Klimaforscher fordert "ambitionierte Emissionsobergrenze"
Obwohl das Europaparlament gegen eine Verknappung von CO2-Zertifikaten gestimmt hat, könne man nicht von einem Scheitern der europäischen Klimapolitik sprechen, findet Klimaforscher Ottmar Edenhofer. Allerdings müsse der Emissionshandel in entscheidenden Punkten reformiert werden.
Marietta Schwarz: Für den CO2-Ausstoß zahlen und so die klimaschädlichen Emissionen senken, das ist, das war einmal die Idee des Emissionshandels. Als die EU dieses marktwirtschaftliche Instrument zum Klimaschutz einführte, galt es als möglicher Vorreiter für eine globale Regelung. Doch die Preise für die CO2-Zertifikate sind im Keller, gleichzeitig steigen klimaschädliche Kohlendioxidemissionen, etwa aus Kohlekraftwerken, wieder an. Und das EU-Parlament hat in dieser Woche gegen eine vorübergehende Verknappung der Zertifikate gestimmt. Nun lautet die große Frage: Wie weiter?
Ottmar Edenhofer ist am Telefon, unter anderem ist er stellvertretender Direktor und Ökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, guten Morgen!
Ottmar Edenhofer: Guten Morgen!
Schwarz: Herr Edenhofer, Tiefstpreise für Zertifikate, steigende Treibhausemissionen trotz Emissionshandel in der EU: Sind wir jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir zugeben müssen, das ist das falsche Instrument zum Klimaschutz?
Edenhofer: Nein, ich glaube, man muss das Instrument reformieren. Man muss auch sagen: Zunächst mal ist ja die Emissionsobergrenze bislang eingehalten worden; dass die Preise jetzt im Keller sind, ist der Tatsache geschuldet, dass wir sehr viel weniger Nachfrage nach Zertifikaten haben wegen der Konjunktur, weil auch aus dem sogenannten Clean-Developement-Mechanismus Zertifikate zugeflossen sind. Und als dritte Ursache, die vielleicht quantitativ ein geringeres Gewicht hat: Durch die Förderung der Erneuerbaren sind die Preise nach unten gegangen.
Also, grundsätzlich ist ja ein tiefer Preis für CO2 nichts Schlechtes, solange die Emissionsobergrenzen eingehalten werden. Man muss aber sagen, dass der Emissionshandel natürlich in ein paar Punkten reformbedürftig ist, und das muss jetzt angegangen werden. Aber jetzt von einem Scheitern der europäischen Klimapolitik zu sprechen, das ist aus meiner Sicht vollkommen übertrieben.
Schwarz: Aber ein Reformversuch ist ja gerade gescheitert, nämlich das sogenannte Backloading, das vom EU-Parlament jetzt abgelehnt worden ist, also die Herausnahme von ungefähr 900 Millionen Zertifikaten aus dem Handel. Hätte das dem Klimaschutz überhaupt weitergeholfen?
Edenhofer: Also, ich halte Backloading für keine echte, wirkliche Reformanstrengung, wir hätten dort ganz wenig Preissteigerungen gesehen. Und außerdem ist das ein Ad-hoc-Intervenieren am Markt. Man muss sich das mal umgekehrt vorstellen: Wenn der CO2-Preis gestiegen wäre und den Interessensgruppen der CO2-Preis zu hoch geworden wäre, hätten viele argumentiert, man müsse jetzt zusätzliche Zertifikate in den Markt geben, um den Preis zu senken. Ich glaube, dass solche Ad-hoc-Interventionen die Investoren verunsichern.
Und aus meiner Sicht ist jetzt die entscheidende Reformaufgabe eine dreifache: Erstens, es muss für das Jahr 2030 eine sehr ambitionierte Emissionsobergrenze angekündigt werden. Würde die angekündigt werden, dann würden sich eben auch die Investitionen in die Kohlekraftwerke nur zu einem ganz geringen Teil lohnen.
Der zweite wichtige Reformschritt muss sein, dass alle relevanten Sektoren in den Emissionshandel mit einbezogen werden, also auch der Transportsektor, der Wärmemarkt.
