Ihres Vaters gehütet, erst mit 14 Jahren überhaupt Lesen und Schreiben gelernt. Später haben Sie in London und Heidelberg studiert. Dort leben Sie seit 1973. Schön, dass Sie gekommen sind!
Alafenisch: Danke!
Hanselmann: Ich habe in einem biografischen Text über Sie gelesen, Sie seien palästinensischer Beduine mit israelischer Staatsangehörigkeit. Gibt es so was überhaupt?
Alafenisch: Wahrscheinlich, stimmt. Ich bin dort geboren, aufgewachsen. Ich bin israelischer Staatsbürger. Ich bin von der Herkunft Beduine, aber auch Palästinenser und noch dazu ein kurpfälzischer Autor, Kurpfalz auch.
Hanselmann: Ich habe eben gesagt, Sie sind als Sohn eines Wüstenscheichs aufgewachsen, dessen Kamele Sie gehütet haben. Wie haben Sie Ihre Kindheit als junger Beduine erlebt? Wie war die Welt um Sie herum?
Alafenisch: Ich bin ein halbes Jahr jünger als der Staat Israel, im November geboren '48, hab dort die Kindheit verbracht im Zeltlager, zum Teil geschützt, geborgen vor den Geschehnissen, von den Ereignissen, dem Staatenkrieg '48, sozusagen die Wüste, die Kamele haben einen gewissen Schutz, Geborgenheit gegeben. Aber trotzdem, man hört von den Ereignissen, Verwandte sind betroffen. In meinem Land ist Krieg, 67, habe ich auch beigewohnt. Ja, vielleicht deshalb gefragt, wie fühlt man sich. Ich habe das Land verlassen, weil ich das Gefühl hatte, das Land ist für mich zu eng geworden. Nirgendwo konnte man in die Welt reisen. Und habe ich einfach das Land verlassen.
Hanselmann: Sie sagen, einfach das Land verlassen. War es wirklich so einfach für Sie, auch die Familie zu verlassen?
Alafenisch: Das natürlich nicht. Das ist Verlust für die Familie, für den Stamm. Aber man hat sich mit der Zeit auch arrangiert. Ich komme zu Besuch, zwei bis dreimal im Jahr, schreibe meine Bücher über unsere Kulturlebenswelt und irgendwie, mit einem Bein, bin ich doch dort geblieben.
Hanselmann: Für Sie als Schriftsteller sind Grenzen ein wichtiges Thema. In Ihrem erfolgreichen Buch "Das Kamel mit dem Nasenring" beschreiben Sie die Konflikte der Beduinen, die bis zur Staatsgründung Israels frei in der Wüste umherziehen konnten. Dann springt ein hungriges Kamel eines Tages über einen Grenzstein, um jenseits der Grenze ein paar Artischocken zu ernten. Sein Hirte folgt ihm und beide werden festgenommen. Eine Odyssee durch jordanische und israelische Gefängnisse beginnt. Wie geht es denn Ihren Vorfahren, den Beduinen, heute? Wo leben sie, und welche Grenzen müssen sie beachten?
Alafenisch: Natürlich die jordanische Grenze, die ägyptische Grenze ist da. Aber die Mobilität heutzutage ist zum Stillstand gekommen. Denn Viehzucht spielt eine untergeordnete Rolle im Leben der Negev-Beduinen. Inzwischen leben die Leute, zum Beispiel mein Stamm, in einer Stadt mit 45.000 Einwohnern, mit Infrastruktur, modernen Schulen, Stadtverwaltung, kleinem Industriegebiet usw. Die nomadische Lebensweise, was man früher hatte, ist zum Stillstand gekommen.
Hanselmann: Das Nomadentum ist sozusagen weitgehend vorbei, auch gezwungenermaßen?
Alafenisch: Ja, natürlich, wenn der Staat was macht, will auch der Staat selbst was davon haben, diese herrlichen Projekte sesshaft machen, der Nomaden, im Grunde genommen, um das Stammesgebiet zu beschlagnahmen, zu enteignen, von den Nomaden zu reduzieren, billige Arbeitskräfte in solche Schlafdörfer, Schlafstädte. Wenn man sieht die Arbeitslosigkeit in Israel, da steht die Stadt Rahad, Beduinenstadt, an Nummer eins, oben, was Unterbeschäftigung, Arbeitslosigkeit anbetrifft.
