Kleine Kulturgeschichte des Sessels

"Früher saß nur der König"

12.04.2018, Rheinland-Pfalz, Trier: Kunsthistoriker Peter Pfister (r) von der Friedrich-Ebert-Stiftung und Elisabeth Neu, Leiterin Karl-Marx-Museum Trier, enthüllen den Lesesessel von Karl Marx (1818- 1883) in dessen Geburtshaus. Die Friedrich-Ebert-Stiftung hatte diesen Sessel im Jahr 2014 von den Nachfahrinnen erworben. Der Sessel ist zum Anlass der 200 Jahr-Feierlichkeiten des Geburtstages von Karl Marx ausgestellt. Foto: Harald Tittel/dpa | Verwendung weltweit
Im Trierer Karl-Marx-Haus wurde ein neues Exponat eingeweiht - der Lieblingssessel des Philosophen © dpa
Gunter Gebauer im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
Sprüche wie "Sitzen ist das neue Rauchen" findet der Philosoph und Sportwissenschaftler Gunter Gebauer absurd. Denn: Das Sitzen für jedermann sei eine moderne Errungenschaft. Früher sei Sitzen ein Privileg des Adels gewesen.
Heute wurde im Trierer Karl-Marx-Haus ein neues Objekt vorgestellt. Es handelt sich um den Sessel, in dem der Philosoph und Ökonom gerne gelesen haben soll. Der Sessel aus Eichenholz habe in der Wohnung von Marx in London gestanden und sei bis zum Erwerb in Familienbesitz gewesen, teilte die Leitung des Museums mit.
Marx sei in dem Sessel sogar gestorben, denn am 15. März 1883 schrieb sein Freund Friedrich Engels in einem Brief:
"Gestern Nachmittag, 2.45 Uhr, kaum zwei Minuten allein gelassen, fanden wir ihn sanft entschlafen im Sessel."
Der Philosoph Gunter Gebauer, 2015 in Köln auf der dritten phil.COLOGNE.
Der Philosoph Gunter Gebaue© dpa / Horst Galuschka

Lieblingssessel zum Lesen

Auch unser Studiogast, der Philosoph und Sportwissenschaftler Gunter Gebauer, besitzt einen besonderen Sessel zum Lesen. Darin könne er bequem sitzen und die Arme abstützen, wenn er ein schweres Buch lese, sagte Gebauer im Deutschlandfunk Kultur. Auf den Seitenlehnen lasse sich das Buch ablegen, um Randbemerkungen zu machen.
"So etwas braucht man, das kann man nicht einfach in die Luft schreiben", sagte Gebauer.

Sitzen hat Zukunft

Sprüchen wie "Sitzen ist das neue Rauchen" widersprach Gebauer. "Das ist absurd", sagte er und berichtete von einer Dissertation, die er als Professor betreut habe über die "Anthropologie des Sitzens". Autor Heiko Eickhoff habe gezeigt, dass es sich beim Sitzen von Jedermann um eine moderne Errungenschaft handelt.
"Vorher war das so, der König sitzt, der Stammesfürst sitzt." Andere Menschen hätten sich hocken müssen oder knien, um nicht höher zu sein als der Herrscher. Aus dem Thronsessel sei dann eines Tages der Stuhl entstanden, auf dem wir säßen, wenn wir arbeiteten oder äßen.
Gebauer widersprach auch Zukunftsprognosen, wonach Menschen nicht mehr sitzen, sondern durch die Digitalisierung nur noch liegen oder stehen würden.

Gunter Gebauer ist Philosoph, Sportwissenschaftler und Linguist. Seine Veröffentlichungen decken ein breites Spektrum ab: Von "Wittgensteins anthropologischem Denken" über die "Poetik des Fußballs" bis zu "Sprachen der Emotion". Bis zu seiner Emeritierung 2012 lehrte Gunter Gebauer Philosophie an der Freien Universität Berlin.

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