Kleines Ferkel sorgt für großen Ärger

Von Gottfried Bohl |
"Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel" heißt ein religionskritisches Kinderbuch, gegen das nicht nur Vertreter von Christentum, Judentum und Islam Sturm laufen. Doch die Bundesprüfstelle hat nun entschieden: Das Buch darf auch weiterhin verkauft werden.
"Das Gremium der Bundesprüfstelle hat entschieden, das Buch 'Wo bitte geht's zu Gott? fragte das kleine Ferkel' nicht zu indizieren. Weil zwar einzelne Stimmen aus dem Gremium durchaus Elemente von Antisemitismus in diesem Buch gesehen haben. Das Gremium entscheidet allerdings mit Zwei-Drittel-Mehrheit, und diese ist nicht zustande gekommen."

So fasste Petra Meier, die stellvertretende Leiterin der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, das Ergebnis der Verhandlung zusammen. Das Kinderbuch greife Judentum, Christentum und Islam gleichermaßen an und sei deshalb nicht als antisemitisch einzustufen. Gleichwohl könne es das religiöse Empfinden der Gläubigen der dargestellten Religionen verletzen. Dies aber sei zum einen sehr schwer objektiv zu bewerten und zum anderen auch kein Kriterium für die Entscheidung der Bundesprüfstelle, erläuterte Meier das Verfahren:

"Es gibt im Jugendschutzgesetz bestimmte Tatbestände der Jugendgefährdung. Dazu zählt zum Beispiel das Anreizen zum Rassenhass, worunter auch der Anreiz zu Judenhass gefasst wird. Es gibt darüber hinaus noch weitere Tatbestandsmerkmale, zum Beispiel die Verherrlichung des Nationalsozialismus, Verherrlichung von Drogenkonsum, oder auch die Diskriminierung von Menschen. Allgemeine Kritik an Religion selbst ist kein Tatbestand der Jugendgefährdung."

Da hat das Ferkel noch mal Schwein gehabt, freuten sich die Macher des bunten 20-Seiten-Werks. Nicht nur über das Ergebnis der Verhandlung, sondern auch über die unbezahlbare öffentliche Aufmerksamkeit als Folge des Indizierungsverfahrens. Mit mehr als 12.000 verkauften Exemplaren sei das Werk schon jetzt ein Erfolg, betonte Autor Michael Schmidt-Salomon und kündigte zugleich eine neue Auflage an:

"Ja es ist ein Sieg für die Meinungsfreiheit, für den gesunden Menschenverstand, für die Streitkultur, Humanismus und Aufklärung. Wir leben in einer pluralen Gesellschaft. Da gibt es verschiedene Ideen und die müssen sich auch aneinander reiben, und dadurch entsteht ja überhaupt erst gesellschaftlicher Fortschritt."

Religionskritik ist nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig. So weit stimmt auch Albert Biesinger zu, Professor für katholische Religionspädagogik in Tübingen und einer der Hauptkritiker des Ferkel-Buchs. Er habe keine andere Entscheidung erwartet, betonte er nach der Verhandlung. Allerdings seien Verbote in solchen Fällen ohnehin der falsche Weg. Stattdessen müsse die inhaltliche Auseinandersetzung weitergehen – jetzt erst recht:

"Also wenn ich von Kindern her denke, ist es ein Pyrrhussieg, den die Autoren da - wenn sie meinen, sie hätten da heute gesiegt - gewonnen haben. Kindern tut man mit dem Hinweis auf Meinungsfreiheit nichts Gutes, wenn man ihnen Angst vor Religion macht."

Und genau das wirft er den Machern des Buches in erster Linie vor. Natürlich müsse es heute möglich sein, ein atheistisches Kinderbuch zu veröffentlichen. Allerdings – so Biesinger - dürfte die Darstellung der Religionen dann nicht so fehlerhaft und polemisch sein wie in diesem Werk, das beispielsweise Christen wörtlich als "Menschenfresser" bezeichne.

Dieses Buch gehört nicht in die Hand von Kindern. Es macht Kindern Angst vor Religion. Es beleidigt auch die Religionen. Und wir brauchen in der Pädagogik nicht eine Atmosphäre der gegenteiligen Beleidigungen, sondern wir brauchen eine Atmosphäre der Verständigung - ganz wichtig: auch eine Verständigung mit den Menschen, die bewusst nicht an Gott glauben. Aber die Verständigung zwischen den verschiedenen Weltanschauungen in unserer Gesellschaft darf nicht auf das Niveau dieses Buches herabsinken.

Ähnlich kommentierte auch der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, das Ergebnis. Er nannte das Buch – ZITAT – "ekelhaft, gefährlich und militant atheistisch". Dennoch wäre eine Indizierung auch für ihn der falsche Weg gewesen. Ähnlich wie Biesinger hofft er stattdessen auf eine breite gesellschaftliche Debatte – unter anderem darüber, wie weit Meinungsfreiheit gehen darf und ob die Verletzung des religiösen Empfindens tatsächlich keinen Tatbestand der Jugendgefährdung darstellt.