Klimaatlas D

Die klimatischen Vorgänge im Oberrheingraben untersuchen Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachgebieten seit 30 Jahren. Ihre Beobachtungsdaten sind im Klimaatlas erstmals grenzüberschreitend dargestellt.
In der Brandenburgischen Lausitz wird es immer seltener Dauerregen geben. Der Niederschlag entwickelt sich zu kurzem Starkregen. Der Boden kann die gewaltigen Wassermengen nicht mehr aufnehmen. Wird es warm, trocknet die Erde in kurzer Zeit aus. Brandenburg verwüstet.

Hamburg ist nicht nur Stadt am Wasser sondern auch im Wasser. Häuser auf Stelzen und mit dem Boot zur Arbeit ? Die Stadt muss sich mit ihrer Planung auf den ansteigenden Meeresspiegel einstellen. Die Zahlen liegen auf dem Tisch, was tut die Politik?

Rheinland Pfalz
Von Christoph Gehrin

Noch rappeln sie in den Weinbergen, die Riesenmaschinen, mit denen die Reben gerüttelt, die Trauben abgeschüttelt und in große Kisten verladen werden. Es ist noch Lesezeit im Rheingau, in der Pfalz und am Kaiserstuhl. Wenn es eine Branche gibt, die jedes Jahr aufs Neue beerenhautnah erfahren kann, was Klimawandel bedeutet, dann sind es die Winzer – aber die müssen, zumindest in Deutschland, nicht zwangsläufig leiden unter der Erwärmung der Erde, sagt Professor Hans Rainer Schultz von der Staatlichen Forschungsanstalt Geisenheim, einer önologischen Kaderschmiede:

"Wir sehen aber ganz deutlich, wenn wir die Daten analysieren – wir haben ja eine Station vom Deutschen Wetterdienst – dass zum Beispiel die stärkste Erwärmung seit Ende des 19. Jahrhunderts – also die Daten gehen bis 1885 zurück – dass das eigentlich im August war, dass es mehr als zwei Grad im August wärmer geworden ist. Gerade die Reifemonate, also August, September, Oktober, da hat es eigentlich relativ stark zugenommen, was dazu führt, dass wir bessere Reifebedingungen haben ganz einfach."

Dass es so kommen würde, ahnten Klimaforscher schon 1995: Damals nämlich stellte die Konföderation der Oberrheinischen Universitäten die Ergebnisse ihres Regio-Klima-Projekts REKLIP vor, bei dem das Institut für Meteorologie und Klimaforschung der Universität Karlsruhe die Federführung hatte. Es war das erste Mal, dass Forscher für eine begrenzte Region so detailliert und so umfassend Sonnenscheindauer und -intensität, Lufttemperatur und –feuchtigkeit, Niederschlag, Wind, Nebel und Bewölkung aufzeichneten und auswerteten. Heute, 13 Jahre später, sieht die Klimawelt im Oberrheintal so aus: Es ist nach wie vor ein von der Sonne verwöhntes Stück Deutschland – aber es wird auch feuchter dort, was den Winzer nicht unbedingt freuen kann, sagt Professor Hans Rainer Schultz:

"Baden war immer schon einen Tick wärmer. Und zusätzlich haben Sie auch höhere Niederschläge. Und gerade dort haben Sie diese Problematik, die vielleicht in der Zukunft auftritt, die Kombination von warmen Temperaturen mit verstärkten Einzelniederschlagsereignissen. Das führt dann dazu, dass in diesen Regionen auch schneller Fäulnis sich breitmacht. Das ist so ein Szenario, das uns in Zukunft vielleicht eher beschäftigen könnte als Trockenheit."

Die Luft ist nebelfeucht, als Winzer Ulrich Allendorf aus Winkel begutachtet, was die Lesehelfer aus seinen Weinbergen zur Kelter karren.

"Hm, was steht da? Zwo, vier, sechs, acht, zehn, zwölf, vierzehn, sechzehn, achtzehn, zwanzig, zwoundzwanzig, vierundzwanzig, sechsundzwanzig, achtundzwanzig, dreißig, – vierzig. Also das sind so knapp 20.000 Liter, was jetzt hier steht."