Hanselmann: Bis heute gibt es im israelisch-palästinensischen Raum keinen dauerhaften Frieden, keinen palästinensischen Staat. Haben Sie noch Hoffnung auf eine dauerhafte Lösung?
Alafenisch: Man sagt, zuletzt stirbt die Hoffnung. Aber es ist schwierig. Ich denke, Hoffnung in zwei Staaten, Israel neben Palästina, Palästina neben Israel. Denn es geht nichts auf die Dauer. Eine Seite feiert, die andere trauert. Und das bringt weder den Menschen noch dem Land den Frieden näher.
Hanselmann: Zwei Staaten sind für Sie nach wie vor die denkbare Lösung. Wenn jetzt ein Mann wie George Bush ins Land Israel reist und sagt, er möchte das vorantreiben, er möchte sogar vielleicht noch vor Beendigung seiner Amtszeit dort einen Friedensvertrag sehen, halten Sie das für realistisch?
Alafenisch: Halte ich nicht! Die ganze Politik muss man beobachten. Er hat mehr Kriege angezettelt in der Region. Sollen wir ihn jetzt als Friedenstaube wahrnehmen? Dazu gehört eine Portion Naivität, das wirklich zu glauben.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit dem Schriftsteller Salim Alafenisch, geboren vor 60 Jahren als Beduinensohn in der Wüste Negev, in Israel, seit vielen Jahren Wahl-Heidelberger. Herr Alafenisch, auch in Ihrem gerade erschienenen Buch beschäftigen Sie sich mit der hoch explosiven Situation in Nahost. Da geht es um einen Mord, der über 40 Jahre zurückliegt, einen Mord an einem Beduinen aus einem Nachbarstamm Ihrer Sippe. Damals hat man Ihre Sippe für schuldig gehalten oder ihr die Schuld in die Schuhe schieben wollen, besser gesagt. Schließlich wurde auf ein altes Ritual, eine Art Schiedsverfahren, zurückgegriffen, nämlich die Feuerprobe. So heißt auch Ihr Buch. Um welches Ritual handelt es sich dabei?
Alafenisch: Ja, das ist schwierig. Man hat auch mit dem Israel-Palästina-Konflikt zu tun, diese Geschichte, die unsere Familie betraf, Westbank, Palästinenser, Israelis, Krieg '67. Das ist eine Feuerprobe, das ist so ein weltweit verbreitetes Thema bei den Germanen, Afrika, bei vielen Kulturen. Um Schuld, Unschuld zu beweisen muss man sich der Feuerprobe unterziehen, tut man eine Pfanne bis zur Glut, und dann muss man mit der Zunge dreimal berühren, lecken. Wenn die Zunge unversehrt bleibt, ist Freispruch. Und ein kleines Indiz in der Zunge zu sehen, das heißt Schuldspruch. Und da kam unsere Sache nach Staatsverwaltungsvermittlung, Lügendetektor, dies und jenes, auch der Feuerprobe als Krönung der Justiz.
Hanselmann: Man muss dreimal an einer glühenden Pfanne lecken?
Alafenisch: Richtig.
Hanselmann: Und wenn man jetzt denkt, das ist ein komplett archaisches Ritual, dann erinnern Sie daran, dass es auch noch in der westlichen Welt den Lügendetektor gibt, den Sie für genauso archaisch halten wahrscheinlich?
Alafenisch: Da, denke ich, sind wir einig.
Hanselmann: Gibt es dieses Ritual heute noch unter Beduinen?
Alafenisch: Heute gibt es das noch. Das ist im Großen und Ganzen in Ägypten eigentlich. In Palästina gab es nie, Jordanien früher. In Ägypten gibt es das noch. Aber ich will nur sagen, das ist auch mit der Zunge und Feuer bei vielen Kulturen. Im Deutschen sagt man: Er trägt sein Herz auf der Zunge, ich lege meine Hand ins Feuer. Irgendwie in allen Kulturen, das Wort hat eine magische Bedeutung.
Hanselmann: Dürfen wir jetzt verraten, wie die Feuerprobe ausgegangen ist?