Und der dritte wichtige Reformschritt muss sein, dass wir den Emissionshandel so ausgestalten, dass er verlinkbar ist mit den anderen entstehenden Emissionshandelssystemen zum Beispiel in Australien und China. Das wären aus meiner Sicht echte Schritte auf eine Reform hin und das würde auch den internationalen Klimaschutz durchaus beflügeln und würde helfen, dass wir international zeigen, wie man mit vernünftigen Instrumenten Klimapolitik betreiben kann.
Schwarz: Und räumen Sie diesen Schritten Chancen ein?
Edenhofer: Wie immer sind solche Schritte jetzt kurzfristig politisch sehr unwahrscheinlich. Aber als der Emissionshandel im Jahr 2005 eingeführt worden ist, haben viele vor 2005 argumentiert, der Emissionshandel wird nie kommen, weil es ein völlig unrealistisches Projekt ist. Ich glaube, man muss zunächst einfach das Bewusstsein dafür schaffen, und ich denke, mittelfristig gibt es dafür durchaus Chancen.
Schwarz: Viele Regionen, zum Beispiel China oder Kalifornien, die sind ja dabei, den Emissionshandel nach europäischem Vorbild einzuführen. Müssten die also gleich diese drei Schritte, die Sie genannt haben, berücksichtigen, um nicht denselben Fehler zu machen wie wir?
Edenhofer: Ja. Also, das, denke ich, ist ganz entscheidend, dass diese drei wichtigen Aspekte von vornherein mit bedacht werden. Hier hatten die Europäer Lehrgeld zu zahlen und das war auch den damaligen politischen Umständen geschuldet, und man sieht ja auch, dass zumindest in China über eine solche Reform beziehungsweise über eine Neuaufstellung des Emissionshandels durchaus nachgedacht wird.
Schwarz: Es gibt ja auch einige Politiker, die fordern eine Alternative zum Emissionshandel, zum Beispiel könnte das sein ein CO2-Zoll für klimaschädliche Produkte. Was halten Sie davon?
Edenhofer: Na ja, also, ein CO2-Zoll für klimaschädliche Produkte, da sind die Hürden mindestens genauso hoch, wenn man etwa an die Vereinbarungen im Rahmen der Welthandelsorganisation denkt. Und ich sehe ehrlich gesagt da keinen großen Sinn drin, wenn man das nur auf die importierten CO2-Mengen bezieht. Denn wir haben ja in Europa und auch in Deutschland Emissionsminderungsziele, heimische Minderungsziele angesteuert, und die kann man eben nur ansteuern und erreichen, wenn man CO2 einen Preis gibt. Also, an der Tatsache, dass man also CO2 bepreist und damit Innovationen, emissionsfreie oder -arme Technologien anreizt, da gibt es keine Alternative dazu.
Schwarz: Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor und Ökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Herr Edenhofer, vielen Dank für das Gespräch!
Edenhofer: Ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Ottmar Edenhofer ist am Telefon, unter anderem ist er stellvertretender Direktor und Ökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, guten Morgen!
Ottmar Edenhofer: Guten Morgen!
Schwarz: Herr Edenhofer, Tiefstpreise für Zertifikate, steigende Treibhausemissionen trotz Emissionshandel in der EU: Sind wir jetzt an einem Punkt angelangt, wo wir zugeben müssen, das ist das falsche Instrument zum Klimaschutz?
Edenhofer: Nein, ich glaube, man muss das Instrument reformieren. Man muss auch sagen: Zunächst mal ist ja die Emissionsobergrenze bislang eingehalten worden; dass die Preise jetzt im Keller sind, ist der Tatsache geschuldet, dass wir sehr viel weniger Nachfrage nach Zertifikaten haben wegen der Konjunktur, weil auch aus dem sogenannten Clean-Developement-Mechanismus Zertifikate zugeflossen sind. Und als dritte Ursache, die vielleicht quantitativ ein geringeres Gewicht hat: Durch die Förderung der Erneuerbaren sind die Preise nach unten gegangen.
Also, grundsätzlich ist ja ein tiefer Preis für CO2 nichts Schlechtes, solange die Emissionsobergrenzen eingehalten werden. Man muss aber sagen, dass der Emissionshandel natürlich in ein paar Punkten reformbedürftig ist, und das muss jetzt angegangen werden. Aber jetzt von einem Scheitern der europäischen Klimapolitik zu sprechen, das ist aus meiner Sicht vollkommen übertrieben.