Auch Ulrich Allendorf, dessen Familie seit 1773 Wein anbaut, kann die Klimaveränderungen an seinen Reben ablesen und reagiert darauf, wie es ein kluger Winzer, der einen Ruf zu verlieren hat, tun muss:

"Also man muss sicherlich sehr, sehr früh hingehen und sagen: Die Pflanzendichte reduzieren, dass man Blätter wegnimmt, dass man ganze Triebe rausnimmt, einfach damit mehr Platz da ist, damit die Durchlüftung in den Weinbergen besser ist und dann die Trauben schneller abtrocknen. Also Feuchtigkeit ist ein ganz, ganz großes Thema vor dem wir alle im Herbst Angst haben – die ganzen Winzer in der Welt."

Nun ist der gefühlte Klimawandel das eine, sein akademischer Nachweis etwas ganz anderes. Während die Gemeinde der Klimaarchäologen erbittert darum streitet, wie verlässlich die Annahmen über das Weltklima vor 500 Jahren sind und wie warm es seither wirklich geworden ist, schauen die praxisnahen Önologen von der Staatlichen Forschungsanstalt Geisenheim einfach auf ihre Versuchsreben. Die stehen seit Jahrzehnten an derselben Stelle, werden seit Jahrzehnten gleich behandelt und produzieren doch jedes Jahr süßere Trauben:

"Wir haben zum Beispiel einen Versuch, der angefangen hat in den 70er Jahren. Da können Sie also wirklich gucken, bei gleichem Ertrag hat sich das Mostgewicht also je nach Variante um teilweise im Schnitt 15 bis 20 Grad Oechsel verändert. Das ist ein Riesenzuwachs."

… findet Professor Hans Rainer Schultz. Die Gleichung ist einfach: Je wärmer das Wetter, desto süßer die Trauben. Sensible Weintrinker fürchten diesen Befund, denn ein höheres Mostgewicht beim Lesegut führt zu mehr Alkohol im Wein, zumal wenn er – wie es der Kundengeschmack verlangt – trocken ausgebaut werden soll, wenn also die Gärhefen möglichst viel Zucker umwandeln sollen. Das Ergebnis sind im schlimmsten Fall Weißweine mit bis zu 16 Volumenprozent Alkohol – eine Herausforderung für Weintrinker, Winzer und Weinbauforscher:

"Wir haben auch in der Mikrobiologie Hefen selektioniert, die aus der gleichen Menge Zucker effizienter Alkohol machen um die Alkoholgehalte eben früher höher zu machen. Und jetzt wären wir froh, wenn wir viele von den Hefen, die wir früher hatten, noch hätten, um aus dem gleichen Zucker eben weniger Alkohol zu machen, damit sie noch einen Kabinett machen können."

Die Winzer weichen derweil aus – in kühlere Lagen, gerne am Waldrand. So wie Ulrich Allendorf, der neue Rebstöcke ausgepflanzt hat, wo vor zwanzig Jahren nur Saures gediehen wäre:

"Wir müssten heute hingehen und sagen, die Plätze anschauen: Wo ist es ein bisschen kühler? Das ist eine Entscheidung für die nachfolgende Generation. Ich lebe heute mit meinen Top-Weinen von den Weinbergen, die mein Vater und mein Großvater angepflanzt haben. Und taktisches Denken ist in einem Weingut schon immer angesagt gewesen und wir sehen das heute in der Finanzmarktkrise: Quartalszahlen sind schön, aber taktisches, langfristiges Denken ist viel, viel wichtiger und sinnvoller."

Langfristig, glaubt Professor Hans Rainer Schultz, wird sich der Weinbau verschieben: Bisher gilt der 50. Breitengrad als Nordgrenze für den Anbau von trinkbaren Tröpfchen. So wollten es bisher die Natur – und die Europäische Union. Doch auch die wird sich dem Klimawandel zwischen Oberrheingraben und Mosel nicht entziehen können:

"Die EU-Weinbauzonierung, die wurde auf so Temperatursummenindizes also basiert die. Und die ist mittlerweile im Grunde genommen schon ad absurdum geführt. Weil diese Temperaturindizes, die Einteilungen, die damals gemacht wurden, vor vielen, vielen Jahren, die können Sie heute nicht mehr halten. Wir haben jetzt ein ausgewiesenes Weinbaugebiet in Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein hat die ersten zehn Hektar Rechte – Sie brauchen ja Anpflanzungsrechte – sich besorgt und das wird auch weitergehen. Ob das die neuen, riesengroßen Weinanbaugebiete werden, denke ich mal, ist ein ganz anderes Kapitel."


Brandenburg
Von Claudia van Laak

"Hier ist also nix mehr. Hier kommt nischt mehr, hier ist es abgestorben. Rascheln weiter."

