Klimagipfel

Warschauer Koma

Von Joachim Wille |
Die Ergebnisse der Warschauer Klimakonferenz sind mickrig, genauso wie die Chancen darauf, dass auf dem nächsten Klimagipfel 2015 in Paris ein neuer globaler Klimavertrag geschlossen wird. Es gibt nur noch einen Ausweg: Die Umweltschützer müssen die Zivilgesellschaften mobilisieren, meint Journalist Joachim Wille.
Wer sagt denn, dass Klimagipfel nichts bringen? Ein paar tausend Euro haben die 10.000 Teilnehmer der Warschauer Konferenz in dieser Woche für die Opfer der Taifun-Katastrophe gespendet, die just zu Gipfelbeginn über die Philippinen hereinbrach. Münzgeld und meist kleine Scheine steckten sie in Sammelkästen, die eine Hilfsorganisation am Eingang zum Tagungszentrum aufgestellt hatte. Es war Geld, das beim Bezahlen am Kaffeestand übrig geblieben war, polnische Sloty, die die Delegierten nicht mehr brauchen, wenn sie jetzt wieder zurück in ihre 196 Heimatländer fliegen.
Ein paar tausend Euro – das ist peinlich. Peinlich wenig. Aber das Ergebnis passt perfekt. Nicht für die Opfer der Katastrophe natürlich, für die reichen auch die zig Millionen nicht, die sonst weltweit von Bürgern und Regierungen gespendet worden sind. Aber es passt, weil es ein Sinnbild ist für das Auseinanderklaffen zwischen den hohen Ambitionen der Klimaverhandler und den mickrigen Ergebnissen, die sie zustande bringen.
Seit über 20 Jahren, seit dem Erdgipfel von Rio 1992, arbeiten sie daran, das Weltklima zu stabilisieren. Doch seit Rio ist der Ausstoß von CO2 nicht gesunken. Er ist um 61 Prozent angestiegen, und der Zuwachs erreichte im letzten Jahrzehnt sogar neue Rekorde, denn die boomenden Schwellenländer wie China kopierten das alte Model der Industriestaaten: Erst reich werden, egal wie, und dann, vielleicht, etwas für die Umwelt tun. Das Zwei-Grad-Limit bei der Erderwärmung ist fast schon Makulatur.
Resignation geht nicht
Der Der Warschauer Gipfel beschäftigte sich mit dem Umrücken der Stühle auf der Titanic. Es gab ein Geschacher um Zeitpläne, Prozeduren und „Mechanismen“, man weigerte sich, konkrete Zusagen zu machen. Dass die Industrieländer Australien und Japan die Plattform nutzten, um ihre nicht einmal ausreichenden CO2-Ziele in die Tonne zu treten, vergiftete das Verhandlungsklima; die Entwicklungsländer fühlten sich düpiert. Und all das fand auch noch in einem gespenstischen Setting statt. Gipfelgastgeber Polen hatte Energie- und Industriekonzerne eingeladen, als Sponsoren für den Klimagipfel aufzutreten, hofierte gar die Kohlebranche. Hätten Greenpeace und Co. mit ihrem demonstrativen Auszug aus der Konferenz nicht die Reißleine gezogen, die Farce wäre perfekt gewesen.
Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Der Warschauer Klimagipfel freilich hat sie schon mal ins Koma befördert. Es ist eine bittere Erkenntnis: Die Chancen, dass 2015 endlich ein neuer globaler Klimaschutz-Vertrag mit radikalen Zielen entsteht, das „Paris-Protokoll“ als Nachfolger für „Kyoto“, sind mit dem Warschauer Debakel stark gesunken.
Und nun? Resignation? Das geht nicht. Die einzige Chance ist es, den Klimaschutzprozess von unten neu aufzubauen. Es gibt Vorreiterländer, deren Modell einen weltweiten Trend setzen wird, wenn es denn funktioniert. Deutschland mit seiner „German Energiewende“ ist vielleicht das wichtigste. Die neue Merkel-Regierung darf sie nicht abwürgen. Hoffnung macht aber ausgerechnet auch China. Das Land investiert gewaltig, um globale Nummer eins bei Wind- und Solarenergie zu werden, und es gibt Anzeichen, dass es seinen Kohle-Ausbaukurs zumindest bremst. Nicht nur wegen des Klimas, sondern vor allem, weil die Luft in Chinas Metropolen sonst endgültig unatembar wird. Und sogar die USA, die eingeborenen Energieverschwender und notorischen Klimakiller, fahren plötzlich ihren CO2-Ausstoß herunter.
Das alles sind keine Selbstläufer. Nicht nur in Deutschland, von Australien über China und Japan bis USA, tobt eine gewaltige politische Schlacht um den Umbau des Energiesystems. Denn die „alten“ Energiekonzerne und Industrien kämpfen mit Macht dagegen. Die Umweltschützer, die in Warschau ausgezogen sind, haben erkannt: Es gibt nur eine Chance, sie und die Politiker aufzuhalten, die ihre Wünsche erfüllen wollen: Nämlich mit einer Mobilisierung der Zivilgesellschaft gegen die Energiewende-Bremser in den eigenen Ländern – so wie in Deutschland nach Fukushima. Ob ihnen das gelingt, ist die spannende Frage. Wenn ja, dann werden auch künftige Klimagipfel wieder etwas bringen, nicht nur ein paar Sloty.
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