Schwarz: Aber ein Reformversuch ist ja gerade gescheitert, nämlich das sogenannte Backloading, das vom EU-Parlament jetzt abgelehnt worden ist, also die Herausnahme von ungefähr 900 Millionen Zertifikaten aus dem Handel. Hätte das dem Klimaschutz überhaupt weitergeholfen?
Edenhofer: Also, ich halte Backloading für keine echte, wirkliche Reformanstrengung, wir hätten dort ganz wenig Preissteigerungen gesehen. Und außerdem ist das ein Ad-hoc-Intervenieren am Markt. Man muss sich das mal umgekehrt vorstellen: Wenn der CO2-Preis gestiegen wäre und den Interessensgruppen der CO2-Preis zu hoch geworden wäre, hätten viele argumentiert, man müsse jetzt zusätzliche Zertifikate in den Markt geben, um den Preis zu senken. Ich glaube, dass solche Ad-hoc-Interventionen die Investoren verunsichern.
Und aus meiner Sicht ist jetzt die entscheidende Reformaufgabe eine dreifache: Erstens, es muss für das Jahr 2030 eine sehr ambitionierte Emissionsobergrenze angekündigt werden. Würde die angekündigt werden, dann würden sich eben auch die Investitionen in die Kohlekraftwerke nur zu einem ganz geringen Teil lohnen.
Der zweite wichtige Reformschritt muss sein, dass alle relevanten Sektoren in den Emissionshandel mit einbezogen werden, also auch der Transportsektor, der Wärmemarkt.
Und der dritte wichtige Reformschritt muss sein, dass wir den Emissionshandel so ausgestalten, dass er verlinkbar ist mit den anderen entstehenden Emissionshandelssystemen zum Beispiel in Australien und China. Das wären aus meiner Sicht echte Schritte auf eine Reform hin und das würde auch den internationalen Klimaschutz durchaus beflügeln und würde helfen, dass wir international zeigen, wie man mit vernünftigen Instrumenten Klimapolitik betreiben kann.
Schwarz: Und räumen Sie diesen Schritten Chancen ein?
Edenhofer: Wie immer sind solche Schritte jetzt kurzfristig politisch sehr unwahrscheinlich. Aber als der Emissionshandel im Jahr 2005 eingeführt worden ist, haben viele vor 2005 argumentiert, der Emissionshandel wird nie kommen, weil es ein völlig unrealistisches Projekt ist. Ich glaube, man muss zunächst einfach das Bewusstsein dafür schaffen, und ich denke, mittelfristig gibt es dafür durchaus Chancen.
Schwarz: Viele Regionen, zum Beispiel China oder Kalifornien, die sind ja dabei, den Emissionshandel nach europäischem Vorbild einzuführen. Müssten die also gleich diese drei Schritte, die Sie genannt haben, berücksichtigen, um nicht denselben Fehler zu machen wie wir?
Edenhofer: Ja. Also, das, denke ich, ist ganz entscheidend, dass diese drei wichtigen Aspekte von vornherein mit bedacht werden. Hier hatten die Europäer Lehrgeld zu zahlen und das war auch den damaligen politischen Umständen geschuldet, und man sieht ja auch, dass zumindest in China über eine solche Reform beziehungsweise über eine Neuaufstellung des Emissionshandels durchaus nachgedacht wird.
Schwarz: Es gibt ja auch einige Politiker, die fordern eine Alternative zum Emissionshandel, zum Beispiel könnte das sein ein CO2-Zoll für klimaschädliche Produkte. Was halten Sie davon?
Edenhofer: Na ja, also, ein CO2-Zoll für klimaschädliche Produkte, da sind die Hürden mindestens genauso hoch, wenn man etwa an die Vereinbarungen im Rahmen der Welthandelsorganisation denkt. Und ich sehe ehrlich gesagt da keinen großen Sinn drin, wenn man das nur auf die importierten CO2-Mengen bezieht. Denn wir haben ja in Europa und auch in Deutschland Emissionsminderungsziele, heimische Minderungsziele angesteuert, und die kann man eben nur ansteuern und erreichen, wenn man CO2 einen Preis gibt. Also, an der Tatsache, dass man also CO2 bepreist und damit Innovationen, emissionsfreie oder -arme Technologien anreizt, da gibt es keine Alternative dazu.
Schwarz: Ottmar Edenhofer, stellvertretender Direktor und Ökonom am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Herr Edenhofer, vielen Dank für das Gespräch!
Edenhofer: Ich danke Ihnen!
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