Sich Gutes tun und der Welt dabei nicht schaden
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Wer angesichts der Klimakrise vor allem Selbstbeschränkung fordert und eine Abkehr vom Hedonismus, sollte den antiken Philosophen Epikur lesen. Man kann bei ihm lernen, dass Lust und Mäßigung kein Widerspruch sein müssen.
"Wenn ich auf so einem Markt bin und da steht so ein schöner Würstchenstand und es ist kalt und dann hab ich in mir plötzlich so einen Appetit auf so eine schöne, heiße, knackige Wurst."
"Ich merk‘s halt beim Einkaufen, wenn man auf etwas Lust hat, das in Plastik verpackt ist."
"Es ist immer eine schwierige Frage: Soll ich jetzt lieber der Welt etwas Gutes tun oder eher mir was Gutes tun?"
"Flugscham ist schon auch ein Ding bei mir, definitiv".
Das gesellschaftliche Bewusstsein über die Ursachen und Folgen des Klimawandels wächst. Immer mehr Menschen entwickeln das Bedürfnis, in ihrem Alltag zum Schutz der Umwelt beizutragen – oder zumindest weniger zu ihrer Zerstörung. Dieser Wunsch kann jedoch leicht in Konflikt mit einem anderen Anliegen geraten, das die Philosophen schon in der Antike beschäftigt hat: Dem Wunsch, ein lustvolles Leben zu führen.
Lust ist leicht verfügbar
Eine lust- oder auch genussorientierte Lebensführung wird alltagssprachlich Hedonismus genannt. Die philosophische Strömung dahinter steht aber keinesfalls für ein egoistisches Leben im Exzess, sondern bei manchen Vertretern sogar für das Gegenteil. Einer davon ist der griechische Philosoph Epikur. Was die hedonistische Lehre Epikurs auszeichnet und wie sich in einer Lebensführung nach Epikur das Streben nach Genuss mit umweltbewusstem Handeln vereinen lassen könnte, erklärt der Philosoph Christof Rapp von der Ludwig-Maximilians-Universität München:
"Bei Epikur ist das Besondere am Hedonismus, dass er im Grunde nur zwei Zustände zulässt, nämlich Lust – und das Gegenteil, Unlust. Das hat eine ganz wichtige Konsequenz, denn wenn die Abwesenheit von Unlust schon Lust ist, dann ist es relativ einfach, Lust zu erreichen."
Dieser Gedanke ist zentral für Epikurs Hedonismus. Lust ist leicht verfügbar. Denn Lust bedeutet für den Philosophen der Antike erst einmal nur Freiheit von Schmerz. Wenn wir feststellen, dass ein Gut, das wir begehren, nur schwer verfügbar ist, kann das, Epikur zufolge, schon ein Zeichen dafür sein, dass wir es eigentlich gar nicht brauchen.
"Die natürlichen, die notwendigen Bedürfnisse sind relativ einfach zu befriedigen. Epikur spricht davon, dass wir eben auch Gerstensuppe und Brot und Wasser zu uns nehmen können, und das befriedigt die notwendigen Bedürfnisse. Alles andere, alle anderen Bedürfnisse, kommen aus unserer Ansicht darüber, was wir haben sollen. Also wir generieren durch unsere, wie er denkt, falschen Meinungen, Bedürfnisse. Und diese künstlichen, artifiziellen Bedürfnisse sind dann die, die schwierig zu befriedigen sind, und dann einen aufwändigen Lebensstil erforderlich machen. Dieser aufwändige Lebensstil ist eben auch schwer zu bedienen, zu finanzieren, der hat erhebliche Nebenfolgen."
Der Exzess hat Nebenwirkungen
Hier kommt das Klima ins Spiel oder konkret: Der CO2-Ausstoß des neuen SUVs. Der hat die Philosophen damals in Athen zwar noch nicht interessiert, lässt sich aber im hedonistischen Kalkül als unerwünschte Nebenfolge verbuchen. Damit führt uns der neue SUV nicht nur weg vom Ziel des Klimaschutzes, sondern auch von der Glückseligkeit, denn, so Christof Rapp:
"Diese Bemühungen darum, sich einen aufwendigen Lebensstil leisten zu können und mit den unerwünschten Nebenfolgen zurechtzukommen, sind die Ursache für eine Beunruhigung der Seele, die eben für Epikur der wichtigste Faktor in unserem Unglück ist."
Für langfristige Glückseligkeit reicht nämlich auch für Epikur die Freiheit von Schmerz allein nicht aus. Was wir brauchen, um ein erfülltes, lustvolles Leben zu führen, ist sogenannte Ataraxie, Seelenruhe. Wenn wir falsche Ansichten darüber haben, was notwendige und was, wie Epikur sagt, leere Bedürfnisse sind, wenn wir uns abhängig machen von schwer verfügbaren Luxusgütern, deren Beschaffung negative Nebeneffekte hat, dann ist unsere Seele beunruhigt und wir nicht wirklich glücklich.
"Der Weise, die weise Person nach Epikur zeichnet sich vor allen Dingen dadurch aus, dass sie weiß, dass die Lust leicht verfügbar ist. Nämlich dann, wenn man sich eingeübt hat, sich mit einfachen Dingen zufriedenzugeben. Man kann sich zum Beispiel nach Epikur für Lustempfindungen durch Verzicht sensibilisieren."
Übersetzt in die Gegenwart heißt das: Es lebt sich gelassener und lustvoller, wenn wir unsere Bedürfnisse reflektieren und mäßigen, statt unsere Zeit und unser Geld in immer neue Güter zu investieren, wie etwa in teure und schmutzige Autos. Indem wir die einfachen Dinge wiederentdecken, kann uns vielleicht gelingen, was auf den ersten Blick häufig widersprüchlich scheint: dass wir uns etwas Gutes tun, ohne der Welt dabei zu schaden.