"In der Welt heutzutage fehlt Humor"
Mit seiner von Punk, Hans Eisler und dem Geist alter Arbeiterlieder befeuerten Musik sorgen Daniel Kahn und seine Band "The Painted Bird" für frischen Wind in der Klezmer-Szene. Inspiration findet er bei Brecht. Vor Kurzem ist das neue Album "The Butcher‘s Share" erschienen.
Darauf schlägt Kahn einen neuen, schärferen Ton an. Die Zeiten seien einfach etwas aggressiver geworden, erklärt der amerikanische Musiker mit jüdischen Wurzeln. Vom Ausgang der letzten amerikanischen Präsidentschaftswahlen seien die Stücke allerdings nur indirekt beeinflusst: Die meisten Titel habe er schon während der Wahlperiode geschrieben.
"Auch das Persönliche ist politisch"
Seine Band "The Painted Bird" hat Kahn "immer als ein Kanalisationsmittel für unbequeme Fragen gesehen. Unsere fünf Alben behandeln oft politische Themen. Das letzte Album ´Bad Old Songs` war zwar eher persönlich, aber natürlich ist auch das Persönliche politisch."
Kahn schreibt eigene Songs, greift aber immer wieder auf alte Lieder der großen Geschichte zurück. Die Kultur der jüdischen Arbeiterkultur bleibe aktuell, erklärt der Sänger.
"Es wäre schön, wenn diese Lieder nicht aktuell wären. Die großen Themen von Ungerechtigkeit und Armut bleiben. Wir singen ´Arbeter Froyen`, das ist ein Lied von David Edelstadt. Es geht um die Unterdrückung der Frau, aber auch um die wahnsinnige revolutionäre Macht der Frauen."
Die alten Lieder sind keine Museumsstücke
Vorbilder sind für Kahn Künstler wie die jüdische Sängerin Adrienne Cooper oder Michael Alpert. Beide seien Vorreiter des "Klezmer-Revivals":
"Die Bewegung gibt es weltweit und sie ist sehr intergenerational. Das Ziel ist es, eine lebendige Kultur zu fördern."
Aus diesem Grund dürfe man als Künstler nicht zu vorsichtig mit Kultur und alten Liedern umgehen. Es handele sich dabei nicht um Museumsstücke.
"Respekt heißt auch, dass man die Menschlichkeit dieses Materials anerkennt. Es ist funky! Nicht immer nur schön, nicht kuschelig, nicht nostalgisch. Es hat nichts mit Nostalgie zu tun. Es hat vielleicht mit Erinnerung und Geschichte zu tun, aber auch mit der Zukunft."
Inspiration von Brecht
Daniel Kahn bezeichnet seine Musik als "Verfremdungsklezmer". Begründet liegt das in seinem Interesse an Bertolt Brecht.
"Ich bin großer ´Brechtist`. In meiner Theaterstudienzeit habe ich sehr viel Brecht gespielt. Bei dieser Verfremdung geht es darum, die Erwartungen an eine bestimmte Kultur oder an eine Musik zu verwirren und zu hinterfragen."
Daneben vertont Daniel Kahn auch Texte von Heinrich Heine oder Kurt Tucholsky. Konkret um deutsche Kultur gehe es ihm allerdings nicht.
"In Brecht habe ich mich auf Englisch verliebt. Das hat nichts mit speziell deutscher Kultur zu tun, das ist eine ´Weltkultur-Sache`", erklärt er. "Brecht, Tucholsky und Eissler haben meiner Meinung nach die wichtigsten Fragen der Zeit gestellt. Und das haben sie lyrisch und unterhaltend gemacht, mit Humor! In der Welt heutzutage fehlt Humor!"