Kleiner Händler, großer Schaden

Von Adalbert Siniawski |
Es war der größte Betrugsskandal der Finanzgeschichte. Vor zwei Jahren verursachte ein Händler der französischen Großbank Société Générale einen Milliarden-Verlust und brachte seine Bank an den Rand des Zusammenbruchs. Nun hat der ehemalige Kommunikationschef des Unternehmens ein Buch über diese dramatischen Wochen geschrieben, jetzt erscheint die deutsche Übersetzung.
Es ist Sonntag, der 20. Januar 2008, 10.30 Uhr, als bei Hugues le Bret das Telefon klingelt. Der Kommunikationschef der Société Générale eilt in die Pariser Zentrale seiner Bank, alle Führungskräfte sind versammelt – Krisensitzung!

50 Milliarden Euro – das ist der Betrag, der die Gesichter blass werden lässt, 50 Milliarden beträgt die Position, die der 28-jährige Händler Jérôme Kerviel durch betrügerische Spekulationen aufgebaut hat, eine gigantische Summe, die selbst die drittgrößte Bank Frankreichs ins Wanken bringen kann.

Nicht nur die Jobs von 160.000 Mitarbeitern stehen auf dem Spiel: Fällt eine Großbank wie die Société Générale, bricht im gesamten internationalen Finanzsystem das Chaos aus. Fieberhaft versuchen die Manager, Kerviels Positionen "glattzustellen", das heißt zu bereinigen, ohne dass es auffällt. Am Ende bleibt ein Verlust von nahezu 5 Milliarden Euro.

Vier Tage, nachdem der Betrug aufgeflogen war, geht die Bank an die Öffentlichkeit und muss sich unbequemen Fragen stellen: Wie war es möglich, dass ein einzelner, kleiner Händler mit solchen Summen spekulieren konnte? Hat Kerviel allein gehandelt? Warum hat das Kontrollsystem der Bank so eklatant versagt?

Die Empörung richtet sich bald weniger gegen den Betrüger, sondern gegen die Bank; Kerviel bezeichnet sich selbst als Opfer, die Presse stilisiert ihn zum Robin Hood, weil er sich nicht persönlich bereichert hat; laut einer Umfrage machen 77 Prozent der Franzosen die Société Générale für das Desaster verantwortlich. Im Zuge der Affäre rollen Köpfe, der Vorstandsvorsitzende und etliche Führungsmitglieder der Bank müssen gehen.

In einem ersten Prozess wird Jérôme Kerviel wegen Betrugs zu fünf Jahren Haft verurteilt, auch muss er die Schadenssumme zurückzahlen, insgesamt 4, 82 Milliarden Euro. Kerviel hat Berufung eingelegt, heute arbeitet er bei einer Computer-Firma.

Auch Kommunikationschef Hugues le Bret hat die Société Générale verlassen. In seinem Buch verteidigt er das Krisenmanagement der Bank und deutet die Affäre Kerviel als Symptom für eine allgemeine Schwäche des Finanzsystems. Persönlich mache es ihm eine "Heidenangst".
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