Sommer 2006 in der Lausitz. Hans-Joachim Rossbach inspiziert das Maisfeld seiner Agrargenossenschaft in Kahren bei Cottbus. Die Erde ist ausgedörrt. Viele Maispflanzen sind bereits komplett verdorrt, andere stehen grau-grün und schlaff in der Julihitze. Fühlen Sie mal, sagt Landwirt Roßbach, wie Gummi.

"Wie sich das anfühlt hier. Da ist kein Saft mehr drin, gar nix. Die Pflanze rollt sich zusammen, schützt sich vor der Trockenheit."

Mitte Juli müssten die Pflanzen eigentlich Maiskolben ausgebildet haben. Davon ist nichts zu sehen. Käme jetzt ein kräftiger Regen, der Mais wäre trotzdem nicht zu retten. Die Pflanzen sind nicht mehr in der Lage, das Wasser aufzunehmen und Kolben zu bilden.

"Von den Inhaltsstoffen wird´s zur Folge haben, dass wir wertvolle Futtermittel zukaufen müssen, um die Wertigkeit und die Inhaltsstoffe richtig dorthin zu bringen, damit die Kühe auch die Leistung bringen, ansonsten haben wir Einbußen. Und beim Gras sieht es fast noch schlimmer aus."

Genauso beim Roggen.

Der Mähdrescher fährt über das Roggenfeld. Hans-Joachim Rossbach klettert auf den Hänger. Er greift mit der Hand in den Roggenberg, prüft die Qualität der geernteten Körner, schüttelt unzufrieden mit dem Kopf.

"Wenn man das so auf der Hand anguckt. Ein Drittel kleiner Körner, das ist der Nachteil in diesem Jahr."

Dem Dürrejahr 2006 folgte das Regenjahr 2007. Im Frühjahr stand das Wasser monatelang auf den Feldern und konnte nicht abfließen. Beide Rekordjahre entsprechen den Vorhersagen der Klimaforscher - es wird sehr viel mehr extreme Wetterereignisse auch in Brandenburg geben, sagt Friedrich Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung.

"Aber die Wasserbilanz, das ist ja wichtig, das was übrigbleibt, die ist negativ. Weil, wenn es im Sommer wärmer wird und es gibt weniger Niederschlag, verdunstet mehr. Wir verlieren also mehr Wasser als wir bekommen."

So ist der Grundwasserpegel seit der Wende um einen Meter gesunken. Klimaforscher und Umweltschützer machen zwei Forderungen auf: Brandenburgs Wälder müssen umgebaut werden - weniger Kiefern, mehr Laubbäume, die das Wasser besser speichern. Und das Wasser muss in der Landschaft gehalten werden, darf nicht über Entwässerungsgräben schnell in die Flüsse und dann in Nord- und Ostsee abgeführt werden.

"Das heißt, das, was im Winter runterkommt, muss schlicht und ergreifend auf den Feldern liegenbleiben, das muss versickern können. Das ist ein Umdenkungsprozess, besonders für die Bauern, die haben natürlich Probleme. Aber da werden wir hinkommen müssen, um unsere Wasserproblematik in den Griff zu bekommen."

Doch Brandenburgs Landwirte halten gar nichts davon, das Wasser in der kalten Jahreszeit auf ihren Feldern stehen zu lassen. Sie befürchten Ernteeinbußen - wird das Wasser nicht abgeleitet, verzögert sich die Frühjahrsbestellung. Der Sprecher des Landesbauernverbandes Holger Brantsch hält sowieso nicht sonderlich viel von den Vorhersagen des renommierten Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung.

"Institute müssen natürlich auch Werbung für sich selber betreiben. Und ich halte diese Aussagen bedingt auch für Populismus.
Klimawandel vor und zurück, es gibt nun keinen Grund zur Panikmache. Wenn sich der Klimawandel wirklich so bewahrheitet, wie ihn die Forscher voraussagen, dann wird das Schritt für Schritt, peu a peu gehen."

Und genau deshalb rät Klimaforscher Gerstengarbe Brandenburgs Bauern, sich auch peu a peu auf die Klimaveränderungen einzustellen. Auf trockenen Sandböden wie in der Lausitz sollten die Landwirte weniger Mais anbauen, der sehr viel Wasser braucht, und stattdessen vielleicht Hartweizen, der auch bei Dürre gut gedeiht. Landwirt Hans-Joachim Rossbach hält nichts von diesem Vorschlag. Ich brauche den Mais als Futter für meine 500 Kühe, sagt er.

