Kleiner Mann in einer patriarchalen Welt
In seinem neuen Comic-Buch folgt der französisch-arabische Autor und Zeichner Riad Sattouf den Ängsten des kleinen Riad rund um die Beschneidung. Aus der Perspektive des Jungen erleben wir eine in archaischen Riten verhaftete ländlich-syrische Welt.
Der syrische Junge Riad ist acht Jahre alt. Eines Tages eröffnet ihm sein Vater barsch, dass er bald beschnitten werde. Was genau heißt das? Der Vater verweigert die Auskunft.
In seinem neuen Comic-Buch "Meine Beschneidung" folgt der französisch-arabische Autor und Zeichner Riad Sattouf den Ängsten des kleinen Riad rund um die Beschneidung. Nachts liegt der Junge wach, malt sich Schreckensszenarien aus. Wird ihm die Haut vom Penis gezogen? Oder der Penis gleich ganz abgeschnitten? Riads Sehnsucht richtet sich auf einen Roboter, den er im Schaufenster gesehen hat. Der Vater hat ihm das Spielzeug als Belohnung versprochen. Wie schön wäre es, der Roboter erwachte zum Leben und könnte Riad retten, bevor die Männer mit dem Messer kommen!
Autor und Zeichner Riad Sattouf wurde in Paris geboren und verbrachte seine Kindheit in arabischen Ländern. "Meine Beschneidung" ist seine erste Graphic Novel, die ins Deutsche übersetzt wurde - ein Glücksfall. Denn so schlicht Bilder und Text auf den ersten Blick scheinen, so vielschichtig gestaltet sich das Buch in der Tiefe. Aus Riads Perspektive erleben wir eine in archaischen Riten und dumpfen Vorurteilen verhaftete ländlich-syrische Welt. Männlichkeit wird zelebriert als herzlose Grausamkeit, eine Frau tritt im ganzen Buch nicht auf. Der Vater begegnet seinem Sohn nur als Befehlsherr, die Runde der kleinen Jungen strotzt vor Antisemitismus.
Geradezu erschütternd wird das Buch, wenn Riad Sattouf sich dem syrischen Schulsystem zuwendet, das er in seiner Kindheit selbst erlebte. Nun setzt er den kaum vorstellbaren Leiden der Schüler ein Denkmal: Als der kleine Riad es wagt, sich dem Lehrer mit seinen Fragen anzuvertrauen, setzt eine Orgie der Gewalt ein. Mit einem Stock prügelt der Lehrer auf den Jungen ein, bald darauf auf die halbe Klasse. Auf den Rücken, in den Bauch, sogar ins Gesicht werden die Kinder geschlagen, schließlich auf dem Schulhof so auf einen Stuhl gefesselt, dass ihre nackten Füße blutig geschlagen werden können.
Die Beschneidung gerät kaum weniger grausam, ohne Narkose und Desinfektion, wochenlang kämpft der Junge mit der entzündeten Wunde. Am Ende steht er mit seinem neuen Penis zwischen den Freunden. Ein neuer kleiner Mann in einer patriarchalen Welt.
Besprochen von Susanne Billig
Riad Sattouf: Meine Beschneidung
Übersetzt von Martin Budde
Reprodukt Verlag
100 Seiten, 14 Euro
In seinem neuen Comic-Buch "Meine Beschneidung" folgt der französisch-arabische Autor und Zeichner Riad Sattouf den Ängsten des kleinen Riad rund um die Beschneidung. Nachts liegt der Junge wach, malt sich Schreckensszenarien aus. Wird ihm die Haut vom Penis gezogen? Oder der Penis gleich ganz abgeschnitten? Riads Sehnsucht richtet sich auf einen Roboter, den er im Schaufenster gesehen hat. Der Vater hat ihm das Spielzeug als Belohnung versprochen. Wie schön wäre es, der Roboter erwachte zum Leben und könnte Riad retten, bevor die Männer mit dem Messer kommen!
Autor und Zeichner Riad Sattouf wurde in Paris geboren und verbrachte seine Kindheit in arabischen Ländern. "Meine Beschneidung" ist seine erste Graphic Novel, die ins Deutsche übersetzt wurde - ein Glücksfall. Denn so schlicht Bilder und Text auf den ersten Blick scheinen, so vielschichtig gestaltet sich das Buch in der Tiefe. Aus Riads Perspektive erleben wir eine in archaischen Riten und dumpfen Vorurteilen verhaftete ländlich-syrische Welt. Männlichkeit wird zelebriert als herzlose Grausamkeit, eine Frau tritt im ganzen Buch nicht auf. Der Vater begegnet seinem Sohn nur als Befehlsherr, die Runde der kleinen Jungen strotzt vor Antisemitismus.
Geradezu erschütternd wird das Buch, wenn Riad Sattouf sich dem syrischen Schulsystem zuwendet, das er in seiner Kindheit selbst erlebte. Nun setzt er den kaum vorstellbaren Leiden der Schüler ein Denkmal: Als der kleine Riad es wagt, sich dem Lehrer mit seinen Fragen anzuvertrauen, setzt eine Orgie der Gewalt ein. Mit einem Stock prügelt der Lehrer auf den Jungen ein, bald darauf auf die halbe Klasse. Auf den Rücken, in den Bauch, sogar ins Gesicht werden die Kinder geschlagen, schließlich auf dem Schulhof so auf einen Stuhl gefesselt, dass ihre nackten Füße blutig geschlagen werden können.
Die Beschneidung gerät kaum weniger grausam, ohne Narkose und Desinfektion, wochenlang kämpft der Junge mit der entzündeten Wunde. Am Ende steht er mit seinem neuen Penis zwischen den Freunden. Ein neuer kleiner Mann in einer patriarchalen Welt.
Besprochen von Susanne Billig
Riad Sattouf: Meine Beschneidung
Übersetzt von Martin Budde
Reprodukt Verlag
100 Seiten, 14 Euro