Klezmer-Musik aus Hamburg

Manchmal singt sie auch jiddisch

Von Jonathan Scheiner |
Das Album "Rhythm & Jews" von den Klezmatics änderte ihr Leben. Heute singt Stella Jürgensen mit ausdrucksstarker Altstimme eigene Songs. Und die sind zwar klezmer-inspiriert, aber doch ganz neu und anders.
In den letzten anderthalb Jahrzehnten waren die Lieder der Jidden ganz groß in Mode. Klezmerbands schossen wie Pilze aus dem Boden, so schien es – und die Konzertsäle waren voll von deutschen Klezmerfans. Doch inzwischen zeichnet sich ein Ende der Liebelei ab. Viele der Klezmer-Musiker beschreiten deshalb neue Wege. Statt traditionelle Schtettl-Lieder zu spielen öffnen sich die Musiker gegenüber anderen Genres. Das tut auch Stellas Morgenstern, eine Formation um die Hamburgerin Stella Jürgensen.
Stella Jürgensen wurde in Schweden geboren, aber sie lebt seit Jahr und Tag in Hamburg. Zum Klezmer kam sie, nachdem ihr ein israelischer Freund das Album "Rhythm & Jews" von den Klezmatics gegeben hatte. Ihm zuliebe hat Stella in das Album mal reingehört, aber eigentlich war sie skeptisch: Klezmer konnte sie nicht ausstehen. Sie war vielmehr mit amerikanischem Folk groß geworden, mit Pete Seger und Woody Guthrie. Aber dieses Klezmatics-Album – das hatte es ihr angetan. Sie wurde Fan und pilgerte bald zu den Konzerten.
Mehr als zehn Jahre ist das jetzt her. Heutzutage zählt Lorin Sklamberg, der Sänger der Klezmatics, zu Stellas Freunden. Sie ist sogar schon mit ihm aufgetreten. Und Stella hat selbst schon ein Album mit jiddischen Liedern herausgebracht. Es heißt "Nakhtike Musik". Die Texte stammen von der jiddischen Dichterin Rajzel Zychlinski. Stella hatte die Gedichte in der kleinen Bilbiothek der Salomon-Birnbaum-Gesellschaft in Hamburg entdeckt.
Auf dem aktuellen Album von Stellas Morgenstern mit dem Titel "Departure Gate" sind ganz andere Töne zu hören. Statt jiddischer Lieder gibt es nun englische und hebräische Songs. Die Texte stammen von Merose, einem Israeli, der ebenfalls schon lange in Hamburg lebt.
Anfangs probierten sie am Küchentisch
Das erste Stück, was wir gemeinsam arrangiert haben und mit dem der Morgenstern eigentlich losging, das war das Lied "Departure Gate". Mit diesem Stück fing der Morgenstern an und deswegen war auch klar, das nach diesem Lied auch die CD heißen muss. Es gab bei uns eine Tradition immer mittwochs am Küchentisch haben wir gejammt. Und wir haben einfach rumprobiert. Und zu Anfang haben wir alle möglichen Lieder gespielt, auf die wir Lust hatten und dann haben wir immer mehr die Lieder von Merose angefangen zu spielen, auszuprobieren. Und als der mit Departure Gate kam, war mir ganz schnell klar, dieses Lied hat so eine Kraft, da möchte ich ein ganzes Programm daraus machen. Dieses Lied möchte ich nicht alleine für mich am Küchentisch behalten. Sondern das möchte ich rausschicken!
Ein Dichter mit sinnlich-poetischen Versen und eine Sängerin mit einer ausdrucksstarken Altstimme: Da scheinen zwei sich gefunden zu haben. Und das zur rechten Zeit, denn Stella wollte nicht mehr einfach nur die bekannten jiddischen Gassenhauer aufwärmen. Sondern sie wollte etwa Neues ausprobieren. Und damit liegt sie voll im Trend:
"Ich glaube, Musiker haben immer innerhalb dieses Genres eigene Kompositionen gemacht, aber das ist jetzt mehr denn je gefragt. Außerdem stirbt ja jetzt auch so langsam diese Generation weg dieser Vorbilder, von denen alle Musiker, die sich mit traditioneller Genre beschäftigen, unmittelbar lernen konnten. Beyle Schechter ist letztes Jahr gestorben, das wird immer dünner und immer weniger."
Wer nur in traditioneller jiddischer oder Klezmermusik bleibt, der hat es glaube ich ein bisschen schwer. Da ist so ein bisschen für meine Einschätzung gerade ein bisschen die Luft raus und es ist auch schwer, Publikum zu finden. Wenn man nicht gerade in Krakau auf dem Festival spielt, wo das natürlich gesetzt ist und jedes Jahr so und so viele Tausend kommen. Ansonsten hat es diese Musikrichtung schwer.
Ganz auf ihre Liebe zur Jiddischkeit wollte Stella dann doch nicht verzichten. Ein Song ihres neuen Albums stammt denn auch nicht von Merose, sondern von der jiddischen Gesangslegende Arkady Gendler. Und in die Fussstapfen eines so großen alten Mannes zu treten – das ist nun wirklich keine Schande! Solange man – wie Stella - wieder herausfindet.
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