Kleine Spiele in der Arbeitswabe
Die Figuren in Douglas Couplands Roman "JPod" leiden unter dem dumpf über allem hängenden Müßiggang der Wohlstandsgesellschaft im 21. Jahrhundert, weshalb sie sich die Reize, Probleme und Abwechslungen für ihr Seelenleben selbst schaffen.
Wer das Buch zur Hand nimmt, sollte etwas beschlagen sein in Softwareapplikationen und amerikanischen Fastfoodketten oder in der Nähe eines Computers sitzen, um Unbekanntes rasch googeln zu können. Etwa zwei- bis dreimal pro Seite kommt es vor, dass man als deutschsprachiger Durchschnittsleser auf Unbekanntes stößt. Dabei handelt es sich, wie man nach spätestens einem Drittel der Lektüre feststellen wird, entweder um Konsumanbieter in Nordamerika, britische Schauspielerinnen, Ausdrücke aus der Computersprache oder Namen von Videospielen.
Letzteres darf nicht überraschen, spielt doch die Handlung in einem kanadischen Unternehmen zur Herstellung von Videospielen. Konkret ist es eine kleine Abteilung zur Entwicklung neuer Ideen, genannt "der JPod", in den man zwar als Angestellter gerät, aber offenbar kaum mehr herauskommt. Warum er so fürchterlich sein soll, erschließt sich dem Leser allerdings nicht. Sechs junge Leute – Kaitlin, Bree, Mark, Cowboy, John Doe und Eithan – arbeiten dort.
Eithan ist der Ich-Erzähler, dem mitunter haarsträubende Dinge passieren, die der Autor mit großer Gelassenheit nahezu nebenbei erzählt. Da sind einmal Ethans durchgeknallten Eltern, die sich amouröse Affären mit deutlich Jüngeren leisten und im Keller Suchtgiftpflanzen züchten. Dann nisten sich gleich dutzende Chinesen in der Wohnung des Erzählers ein – doch das alles scheint nicht das Schlimmste zu sein. Als Leser erhält man den Eindruck, dass die ärgsten Dinge, die den Protagonisten zustoßen, gemäß deren Äußerungen und Reaktionen unpassende Modelabels, die falsche Musik oder schlecht schmeckende Getränke sind.
Im JPod geht es um die Entwicklung eines neuen Spiels, für das in langatmigen Sitzungen der Firma die Chefs immer wieder neue Applikationen aus durchaus persönlichen und nicht sachlichen Gründen verlangen und über Nichtigkeiten diskutieren – ein Ab- und Zerrbild des gegenwärtigen Betriebsalltags.
Allerdings wirken die sechs Entwickler nicht wie unter Dauerstress, im Gegenteil: Sie erfinden in ihren "Arbeitswaben" kleine Spiele und Wettbewerbe füreinander, mit denen sie sich die Zeit vertreiben. Man kann während der Arbeitszeit mal nach Hause fahren oder unter dem Schreibtisch ein Schläfchen machen. Es wirkt nicht so, als wären die jungen Leute, jeder von ihnen mit einer deutlichen Macke behaftet, im Hamsterrad eingeschlossen. Vielmehr scheinen sie unter dem dumpf über allem hängenden Müßiggang der Wohlstandsgesellschaft im 21. Jahrhundert zu leiden, weshalb sie sich die Reize, Probleme und Abwechslungen für ihr Seelenleben selbst zu schaffen scheinen.
Douglas Coupland schildert diese Gesellschaft mit einem großen Wissen über die Computerwelt und die amerikanische Wirtschafts- und Kulturwelt, was es für den europäischen Leser mitunter etwas schwierig macht, da ihm dadurch auch manche Gags und Anspielungen entgehen und das Buch dadurch vermutlich nicht so spritzig wirken mag wie auf dem nordamerikanischen Markt. Ironisch verzerrt erscheinen die Werbebotschaften der Wirtschaft und die ihnen erliegenden Menschen, eine große Menge an dem Konsum verfallenen Figuren eines großen Spiels, das stets die Frage nach dem tieferen Sinn des Lebens in Sicherheit und Wohlstand aufwirft.
Dabei gelingen dem Autor durchaus witzige Passagen, wenngleich sich aber insgesamt die Frage stellt, ob das Buch angesichts der eher dünnen Handlung nicht auch mit der Hälfte der Seitenzahl ausgekommen wäre.