Alafenisch: Das können Sie doch nicht von mir verlangen. Das ist für die Spannung. Aber es lohnt sich vielleicht reinzuschauen, öffnet sich ein kleines Fenster. Das wäre vielleicht für die Ethnologie, für die Kulturen überhaupt und auch für Israel-Palästina-Konflikt.
Hanselmann: Es ist ja auch ein Stück Ihrer eigenen Familiengeschichte. Warum haben Sie das alles erst nach 40 Jahren aufschreiben können?
Alafenisch: Ja, da muss man Rücksicht auf Familienmitglieder nehmen, manche Akteure, die damals lebten. Und ich komme aus der Wüste. Manchmal brauchen solche Erzählungen diese Zeit, um ihre Reife zu erreichen.
Hanselmann: Diese 40 Jahre, sind die eine Art magische Zahl?
Alafenisch: Ja, ich glaube schon daran. Moses war auch 40 Jahre in der Wüste, er ist 40 Jahre auch. Ali Baba und die 40 Räuber, das ist in vielen Kulturen, wissen Sie?
Hanselmann: Glauben Sie, dass Sie als Schriftsteller, als ein Mann, der die orientalische Erzählkunst beherrscht und auch pflegt, einen Beitrag leisten kann zu einer Konfliktlösung im Nahen Osten?
Alafenisch: Ich kann Ihnen Folgendes sagen. Meine Geschichten können die Welt nicht verändern. Aber zum Teil denke ich, glaube ich daran, Sie können in dieser verfahrenen Situation vielleicht kleine Kerzen in der Dunkelheit zünden.
Hanselmann: Kleine Kerzen in der Dunkelheit möchte zünden Salim Alafenisch, dessen neues Werk heißt "Die Feuerprobe", ist erschienen im Unionsverlag. Ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch, Salim Alafenisch!
Alafenisch: Ja, ich auch!
Aus Gründen der Verständlichkeit weicht die Textfassung leicht von der Audiofassung ab.
Salim Alafenisch: Guten Tag!
Hanselmann: Sie haben als Kind in der Wüste Negev, das heißt auf Deutsch die Trockene, die Kamele Ihres Vaters gehütet, erst mit 14 Jahren überhaupt Lesen und Schreiben gelernt. Später haben Sie in London und Heidelberg studiert. Dort leben Sie seit 1973. Schön, dass Sie gekommen sind!
Alafenisch: Danke!
Hanselmann: Ich habe in einem biografischen Text über Sie gelesen, Sie seien palästinensischer Beduine mit israelischer Staatsangehörigkeit. Gibt es so was überhaupt?
Alafenisch: Wahrscheinlich, stimmt. Ich bin dort geboren, aufgewachsen. Ich bin israelischer Staatsbürger. Ich bin von der Herkunft Beduine, aber auch Palästinenser und noch dazu ein kurpfälzischer Autor, Kurpfalz auch.
Hanselmann: Ich habe eben gesagt, Sie sind als Sohn eines Wüstenscheichs aufgewachsen, dessen Kamele Sie gehütet haben. Wie haben Sie Ihre Kindheit als junger Beduine erlebt? Wie war die Welt um Sie herum?
Alafenisch: Ich bin ein halbes Jahr jünger als der Staat Israel, im November geboren '48, hab dort die Kindheit verbracht im Zeltlager, zum Teil geschützt, geborgen vor den Geschehnissen, von den Ereignissen, dem Staatenkrieg '48, sozusagen die Wüste, die Kamele haben einen gewissen Schutz, Geborgenheit gegeben. Aber trotzdem, man hört von den Ereignissen, Verwandte sind betroffen. In meinem Land ist Krieg, 67, habe ich auch beigewohnt. Ja, vielleicht deshalb gefragt, wie fühlt man sich. Ich habe das Land verlassen, weil ich das Gefühl hatte, das Land ist für mich zu eng geworden. Nirgendwo konnte man in die Welt reisen. Und habe ich einfach das Land verlassen.
Hanselmann: Sie sagen, einfach das Land verlassen. War es wirklich so einfach für Sie, auch die Familie zu verlassen?