"Die Kulturen umstellen auf wenig Wasser in Anspruch nehmende Pflanzen, sich damit zu beschäftigen, das wird nicht das Ziel sein der ganzen Geschichte, das bringt ja nichts."

Doch den Landwirten wird nichts anderes übrig bleiben als sich umzustellen, meint Matthias Freude, der Präsident des Brandenburger Landesumweltamtes. Er beobachtet mit Sorge den weiter sinkenden Grundwasserspiegel im Land und verweist auf viele eingetrocknete Seen.

"Wenn man innerhalb von wenigen Jahren im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin 13 Seen eingetrocknet hat, und auch im letzten Jahr mit unglaublich vielen Niederschlägen nur ein einziger wiedergekommen ist, dann zeigt das, das etwas aus dem Lot gekommen ist."

Und noch etwas beunruhigt den Präsidenten des Landesumweltamtes - die in Brandenburg entstehenden Flüsse führen heute nur noch halb soviel Wasser wie vor 20 Jahren.


Hamburg
Von Verena Herb

"Die Flut ist so plötzlich aufgetreten, dass wir nur noch rennen konnten zum Schluss.
Da konnten wir nur noch die nötigsten Sachen zusammenraffen, und sind dann einen Stock höher gegangen. Unten sind dann zwei Kinder in letzter Minute gerettet worden, da wurde die Tür eingeschlagen, also die haben noch geschlafen, da war das Wasser schon im Bett, und die haben se so im Nachthemd hochgetragen."

Der Sturm peitscht ungeheure Wassermengen in die Elbmündung. Trotz Ebbe tritt die Elbe über die Ufer. Deiche brechen, auch im Süden Hamburgs – in den Stadtteilen Finkenwerder und Wilhelmsburg.

Petrin: "Das liegt einfach daran: Das Gebiet ist sehr niedrig gelegen, die Deiche waren nicht hoch genug."

Das war 1962. Die große Sturmflut reißt Menschen in den Tod. Viele werden obdachlos. Man reagiert:

Petrin: "In der Folge hat man die Deiche höher gemacht. Dann gab es 1976 eine Sturmflut, die war noch mal ein bisschen höher, aber man hat gesehen: Aha, die Deiche halten."

Fasst Julian Petrin, Stadtplaner in Hamburg, die Geschehnisse zusammen. Hochwasserschutz in Hamburg bedeutet in erster Linie Schutz vor Sturmfluten. Und die lassen sich nicht vermeiden. Im Gegenteil: Der Klimawandel hinterlässt seine Spuren.

Schellnhuber: "Wir müssen uns auf einen Meeresspiegel-Anstieg um einen Meter einstellen, in diesem Jahrhundert."

Erklärt der wissenschaftliche Berater der Kanzlerin und Leiter des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Hans-Joachim Schellnhuber.

Petrin: "Nun, durch den Klimawandel prognostiziert man für Hamburg, aber auch für andere Städte, Sturmfluten, die deutlich noch mal höher werden können in den Spitzen. Und da ist natürlich die Frage: Bauen wir jetzt immer höhere Deiche?"

Nein, sagt Julian Petrin – und erhält Unterstützung von Prof. Erik Pasche, Ingenieur und Leiter des Instituts für Wasserbau an der Technischen Universität Hamburg-Harburg.

Pasche: "Solche Deicherhöhungsprogramme vor allem hier an der Küste sind sehr teuer, mit hohen Investitionen verbunden und werden sich über viele Jahre hinziehen. Das aktuelle Deicherhöhungsprogramm Hamburg ist eine Sache, die sich schon seit 20 Jahren hinzieht und wird auch noch ein paar Jahre brauchen."

Und wenn man jetzt wieder eine Deicherhöhung anpeilen würde, hieße das: noch einmal der gleiche Zeitraum – zwischenzeitlich könnte es neue Erkenntnisse geben, und die Investitionen wären falsch gesetzt, so Erik Pasche.

Pasche: "Wir müssen städtebaulich nun auch Strategien entwickeln, wie wir diese Häuser absichern können. Und da gibt es für viele Bereiche, wo der Wasserstand nicht über einen Meter kommt, die Möglichkeit, sie mit mobilen Wänden auch wieder abzudichten."