Großes Lob verdienen die beiden Übersetzer, die der schwierigen Aufgabe ausgesetzt waren, sowohl für neue Ausdrücke und Bezeichnungen wie auch die Milieusprache der Jugend adäquate Ausdrücke zu finden.
Besprochen von Stefan May
Douglas Coupland: JPod. Roman
Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011
528 Seiten, 22,95 Euro
Letzteres darf nicht überraschen, spielt doch die Handlung in einem kanadischen Unternehmen zur Herstellung von Videospielen. Konkret ist es eine kleine Abteilung zur Entwicklung neuer Ideen, genannt "der JPod", in den man zwar als Angestellter gerät, aber offenbar kaum mehr herauskommt. Warum er so fürchterlich sein soll, erschließt sich dem Leser allerdings nicht. Sechs junge Leute – Kaitlin, Bree, Mark, Cowboy, John Doe und Eithan – arbeiten dort.
Eithan ist der Ich-Erzähler, dem mitunter haarsträubende Dinge passieren, die der Autor mit großer Gelassenheit nahezu nebenbei erzählt. Da sind einmal Ethans durchgeknallten Eltern, die sich amouröse Affären mit deutlich Jüngeren leisten und im Keller Suchtgiftpflanzen züchten. Dann nisten sich gleich dutzende Chinesen in der Wohnung des Erzählers ein – doch das alles scheint nicht das Schlimmste zu sein. Als Leser erhält man den Eindruck, dass die ärgsten Dinge, die den Protagonisten zustoßen, gemäß deren Äußerungen und Reaktionen unpassende Modelabels, die falsche Musik oder schlecht schmeckende Getränke sind.
Im JPod geht es um die Entwicklung eines neuen Spiels, für das in langatmigen Sitzungen der Firma die Chefs immer wieder neue Applikationen aus durchaus persönlichen und nicht sachlichen Gründen verlangen und über Nichtigkeiten diskutieren – ein Ab- und Zerrbild des gegenwärtigen Betriebsalltags.
Allerdings wirken die sechs Entwickler nicht wie unter Dauerstress, im Gegenteil: Sie erfinden in ihren "Arbeitswaben" kleine Spiele und Wettbewerbe füreinander, mit denen sie sich die Zeit vertreiben. Man kann während der Arbeitszeit mal nach Hause fahren oder unter dem Schreibtisch ein Schläfchen machen. Es wirkt nicht so, als wären die jungen Leute, jeder von ihnen mit einer deutlichen Macke behaftet, im Hamsterrad eingeschlossen. Vielmehr scheinen sie unter dem dumpf über allem hängenden Müßiggang der Wohlstandsgesellschaft im 21. Jahrhundert zu leiden, weshalb sie sich die Reize, Probleme und Abwechslungen für ihr Seelenleben selbst zu schaffen scheinen.
Douglas Coupland schildert diese Gesellschaft mit einem großen Wissen über die Computerwelt und die amerikanische Wirtschafts- und Kulturwelt, was es für den europäischen Leser mitunter etwas schwierig macht, da ihm dadurch auch manche Gags und Anspielungen entgehen und das Buch dadurch vermutlich nicht so spritzig wirken mag wie auf dem nordamerikanischen Markt. Ironisch verzerrt erscheinen die Werbebotschaften der Wirtschaft und die ihnen erliegenden Menschen, eine große Menge an dem Konsum verfallenen Figuren eines großen Spiels, das stets die Frage nach dem tieferen Sinn des Lebens in Sicherheit und Wohlstand aufwirft.
Dabei gelingen dem Autor durchaus witzige Passagen, wenngleich sich aber insgesamt die Frage stellt, ob das Buch angesichts der eher dünnen Handlung nicht auch mit der Hälfte der Seitenzahl ausgekommen wäre.
Großes Lob verdienen die beiden Übersetzer, die der schwierigen Aufgabe ausgesetzt waren, sowohl für neue Ausdrücke und Bezeichnungen wie auch die Milieusprache der Jugend adäquate Ausdrücke zu finden.
Besprochen von Stefan May
Douglas Coupland: JPod. Roman
Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann
Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 2011
528 Seiten, 22,95 Euro