Klimaflüchtlinge in Ghana

Die Temperatur steigt immer weiter

Menschen auf Markt in Afrika stehen vor Stand.
Gemüsestand auf einem Markt in Kumasi. © dpa / picture alliance / zb
Von Nadine Kreuzahler und Christiane Meister |
In vielen Ländern Afrikas sind die Auswirkungen des Klimawandels schon spürbar. Auch in Ghana, einem Land, dem es vergleichsweise gut geht. Hier macht der Klimawandel vor allem armen Kleinbauern zu schaffen.
Kumasi, im Süden Ghanas. Auf dem größten Freiluftmarkt Westafrikas herrscht dichtes Gedränge, es riecht nach Gewürzen, Schweiß, Fisch. Rohes Fleisch liegt in der prallen Sonne, daneben frisch gefangene Schnecken, Chilischoten, frisches Gemüse, noch lebende Hühner. Mittendrin balancieren junge Mädchen und Frauen große, blecherne Schalen auf dem Kopf. Sie liefern Waren aus, das ist ihr Beruf.

"Ich hab heute erst einen Cedi verdient. Dabei bin ich schon seit fünf Uhr morgens hier."

"Meine Eltern sind Bauern, sie wollen, dass ich hier Geld für die Familie verdiene."

Die beiden Mädchen sind erst erst zehn und zwölf Jahre alt. An guten Tagen bekommen sie dafür zehn Cedi, umgerechnet weniger als 2 Euro 50. So wie die 15jährige Sumaja, die seit zwölf Stunden auf den Beinen ist:

"Heute habe ich noch nichts verdient. Ich habe Hunger. Ich habe oben im Norden auf einer Farm gearbeitet. Aber wegen der Dürre konnten wir nichts ernten. Deshalb bin ich hier. Ich habe gedacht, dass das Leben hier besser ist."

Die Zwillingsschwestern Farida und Fariya Abubakari hören ihnen zu. Sie beschäftigen sich schon lange mit der prekären Lage der Menschen, die vom armen Norden Ghanas hierher in den Süden kommen. Klimaflüchtlinge seien sie, sagen die 24jährigen Studentinnen.
Immer weniger Familien können sich von der Landwirtschaft ernähren
Fariya Abubakari: "Wir kommen selbst aus dem Norden, das ist der ärmste Teil des Landes und er ist am meisten vom Klimawandel betroffen. Das hat ernste Auswirkungen für die Bauern, ihre Ernte, ihr Leben."

Fariya und Farida Abubakari stammen aus Bawku, einer Grenzstadt zu Burkina Faso. Ihr Vater war Kleinbauer, jetzt reist er als Händler durchs Land. Ihre Mutter backt Brot und verkauft es auf dem Markt. Sie sagen, sie hätten Glück gehabt. Durch ein Stipendium konnten sie auf die weiterführende Schule und schließlich zur Uni gehen. Jetzt möchten sie etwas zurückgeben.

Farida Abubakari: "Wegen dieser Menschen studieren wir Bodenkunde. Es gibt viel umweltbedingte Landzerstörung und – ja, wir beschäftigen uns damit, um auf dem Gebiet forschen und um diesen Menschen helfen zu können."

Der Norden gilt als "Vorratskammer des Landes". Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt von der Landwirtschaft. Es sind vor allem Kleinbauern, die zum Eigenbedarf aber auch für den Verkauf Mais, Hirse, Maniok, Reis, Erdnüsse oder Gemüse anbauen. In den letzten Jahren aber nehmen die extremen Wetterlagen zu, sagt Seth Agyemang, der an der Universität in Kumasi die Folgen der Erderwärmung erforscht.

"Im Laufe der Jahre hat sich das Wetter verändert. Es ist unberechenbarer geworden. In manchen Gebieten regnet es stärker als früher, in anderen fast gar nicht mehr. Und die Temperatur steigt immer weiter."

Die Folge: Die Farmer müssen mehr Geld investieren und fahren trotzdem kleinere Ernten ein. Immer weniger Familien können sich von der Landwirtschaft ernähren.

"Wir beobachten das Phänomen, dass inzwischen viele vor den Folgen des Klimawandels fliehen."
Afrika hat am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen
Weltweit haben seit 2008 pro Jahr durchschnittlich 25 Millionen Menschen wegen Umweltkatastrophen ihre Heimat verlassen. Das geht aus Zahlen des Beobachtungszentrums für Binnenflüchtlinge, IDMC, hervor. Dazu zählen Erdbeben und Tsunamis, vor allem aber Stürme, Überflutungen und Dürren. Der Klimawandel verstärkt die Katastrophen.

Die Schwestern Fariya und Farida Abubakari wollen den Menschen helfen, die darunter leiden. Sie machen gerade ihren Master an der Universität in Kumasi. Nebenbei schreiben sie Artikel für Onlineportale und vor allem: sie bauen zwei Hilfsorganisationen auf. Eine soll Anlaufstelle für gefährdete Mädchen und Frauen sein, die andere soll Landwirte aufklären, die vom Klimawandel betroffen sind.

Wegen ihres Engagement hat das Netzwerk "The Global Call for Climate Action" Farida zur Klimakonferenz nach Paris eingeladen, als Beobachterin. Wenn es um die Folgen der Erderwärmung geht, sieht sie die Industrieländer in der Verantwortung:

Farida Abubakari: "Afrika hat am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen, aber wir sind es, die schon jetzt die Folgen spüren. Deshalb sollten die Industrieländer endlich ihre Emissionen reduzieren. Für eine stabile Welt, in der wir leben können."

Von den Verhandlungen erwarten sich die Schwestern, dass Länder wie Ghana Geld bekommen, um den Bauern im Norden des Landes zu helfen.
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