Klimaforschung

Was Baumringe über Hurrikans erzählen

06:50 Minuten
Deutlich sind die Jahresringe an einem Baumstamm einer Douglasie zu sehen.
Die Jahresringe eines Baumstamms sind eine Art Archiv: Das nutzen US-Wissenschaftler bei der Erforschung von Hurrikans. © picture alliance / dpa / Patrick Pleul
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Bald beginnt wieder die alljährliche Hurrikan-Saison. Weil erst seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts Buch über ihre Häufigkeit und Stärke geführt wird, untersuchen US-Forscher Bäume – um die längerfristige Veränderung dieser Stürme zu verstehen.
1. September 2017 – die Ausläufer des Hurrikans Harvey fegen über den US-Bundesstaat North Carolina hinweg. Genau ein Jahr später kommt es für North und South Carolina noch schlimmer: Beide liegen diesmal genau in der Einzugsschneise von Hurrikan Florence im September 2018.
„Wenn ein Hurrikan auf Land trifft, bringt er Unmengen an Regen mit sich. Und je langsamer er sich bewegt, desto länger regnet es über ein und derselben Stelle“, erklärt Valerie Trouet. Sie ist Paläoklimatologin am Labor für Baumringforschung der Universität von Arizona in Tucson.

Schäden durch andauernden Niederschlag

„Genau das ist 2017 mit Harvey und 2018 mit Florence passiert: Sie sind nur sehr gemächlich über das Festland gezogen. Deswegen haben sie den meisten Schaden durch andauernden Niederschlag verursacht“, erzählt sie.
Dort, wo es keine zubetonierten Ortschaften gibt, sind die beiden US-Bundesstaaten North und South Carolina größtenteils auf Sand gebaut. In ihm fließt Regenwasser schnell ab. Ein Großteil der Wälder auf diesem sandigen Boden besteht aus Sumpfkiefern.
Dieser Baumtyp verfügt nur über flaches Wurzelwerk, das nicht tief in den Boden reicht und deswegen meistens nicht bis zum Grundwasser vordringt. „Aber große Mengen Niederschlag sorgen für einen höheren Wasserspiegel. Bei starkem Regen wachsen die Bäume also, da ihre flacheren Wurzeln nun bis hinunter ins Grundwasser reichen,“ sagt Justin Maxwell.
Er ist Klimatologe an der Indiana University in Bloomington. Zusammen mit Valerie Trouet hat er die Sumpfkiefern in North und South Carolina untersucht.

„Bäume mögen starken Regen“

Für das Wissenschaftlerteam steht fest: Wirbelstürme sind Wachstumsbeschleuniger. Nur sie führen genug Regen mit sich, damit der Wasserspiegel sich hebt.

Bäume mögen starken Regen. Genau dann bilden sie nämlich ihre Jahresringe. Wir haben uns einen speziellen Teil dieser Baumringe näher angesehen, das Spätholz. Es hat sich gezeigt, dass die Breite des Spätholzanteils in den Jahresringen abhängig ist von der Regenmenge, die in dem Zeitraum gefallen ist.

Valerie Trouet

Dazu hat das Forscherteam den Spätholzanteil der Baumringe mit Hurrikan-Aufzeichnungen verglichen, die bis ins Jahr 1948 zurückreichen. Dabei bestätigt sich: Immer dann, wenn ein Hurrikan mit viel Regen über die beiden Staaten gezogen ist, waren die Spätholzringe dicker. Sumpfkiefern können leicht 300 Jahre alt werden.
Was verraten ihre Jahresringe also über die Häufigkeit von Hurrikans seit dem Jahr 1700? „Wir haben herausgefunden, dass wir seit 1990 die Jahre mit dem meisten Niederschlag erleben, mehr als zu jeder anderen Zeit seit 1770“, sagt Justin Maxwell.
Übertragen sie die Breite der Baumringe auf die Regenmenge, kommen die Forscher heutzutage auf 60 bis 120 Millimeter mehr Niederschlag als im frühen 18.Jahrhundert.

Langsamere Hurrikans, mehr Überschwemmungen

„Das heißt nicht, dass es heute mehr Hurrikans gibt. Aber wenn sie auftreten, bewegen sie sich langsamer. Sie hängen länger über einer Stelle und überfluten diese mit ihrem Niederschlag. Deswegen gibt es heute mehr Überschwemmungen als vor 300 Jahren“, sagt Valerie Trouet.
„Und dafür gibt es einen Grund“, ergänzt Justin Maxwell. „Tropische Wirbelstürme werden von den globalen Windsystemen angetrieben. Da unser Planet sich erwärmt, blasen diese Winde immer schwächer.“
Seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts ist die Geschwindigkeit der Winde weltweit um ein Zehntel zurückgegangen. Diese Untersuchungsergebnisse ihrer Kollegen hält Nicole Davi von der Abteilung für Umweltwissenschaften der Universität von New Jersey für nachvollziehbar.
Jedoch macht die Paläoklimatologin zwei Einschränkungen. Zum einen würden die Spätholzringe nichts darüber aussagen, wie viele Hurrikans es in einem Jahr gegeben habe.

Weiter detaillierte Forschungen nötig

„Sie haben nicht die Anzahl tropischer Wirbelstürme pro Hurrikan-Saison untersucht. Anhand des Spätholzes konnten meine Kollegen über das gesamte Lebensalter des Baumes lediglich die Niederschlagsmenge in jedem Jahr nachweisen“, erklärt sie. „Natürlich ist es möglich, dass der meiste Regen des Jahres während eines einzelnen Hurrikans fiel.“
Daraus zu schließen, dass Bäume Nutznießer des Klimawandels seien, weil sie besser wachsen und mehr Holz produzieren würden, wenn es viel regnet – das sei wohl zu kurz gedacht, schränkt Nicole Davi ein.

Wir betrachten hier nur eine einzelne Baumart an der amerikanischen Ostküste. Aber das heißt nicht, dass andere Bäume auch besser wachsen, je mehr Wasser sie bekommen. Die Geologie des Bodens ist manchmal auf kleinstem Raum sehr unterschiedlich. Außerdem vertragen viele Bäume kein Salzwasser, das Hurrikans oft landeinwärts tragen. Wir müssen also weiter daran arbeiten, ein Ökosystem als Ganzes zu verstehen.

Nicole Davi

So haben die Paläoklimatologen also noch einige Fragen zu beantworten, und ihre Arbeiten gehen erst einmal weiter – denn der nächste Hurrikan, der kommt bestimmt.
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