Alafenisch: Das natürlich nicht. Das ist Verlust für die Familie, für den Stamm. Aber man hat sich mit der Zeit auch arrangiert. Ich komme zu Besuch, zwei bis dreimal im Jahr, schreibe meine Bücher über unsere Kulturlebenswelt und irgendwie, mit einem Bein, bin ich doch dort geblieben.
Hanselmann: Für Sie als Schriftsteller sind Grenzen ein wichtiges Thema. In Ihrem erfolgreichen Buch "Das Kamel mit dem Nasenring" beschreiben Sie die Konflikte der Beduinen, die bis zur Staatsgründung Israels frei in der Wüste umherziehen konnten. Dann springt ein hungriges Kamel eines Tages über einen Grenzstein, um jenseits der Grenze ein paar Artischocken zu ernten. Sein Hirte folgt ihm und beide werden festgenommen. Eine Odyssee durch jordanische und israelische Gefängnisse beginnt. Wie geht es denn Ihren Vorfahren, den Beduinen, heute? Wo leben sie, und welche Grenzen müssen sie beachten?
Alafenisch: Natürlich die jordanische Grenze, die ägyptische Grenze ist da. Aber die Mobilität heutzutage ist zum Stillstand gekommen. Denn Viehzucht spielt eine untergeordnete Rolle im Leben der Negev-Beduinen. Inzwischen leben die Leute, zum Beispiel mein Stamm, in einer Stadt mit 45.000 Einwohnern, mit Infrastruktur, modernen Schulen, Stadtverwaltung, kleinem Industriegebiet usw. Die nomadische Lebensweise, was man früher hatte, ist zum Stillstand gekommen.
Hanselmann: Das Nomadentum ist sozusagen weitgehend vorbei, auch gezwungenermaßen?
Alafenisch: Ja, natürlich, wenn der Staat was macht, will auch der Staat selbst was davon haben, diese herrlichen Projekte sesshaft machen, der Nomaden, im Grunde genommen, um das Stammesgebiet zu beschlagnahmen, zu enteignen, von den Nomaden zu reduzieren, billige Arbeitskräfte in solche Schlafdörfer, Schlafstädte. Wenn man sieht die Arbeitslosigkeit in Israel, da steht die Stadt Rahad, Beduinenstadt, an Nummer eins, oben, was Unterbeschäftigung, Arbeitslosigkeit anbetrifft.
Hanselmann: Bis heute gibt es im israelisch-palästinensischen Raum keinen dauerhaften Frieden, keinen palästinensischen Staat. Haben Sie noch Hoffnung auf eine dauerhafte Lösung?
Alafenisch: Man sagt, zuletzt stirbt die Hoffnung. Aber es ist schwierig. Ich denke, Hoffnung in zwei Staaten, Israel neben Palästina, Palästina neben Israel. Denn es geht nichts auf die Dauer. Eine Seite feiert, die andere trauert. Und das bringt weder den Menschen noch dem Land den Frieden näher.
Hanselmann: Zwei Staaten sind für Sie nach wie vor die denkbare Lösung. Wenn jetzt ein Mann wie George Bush ins Land Israel reist und sagt, er möchte das vorantreiben, er möchte sogar vielleicht noch vor Beendigung seiner Amtszeit dort einen Friedensvertrag sehen, halten Sie das für realistisch?
Alafenisch: Halte ich nicht! Die ganze Politik muss man beobachten. Er hat mehr Kriege angezettelt in der Region. Sollen wir ihn jetzt als Friedenstaube wahrnehmen? Dazu gehört eine Portion Naivität, das wirklich zu glauben.
Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, wir sprechen mit dem Schriftsteller Salim Alafenisch, geboren vor 60 Jahren als Beduinensohn in der Wüste Negev, in Israel, seit vielen Jahren Wahl-Heidelberger. Herr Alafenisch, auch in Ihrem gerade erschienenen Buch beschäftigen Sie sich mit der hoch explosiven Situation in Nahost. Da geht es um einen Mord, der über 40 Jahre zurückliegt, einen Mord an einem Beduinen aus einem Nachbarstamm Ihrer Sippe. Damals hat man Ihre Sippe für schuldig gehalten oder ihr die Schuld in die Schuhe schieben wollen, besser gesagt. Schließlich wurde auf ein altes Ritual, eine Art Schiedsverfahren, zurückgegriffen, nämlich die Feuerprobe. So heißt auch Ihr Buch. Um welches Ritual handelt es sich dabei?
