Nicht nur Rinder sind Methanschleudern
Nach Angaben des Umweltbundesamtes ist das Klimagas Methan rund 25-mal klimaschädlicher als CO2. Über ein Drittel der weltweit ausgestoßenen Menge an Methan stammt direkt oder indirekt aus der Viehhaltung. Doch Nutztiere sind nur eine Quelle des Übels.
Es soll wärmer werden! Nicht nur weil der Sommer naht, sondern wegen der Rinder. Diese scheiden wie alle Wiederkäuer Methan aus. Angesichts einer Milliarde Rinder in der Obhut des Menschen, von denen jedes Tier Tag für Tag jeweils gut 100 g des Treibhausgases ausatmen,1,2 kommt übers Jahr ein erkleckliches Sümmchen von 50 Millionen Tonnen zusammen. Je wärmer es wird, so wollen Forscher nun herausgefunden haben, desto minderwertiger würden die Futterpflanzen. Dann müssen die Kühe noch mehr fressen. Daraus folgt, dass sie noch mehr Methan ausstoßen – ein Teufelskreis.3,4
Das Gegenteil trifft eher zu: Je wärmer eine Region, desto produktiver ist sie – denn Wärme befördert das Wachstum, die Pflanzen können ihre Früchte und Samen reichhaltiger mit Nährstoffen bestücken. Da es in den Tropen keinen Winter gibt, reifen dort im Jahr gleich drei Ernten heran. Je weiter wir nach Norden gehen, desto magerer ist der Ertrag der Äcker und Weiden. Zudem nehmen die Rinderbestände der Welt nicht zu, sondern bleiben seit Jahren konstant.5
Wenn kein Nutzvieh da wäre, erzeugten wilde Wiederkäuer Methan
Nach Angaben der Welternährungsorganisation machen Weiden über 60 Prozent der gesamten agrarischen Nutzfläche auf dieser Erde aus, also Flächen für die es keine andere Nutzung gibt als die Erzeugung von Futter.6 Bevor dort Nutzvieh grasen durfte bzw. das gemähte Gras als Heu oder Silage verfüttert bekam, weideten dort wilde Wiederkäuer wie Bison, Karibu oder Auerochs. Die riesigen Bisonherden, die einst durch die Prärie zogen, haben fast genauso viel Methan erzeugt, wie heute die Rinder in den USA.7 Verschwinden die Rinder, vermehren sich wieder die Herden der Bisons oder Wildschafe. Bleiben sie aus, gibt’s Buschbrände, die noch mehr Methan in die Atmosphäre blasen.8
Egal ob ein Rind viel oder wenig Milch gibt, es produziert immer gleich viel Methan.9 Wer den Methanausstoß senken will, sollte in Ländern mit ausgemergelten heiligen Kühen für bessere Rassen und gute Fütterung sorgen. Sie sättigen mehr Menschen, produzieren aber nicht mehr "Klimagase". Allein durch den züchterischen Fortschritt ist die Methanmenge pro Kilo Fleisch oder Käse seit Mitte des letzten Jahrhunderts um etwa 2/3 gesunken.10
Neben den Wiederkäuern produziert eine ganz andere Sorte von Lebewesen reichlich Methan. Es sind die Termiten, ebenfalls begehrte Speisetiere, die wie Rinder Cellulose aufspalten können. Termiten produzieren global geschätzte 20 Millionen Tonnen Methan. Daneben gibt’s noch weitere Insekten, die ebenfalls Methan freisetzen, deren Beitrag aber noch unbekannt ist.11,12
Auch in den Reisfeldern lauern Gefahren
Dazu gesellen sich Legionen von Mikroben, die den Kreislauf des Methans steuern und ihre Schatten über die Pflanzenkost werfen.13 Denn wer glaubt, mit einem Pilz-Risotto das Klima zu retten, täuscht sich. Das Bodenleben der Reisfelder emittiert global betrachtet genauso viel Methan wie die Rinder dieser Welt.14 Natürlich hat auch hier die Anbautechnik Einfluss auf die Emissionen: Mit Düngung durch Reisstroh steigt die Methanproduktion – mit Nitratdünger sinkt sie.15 Auch durch schnelles Trockenlegen der Reisfelder lassen sich die Emissionen senken. Leider werden dann vermehrt Stickoxide freigesetzt – ebenfalls Klimagase.14
In Australien suchten Umweltschützer nach einem Ausweg aus diesem Dilemma. Zunächst wurde Soja als Alternative erwogen, das in Australien ein günstiges Klima vorfindet. Doch die Idee wurde schnell aufgegeben, als klar wurde, dass die Pflanze fast so viel Wasser benötigt wie Baumwolle. Die Lösung lieferten die Kängurus. Weil sie nur 1/4 so viel Methan ausgasen wie Rinder,16 konvertierten viele Umweltschützer zum Kangatarian: Sie braten sich Kängurubuletten statt Rindswürstchen.17
Wer etwas gegen das Methan unternehmen will, sollte nicht bei Reis und Rindern stehenbleiben. Sümpfe, Moore und Seen setzen viel mehr Methan frei als die Reisfelder.18 Aus dieser Perspektive wäre das von Umweltschützern kritisierte Trockenlegen von Sümpfen in Südostasien für Ölpalmen-Plantagen ein löbliches Tun.