Das ist eine Strategie, sich vor Hochwasser und Sturmflut zu schützen: Schlafende Deiche einzurichten, die bei Belieben aufgefahren werden können zum Beispiel. Doch das geht dem Professor für Wasserbau nicht weit genug. Derzeit werden in dem von Hochwasser sehr gefährdeten Gebiet, der Elbinsel Wilhelmsburg im Süden der Hansestadt, viele Häuser neu gebaut, die ebenerdig stehen:

Pasche: "Das ist etwas, was wir auf gar keinen Fall empfehlen. Man sollte dann wenigstens versuchen, diese Häuser auf eine kleine Warf zu setzen, wie wir sagen. Also sprich, ein Meter höher. Also ein Schutzniveau den Häusern geben. Oder auf Pfähle stellen ... Und in manchen Bereichen sagen wir sogar: Es ist sinnvoll, mit schwimmenden Häusern zu arbeiten, die sich unmittelbar in der ersten Hauptdeichlinie befinden."

Ein Vorschlag, mit dem Pasche bei dem jungen Stadtplaner Julian Petrin offene Türen einrennt. Seine Empfehlung:

Petrin: "Schwimmende Siedlungen. Also Siedlungen, die ganz klar auf Hochwasser reagieren können. Es gibt in Holland Vorbilder, wo man versucht, inzwischen ganze Stadtteile zu konzipieren, die aufschwimmen können, wenn das Hochwasser kommt. Also Häuser, die jetzt nicht unbedingt IM Wasser stehen, aber die so befestigt sind im Boden, dass sie flexibel aufschwimmen können. Das ist zum Beispiel eine Möglichkeit, wie man das so lösen könnte ..."

Schwimmende Heime im modernen Design, die so gar nicht der traditionellen Hausbootromantik entsprechen: Floating Houses, so nennt sie Erik Paschen und kommt sogleich ins Schwärmen.

Pasche: "Und davon kann man dann ganze Hausboot-Siedlungen und Kolonien erstellen, und somit auch einen ganz anderen Charakter auch des Wohnens in einer Stadt generieren. Also wie eine Marina, wenn Sie sich so vorstellen: mit vielen Liegeplätzen, wo sie dann ihr Hausboot haben und gleichzeitig haben Sie dann noch einen Bootsanleger für ihr kleines Motorboot mit dem Sie dann über die Kanäle fahren können."

Doch da kommt der Utopie leider die Realität in die Quere: Wilhelmsburg, ein Stadtteil an der Elbe gelegen, der sich eher durch graue Hochhaussiedlungen auszeichnet... dies soll das deutsche – ein hamburgisches – Venedig werden? Zugegeben, eine verlockende Vorstellung, doch.

Petrin: "Dazu kommt in Hamburg noch eine sehr spezifische Situation: dass nämlich die Wasserflächen größtenteils – die also besiedelbar wären – sind größtenteils auch Hafengewässer. Also Industriekanäle. Das heißt, wir haben Schiffsverkehr. Und die Hafenwirtschaft sieht darin natürlich auch ne Bedrohung ihrer Hafengewässer und sagt: Mensch, hier muss ein Schiff vorbei fahren können, es muss eine Bugwelle entstehen können, und die darf nicht dazu führen, dass uns der Hausbesitzer wegklagt hier."

Und den Tidenhub – also der Unterschied des Wasserstandes zwischen Ebbe und Flut – macht den Häuslebauern und –Konzeptionisten zu schaffen.

Petrin: "Generell muss ich schon sagen, sind das Wohnformen, die ich aus heutiger Sicht schon als experimentell bezeichnen würde. Es gibt ja bekannte Stelzensiedlungen, ich glaube im Ruhrgebiet wurde mit der Meta-Stadt Wulfen auch mal ein Experiment in dieser Richtung gestartet. In Rotterdam gibt es so etwas. Das ist nie über den experimentellen Status hinausgekommen. Ich glaube, der Mensch lebt gerne auf einem Stück Scholle."

Und dennoch: Es gibt die Vision der Stadt auf dem Wasser. Städte wie Amsterdam oder Seattle im Nordwesten der USA haben es vorgemacht: Dort gibt es die schwimmenden Siedlungen. Und Hamburg muss sich als Stadt am Wasser auf die neuen Klimabedingungen einstellen – fordert der Spezialist für Wasserbau, Erik Pasche.

Pasche: "Jetzt muss man im Prinzip den Schalter umlegen, die Weiche umlegen und sagen: So, in diese Richtung müssen wir jetzt gehen. Das braucht Zeit, das kostet langfristig Geld. Aber wenn man das eben mit dieser Zeitperspektive betreibt, dann wird es eben auch ein ganz natürlicher Umstellungsprozess."

Gut Ding will eben Weile haben.