Alafenisch: Ja, das ist schwierig. Man hat auch mit dem Israel-Palästina-Konflikt zu tun, diese Geschichte, die unsere Familie betraf, Westbank, Palästinenser, Israelis, Krieg '67. Das ist eine Feuerprobe, das ist so ein weltweit verbreitetes Thema bei den Germanen, Afrika, bei vielen Kulturen. Um Schuld, Unschuld zu beweisen muss man sich der Feuerprobe unterziehen, tut man eine Pfanne bis zur Glut, und dann muss man mit der Zunge dreimal berühren, lecken. Wenn die Zunge unversehrt bleibt, ist Freispruch. Und ein kleines Indiz in der Zunge zu sehen, das heißt Schuldspruch. Und da kam unsere Sache nach Staatsverwaltungsvermittlung, Lügendetektor, dies und jenes, auch der Feuerprobe als Krönung der Justiz.
Hanselmann: Man muss dreimal an einer glühenden Pfanne lecken?
Alafenisch: Richtig.
Hanselmann: Und wenn man jetzt denkt, das ist ein komplett archaisches Ritual, dann erinnern Sie daran, dass es auch noch in der westlichen Welt den Lügendetektor gibt, den Sie für genauso archaisch halten wahrscheinlich?
Alafenisch: Da, denke ich, sind wir einig.
Hanselmann: Gibt es dieses Ritual heute noch unter Beduinen?
Alafenisch: Heute gibt es das noch. Das ist im Großen und Ganzen in Ägypten eigentlich. In Palästina gab es nie, Jordanien früher. In Ägypten gibt es das noch. Aber ich will nur sagen, das ist auch mit der Zunge und Feuer bei vielen Kulturen. Im Deutschen sagt man: Er trägt sein Herz auf der Zunge, ich lege meine Hand ins Feuer. Irgendwie in allen Kulturen, das Wort hat eine magische Bedeutung.
Hanselmann: Dürfen wir jetzt verraten, wie die Feuerprobe ausgegangen ist?
Alafenisch: Das können Sie doch nicht von mir verlangen. Das ist für die Spannung. Aber es lohnt sich vielleicht reinzuschauen, öffnet sich ein kleines Fenster. Das wäre vielleicht für die Ethnologie, für die Kulturen überhaupt und auch für Israel-Palästina-Konflikt.
Hanselmann: Es ist ja auch ein Stück Ihrer eigenen Familiengeschichte. Warum haben Sie das alles erst nach 40 Jahren aufschreiben können?
Alafenisch: Ja, da muss man Rücksicht auf Familienmitglieder nehmen, manche Akteure, die damals lebten. Und ich komme aus der Wüste. Manchmal brauchen solche Erzählungen diese Zeit, um ihre Reife zu erreichen.
Hanselmann: Diese 40 Jahre, sind die eine Art magische Zahl?
Alafenisch: Ja, ich glaube schon daran. Moses war auch 40 Jahre in der Wüste, er ist 40 Jahre auch. Ali Baba und die 40 Räuber, das ist in vielen Kulturen, wissen Sie?
Hanselmann: Glauben Sie, dass Sie als Schriftsteller, als ein Mann, der die orientalische Erzählkunst beherrscht und auch pflegt, einen Beitrag leisten kann zu einer Konfliktlösung im Nahen Osten?
Alafenisch: Ich kann Ihnen Folgendes sagen. Meine Geschichten können die Welt nicht verändern. Aber zum Teil denke ich, glaube ich daran, Sie können in dieser verfahrenen Situation vielleicht kleine Kerzen in der Dunkelheit zünden.
Hanselmann: Kleine Kerzen in der Dunkelheit möchte zünden Salim Alafenisch, dessen neues Werk heißt "Die Feuerprobe", ist erschienen im Unionsverlag. Ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch, Salim Alafenisch!
Alafenisch: Ja, ich auch!
Aus Gründen der Verständlichkeit weicht die Textfassung leicht von der Audiofassung ab.