Es ist ja das Schöne an der Ökologie: jeder kann sich seinen Blickwinkel aussuchen, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten. Mahlzeit!
Literatur:
- Connors S: How much methane does a cow actually produce? MuchAdoAboutClimate vom 1. Oct. 2014
- Pradhan R: Do cows contribute more to global warming than cars? ScienceABC.com retrieved 4.4. 2017
- Anon: Rinder könnten mehr Methan produzieren. Spiegel Online 27. März 2017
- Lee MA et al: Forage quality declines with rising temperatures, with implications for livestock production and methane emissions. Biogeosciences 2017; 14: 1403-1417
- Statista: Number of cattle worldwide from 2012 to 2016. Statista.com https://www.statista.com/statistics/263979/global-cattle-population-since-1990/
- Food and Agriculture Organization of the United Nations: Grasslands, rangelands and forage Crops. http://www.fao.org/agriculture/crops/thematic-sitemap/theme/spi/grasslands-rangelands-and-forage-crops/en/
- Hristov AN: Historic, pre-European settlement, and present-day contribution of wild ruminants to enteric methane emissions in the United States. Journal of Animal Science 2012; 90: 1371–1375
- Goldammer JG et al: Vegetation fires and global change. Challenges for concerted international action. A White Paper directed to the United Nations and International Organizations. In: Planet@Risk 2015; 3(1): 45-57
- Hristov A: reducing the emissions intensity of livestock production. Global Research Alliance on Agricultural Greenhouse Gases, Livestock Research Group 2015
- Wahlquist AK: Eating beef: cattle, methane and food production. Asia Pacific Journal of Clinical Nutrition 2013; 22: 16-24
- McGinnis DF et al: Porewater methane transport within the gas vesicles of diurnally migrating Chaoborus spp.: An energetic advantage. Scientific Reports 2017; 7: e44478
- Platthaus M: Insektenlaven verstärken die Klimaerwärmung. Laborpraxis Online vom 22. März 2017
- Murrell JC: The microbial methane cycle. Environmental Microbiology Reports 2009; 1: 279-284
- Khalil MAK et al: Emissions of greenhouse gases from rice agriculture. Report, July 16, 2009; United States. (digital.library.unt.edu/ark:/67531/metadc929925/)
- Welte CU et al: Nitrate- and nitrite-dependent anaerobic oxidation of methane. Environmental Microbiology Reports 2016; 8: 941-955
- Madsen J, Bertelsen MF: Methane production by red-necked wallabies (Macropus rufogriseus). Journal of Animal Science 2012; 90: 1364–1370
- Grant E: Sustainable kangaroo harvesting: Perceptions and consumption of kangaroo meat among university students in New South Wales. Independent Study Project (ISP) Collection 2014; Paper 1755
- Laanbroek HJ: Methane emission from natural wetlands: interplay between emergent macrophytes and soil microbial processes. A mini-review. Annals of Botany 2010; 105: 141–153
Anmerkung: Die Quellen des Methans sind ein Puzzlespiel, bei dem noch viele Teile fehlen. Und ob die Teile, die vorhanden sind, auch wirklich dazugehören, ist ebenfalls strittig. Soweit Messergebnisse verfügbar sind, unterliegen sie naturgemäß starken Schwankungen, die potentiellen Einflussfaktoren sind Legion. Daraus werden mit aufwendigen Extrapolationen globale Prognosen errechnet, die mit den gewählten Prämissen stehen und fallen. (siehe z.B. Jardine CN et al: methane uk. Environmental Change Institute, University of Oxford 2004)
So ist es wenig verwunderlich, dass sich die jeweiligen Anteile der Methanquellen seit Jahrzehnten kontinuierlich verändern. Während sich natürliche Quellen wie Termiten – zumindest statistisch – immer mehr aus dem Staub machen, also schnell mal zig Millionen Tonnen aus den Bilanzen entschwinden, steigen die Methan-Emissionen des Nutzviehs bedrohlich an, obwohl die globalen Tierzahlen der Wiederkäuer (Schafe und Rinder) seit Jahren nur minimalen Schwankungen unterliegen. Zugleich fehlt in den Statistiken gewöhnlich der Anteil der Wildtiere.
Früher wurde auch dem Reisanbau eine führende Rolle zugeschrieben, nun lösen sich die Emissionen der Reisfelder immer mehr in der dünnen Luft der Extrapolationen auf. Gleichzeitig dominieren aber die "Wetlands" in den Methan-Bilanzen, also Moore, Sümpfe und Gewässer vom Stausee bis zum Ozean. Dazu kommen viele weitere Quellen, deren Bedeutung unbekannt ist. Allein die Insektenwelt ist dank ihrer Masse noch für viele Überraschungen gut. So senken, wie sich erst unlängst zeigte, Mistkäfer die Emissionen des Rinderdungs.
Dazu kommt die Beobachtung, dass der Gehalt an Methan in der Atmosphäre je nach Messung mal zunimmt und mal nicht. Siehe hierzu den Beitrag im Deutschlandfunk über "Rätselhaftes Methan".