Klimakrise in den Medien

Ein sehr beängstigendes Thema

20:28 Minuten
Eine Illustration von einem Globus als Ballon und einer Hand, die sich mit einer Stecknadel nähert.
Das Publikum klickt zwar gern Artikel über die Klimakrise, verweilt aber nur kurz bei ihnen, sagt der Journalismusforscher Wolfgang Blau. © imago images / fStop Images / Malte Müller
Moderation: Vera Linß und Marcus Richter |
Audio herunterladen
"Aktivismus", "Grünen-Werbung" – wer über die Klimakrise berichtet, wird oft mit Vorwürfen konfrontiert. Dabei sind die Folgen der Erderwärmung nicht zu leugnen. Um das allen klarzumachen, müssen Berichterstatter zu Klimajournalisten werden.
Hochwasser, Brände, Dürre: Obwohl die Klimakrise schon seit Jahrzehnten bekannt ist, rückt sie dieser Tage besonders ins Bewusstsein. Zunehmend wird auch darüber diskutiert, welche Rolle die Medien in dem Diskurs spielen. Leisten sie genug, um die Tragweite des Klimawandels ins Bewusstsein der Menschen zu bringen?
Nein, findet zum Beispiel die Klimajournalistin Sara Schurmann, die im vergangenen Jahr einen offenen Brief mit der Forderung veröffentlicht hat: "Nehmt die Klimakrise endlich ernst!" Sie sieht es als Problem, dass das Thema Klima oft nur eines unter vielen betrachtet werde und damit auch in Konkurrenz zu anderen Themen stehe. Dabei müssten die Erkenntnisse eigentlich in die Berichterstattung aller Bereiche einfließen.
Schurmann vergleicht das mit der Coronapandemie. Dort hätten sich Journalistinnen und Journalisten aus allen Redaktionen in das Thema eingearbeitet, weil das Virus alle Bereiche des Lebens berührt.

Warum wird über die Klimakatastrophe nicht wie über Covid berichtet?

So sieht das auch auch Wolfgang Blau. Der Journalist und Medienmanager war bis Herbst 2020 verantwortlich für die Auslandssparte des Verlags Condé Nast International, seit November ist er Gastforscher am Reuters Institute for the Study of Journalism. Blau fordert zudem, dass mehr Grundwissen über die Klimakrise vermittelt wird. Vorbild könne etwa der Sportjournalismus sein, bei dem nicht mehr alle Spielregeln Fußball-Regeln nicht erklärt würden, weil sie inzwischen zum Allgemeinwissen zählten. Doch:
"Beim Klimajournalismus kann fast nichts vorausgesetzt werden. Trotzdem sind die meisten Texte so geschrieben, wie wenn es auch dort schon dieses Allgemeinwissen gäbe."
Deshalb wünscht Blau sich, dass wichtige Kennzahlen und Begriffe in der Klimaberichterstattung verständlich formuliert und immer wiederholt werden – ähnlich wie es bei Covid geschehen sei. So entstehe ein verlässliches Gerüst mit erwartbaren Handlungssträngen in einem nachvollziehbaren Muster.
Dass so etwas bisher fehle, mache es "als Leserin oder Leser sehr schwierig, dieses mentale Gerüst zu bauen, in das sich jede neue Geschichte oder Information einfügen kann. Und es lädt auch nicht zur Wiederkehr ein, weil ich nicht das Gefühl habe, meine Grundbildung im Laufe der Zeit ausbauen zu können."

Niemand will sich die große Gefahr so deutlich machen

Wolfgang Blau hat aber auch eine Erklärung dafür, weshalb sich viele Menschen nicht in das Thema einarbeiten möchten – sowohl auf der Seite der Medien, aber auch beim Publikum, das zwar Artikel über die Klimakrise klickt, aber nur nur kurz bei ihnen verweilt: "Das Thema ist einfach sehr beängstigend und sehr überwältigend."
Sara Schurmann hat persönlich eine ähnliche Erfahrung gemacht, als sie begann, sich intensiver mit der Klimakrise zu befassen: "Ein großer Teil davon ist tatsächlich psychologische Verdrängung. Also dass man sich damit wirklich nicht genau beschäftigen möchte. Es gibt sicherlich viele Journalistinnen, die seit Jahrzehnten davor warnen. Aber was das dann für unser Leben bedeutet, das möchte man sich nicht so richtig bewusst machen."
Das zeigt auch: Auch wenn man die Krise nicht leugnet, kann es schwer sein, sich intensiv mit ihr zu befassen. Deswegen ist es wichtig, Angebote so zu gestalten, dass sie die Leute da abholen, wo sie sind und zu berücksichtigen, dass das Leugnen großer Probleme etwas ist, das Menschen innewohnt.

Die Grenze zum Aktivismus ziehen

Es gibt aber noch einen weiteren Punkt, weshalb nur halbherzig über den Klimawandel berichtet wird. Und das ist der Vorwurf des Aktivismus. Wolfgang Blau berichtet, dass er sich in dutzenden Nachrichtenorganisationen umgehört habe und immer wieder hätten Journalistinnen und Journalisten befürchtet, dass ihnen Aktivismus vorgeworfen würde, wenn es ums Klima geht.
Weshalb das Aktivismus sei, darauf habe jedoch niemand eine Antwort geben können. Dabei sieht Blau dieses Dilemma als durchaus lösbar: Nachrichtenorganisationen müssten die Grenzen von Berichterstattung einfach klar definieren. Er hat sogar schon Vorschläge wie:
"Ein Indiz für Aktivismus kann sein, keine verschiedenen Optionen anzubieten, obwohl diese existieren. Ich finde, es ist eine Sache, ob ich schreibe: Wir müssen dringend auf die Klimakrise reagieren. Da wüsste ich jetzt nicht, was die Optionen sind, die ich auch noch aufzeigen soll im Interesse der Balance. Es ist ein anderes Thema, wenn ich schreibe: Die einzige Antwort auf die Klimakrise ist Technologie XY. Ich finde, immer wenn Optionalität verschwindet, muss ich schon mal genauer hingucken, ob ich da jetzt eigentlich Aktivismus betreibe oder nicht."
Fazit also: Wenn es keine Optionen zur Berichterstattung gibt, weil die Klimakrise einfach da ist, dann ist es auch kein Aktivismus, darüber zu berichten.
(hte)
Mehr zum Thema