Satelliten messen Treibhausgasemissionen
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Treibhausgase einzusparen, haben viele Staaten versprochen. Ob sie es tatsächlich tun, überprüfen die Länder ausschließlich selbst. Doch neue Satelliten können die Emissionen unabhängig überwachen.
Norcem, das größte Zementwerk Norwegens: In einer Bucht des Langesundfjords versteckt, bläst es jedes Jahr fast eine Million Tonnen CO2 in die Luft. Per Brevik ist dafür zuständig, dass der Zement möglichst klimaschonend produziert wird. Doch ganz vermeiden lasse sich der Ausstoß von Kohlendioxid nicht, sagt der Nachhaltigkeitsbeauftragte des Werks. Denn für das CO2 gebe es zwei Quellen. "Einmal den Brennstoff, den wir brauchen, um das Kalksteinmehl zu erhitzen." Und dann ist da noch die eigentliche Produktion. Bei einer Temperatur von knapp 1000 Grad Celsius kommt es zu einer sogenannten Kalzinierung, bei der Kalk in Kalziumoxid und CO2 gespalten wird.
Mehr Klimagase als beim Fliegen
Weltweit ist die Zementindustrie für fünf bis acht Prozent aller Treibhausgase verantwortlich. Das entspricht den Emissionen des gesamten Flugverkehrs. Wie hoch der Ausstoß eines Zementwerks genau ist, lässt sich allerdings nicht direkt messen. Stattdessen muss die Menge aus dem Verbrauch an Kohle, Öl, Gas und Strom umständlich berechnet werden. Das CO2 aus der Kalzinierung wird anschließend hinzu addiert. Über diese Rechnung kontrollieren in Norwegen unabhängige Betriebsprüfer. Doch das ist längst nicht überall so. "Insofern sind auch viele der Länder nicht interessiert, eine objektive Messung durchzuführen", sagt Josef Aschbacher, der bei der Weltraumagentur ESA das Erdbeobachtungsprogramm leitet.
Im Pariser Klimaschutzabkommen ist vereinbart, dass jeder Staat seinen nationalen Treibhausgasausstoß alleine berechnet. Doch wie die Länder diese Zahlen sammeln, bleibe ihnen weitgehend selbst überlassen. Und das sei einer der Gründe, weshalb viele Länder nicht anerkennen wollten, dass es eine unabhängige Möglichkeit zur Messung geben könnte. Diese unabhängige Datenquelle kreist hoch über der Erde im Orbit.
Messungen aus der Erdumlaufbahn
Schon seit über 20 Jahren messen Umweltsatelliten die Konzentration der wichtigsten Treibhausgase. Gut lässt sich erkennen, wie sie global zunehmen und je nach Jahreszeit schwanken. Wenn die Natur im Frühjahr aufblüht, sinkt der CO2-Gehalt der Atmosphäre, denn der Kohlenstoff wandert ins frische Grün. Im Herbst verrotten die abgefallen Blätter und das Treibhausgas nimmt wieder zu.
Der Bremer Umweltphysiker Michael Buchwitz leitet das Treibhausgasprojekt der Esa. Wenn er die Satellitendaten auf seinem Bildschirm zeigt, dann fällt auf, dass ein Teil der globalen Emissionen relativ schnell aus der Atmosphäre wieder verschwindet. "Derzeit wird ein Viertel des Kohlendioxids, das wir emittieren, vom Ozean aufgenommen", so Buchwitz. Ein Viertel bindet das Land, weshalb die Natur dem Menschen helfe, CO2 zu entsorgen. Doch ob das so bleibt, ist unklar: "Wir wissen nicht, ob das weiterhin der Fall ist, wenn der Klimawandel dramatischer ist." Der Umweltphysiker hält es für möglich, dass die Natur selbst zu einer Quelle für den Kohlendioxidausstoß werden könnte.
Diese globalen Veränderungen lassen sich mit Satelliten besonders gut beobachten. Schließlich nehmen sie mit ihren optischen Instrumenten innerhalb weniger Tage die gesamte Atmosphäre der Erde in den Blick. Treibhausgase wie Kohlendioxid oder Methan zeigen sich in der Analyse des reflektierten Sonnenlichts. Immer wenn es in der Luft auf eines der klimaschädlichen Moleküle trifft, fehlt anschließend ein bestimmter Frequenzbereich im Lichtspektrum. Das zu messen, ist äußerst kompliziert. Doch mit jeder neuen Satellitengeneration werden die Daten exakter; und ihre Menge, die verarbeitet und auf die Erde gefunkt werden kann, steigt rasant. Inzwischen ist es sogar möglich, einzelne Emissionsquellen aus dem Orbit zu erkennen.
Objektive Daten gegen Tricksereien
Gut ein Dutzend Satelliten messen derzeit Treibhausgase. Beim Aufspüren von Kohlendioxid sind die USA und Japan führend. Doch das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Zwei neue europäische Satelliten würden es spätestens 2026 ermöglichen, die nationalen Emissionsberichte direkt aus dem Orbit zu überprüfen, sagt ESA-Erdbeobachtungs-Chef Aschbacher: "In Summe ist das eine sehr gute Information, weil sie unabhängig und vergleichbar ist." Für ihn das stärkste Argument der Weltraumbeobachtung. "Man kann mit einer anerkannten Methode auf jedes Land unabhängig eine Zahl berechnen."
Bisher wird bei der Berechnung der nationalen Treibhausgasbilanzen gerne getrickst, zum Beispiel bei der Anrechnung von Wäldern. Dann taucht der Kohlenstoffgehalt von Bäumen in der Statistik auf, die längst gefällt wurden. Oder die Methanemissionen eines trockengelegten Moores werden nicht berücksichtigt. Nicht jeder Staat dürfte sich deshalb darüber freuen, wenn die eigenen Angaben künftig mit den Messwerten verglichen werden können, die Umweltsatelliten aus dem Orbit liefern. Um Kettensägen oder Abgasfahnen tatsächlich zu stoppen, wird Satellitenbeobachtung allein allerdings nicht ausreichen. "Wir wollen nicht Klimapolizei sein, sondern das Bewusstsein voranbringen", so Aschbacher. Aufgreifen und Handeln aber müssen andere Entscheidungsträger, die eine Politik machen, "die so ausgerichtet ist, dass damit unser Planet erhalten bleibt".
Dazu wird viel öffentlicher Druck nötig sein – die unbestechlichen Daten aus dem Orbit könnten dazu beitragen. Denn die Raumfahrtagenturen stellen sie kostenlos zur Verfügung – allgemein für jeden zugänglich.