Hamburg-Rahlstedt macht es vor
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Der Friedhof in Hamburg-Rahlstedt ist der erste klimaneutrale Friedhof Deutschlands. Manches kann die Friedhofsverwaltung aber nicht beeinflussen. Eine Urnenbestattung etwa braucht enorm viel Energie und bringt Umweltgifte mit sich.
Matthias Habel hat eine Mission. Und die wird die Ruhe auf dem Friedhof in Hamburg-Rahlstedt irgendwann perfekt machen. Hinter dem Friedhof-Chef surrt ein kleiner Laster über die gepflegten Gehwege zwischen den Grabsteinreihen. "Das ist der so genannte Kranzwagen. Mit dem werden die Kränze bei den Beerdigungen vorweg gefahren und dann zum Grab gebracht."
Konkurrenz unter Friedhöfen
Und dieser Kranzwagen fährt elektrisch, mit Energie von einem Ökostromanbieter. Matthias Habel leitet den Rahlstedter Friedhof schon seit 2005. Damals war er gerade Mitte 20 und tüftelte an einer Idee, wie er die letzte Ruhestätte zu etwas Besonderem machen kann. Immerhin konkurrieren die Hamburger Friedhöfe um Begräbnisse.
"Eine Säule ist, dass wir klar als kirchlich-christlicher Friedhof erkennbar sein wollen. Das zeigt sich einmal in Richtung unserer Mitarbeiter, dass wir hier ein faires Miteinander haben, aber natürlich auch, dass der Kunde, der zu uns kommt, im Mittelpunkt steht. Die zweite Überlegung ist, dass wir gerne eine hochwertige Grünanlage haben möchten. Und das dritte Ziel ist, dass wir ein klimaneutraler Friedhof sein wollen."
Ganz erreicht wurde das Ziel noch nicht. Aber fast. Den direkten Ausstoß des Friedhofs konnten Matthias Habel und seine 32 Mitarbeiter immerhin schon um 90 Prozent senken. "Ich betone das mit dem direkten Ausstoß so bewusst, weil bei allen Klimaneutralitätsüberlegungen immer auch wichtig ist: wie berechne ich das Ganze?" Man pflanze etwa 30.000 Stiefmütterchen oder 30.000 Begonien im Jahr. "Die beziehen wir von Lieferanten, mit denen wir feste Verträge haben. Die sind noch nicht klimaneutral, die kommen von außen auf den Friedhof. Aber alles, was hier erzeugt wird, da setzen wir mit der Klimaneutralität an."
Friedhof produziert Ökostrom
Auf dem Giebeldach der Friedhofsverwaltung produziert eine Photovoltaikanlage grünen Strom. Einen Teil nutzt der Friedhof, ein anderer wird ins öffentliche Netz eingespeist. Zehn von dreizehn Kleinlastern sind elektrisch und damit leise und CO2-frei unterwegs. Unter den schattigen Friedhofsbäumen zeigt Matthias Habel auf einem DIN A4-Ausdruck die sinkende, aber seit einigen Jahren fast stagnierende Diagrammkurve.
"2003 war unser Ausgangsjahr. Da hatte wir noch einen direkten Ausstoß von 111,5 Tonnen CO2 pro Jahr. Und wir sind jetzt bei 5,6 Tonnen. Man sieht aber auch: seit 2016 haben wir arg Mühe, tiefer zu kommen, weil das eben die letzten Prozente sind, an die wir ganz schwer rankommen."
In der so genannten Verstorbenenhalle müssen die Leichen beispielsweise auf konstant sechs Grad gekühlt werden. Auch das funktioniert zwar mit Ökostrom, viel Energie einsparen lässt sich aber nicht. Matthias Habel führt vorbei an der Gärtnerei, zum Betriebshof des Friedhofs, zeigt die Gerätschaften, die er so gern ersetzen würde. Zum Beispiel den kleinen Bagger, der gerade rückwärts in eine Garage einparkt.
Urnenbestattung ist nicht klimaneutral
"Es scheitert jetzt eben an ein paar Geräten. An dem Bagger, an dem Aufsitzrasenmäher. Die gibt es derzeit nur mit Verbrennungstechnik im Friedhofsbereich und wir können daher noch nicht klimaneutral baggern. Wir könnten, müssten per Hand arbeiten – aber das steht wirtschaftlich in keinem Verhältnis."
Und dann ist da noch der seit Jahren ungebrochene Trend zu Urnenbestattungen. Die gibt es zwar auch auf dem Friedhof in Hamburg-Rahlstedt, aber glücklich ist Habel damit gar nicht, zumindest nicht aus der Klimaperspektive.
"Wenn es eine Erdbestattung ist, dann ist das klimaneutral. Dann wird das, was der Mensch im Laufe seines Lebens an Kohlenstoff aufgebaut hat, im Boden durch Mikroorganismen, Bakterien wieder freigesetzt und gelangt dann sozusagen als Kohlenstoff in die Umwelt", verdeutlicht Habel. "Das heißt, da haben wir mit der Person Mensch einen klimaneutralen Kreislauf. Was anderes wird es, wenn man sich verbrennen lässt. Dann brauche ich enorme Energiemengen, um den Körper in einer schnellen Zeit eben zu Asche zu verwandeln."
Den letzten Willen nicht ändern
Außerdem ist das Einäschern noch aus einem anderen Grund nicht unproblematisch. "Ob das jetzt zusammenhängt mit dem Sarg oder mit der Kleidung oder mit allen Komponenten zusammen und der Hitze: Es entstehen Schwermetalle, die vorher nicht im Körper waren. Jetzt bitte mich nicht auf die Zahl festlegen: Chrom 4 oder 5, kann ich jetzt leider nicht genau wiedergeben, aber eines dieser Schwermetalle entsteht eben und das ist hochproblematisch, weil wir dann im Boden Schwermetalle haben."
Matthias Habel zuckt die Schultern. Am letzten Willen der Menschen kann und will er nichts ändern. Dafür behält er die eigenen Klimaziele im Blick und wartet gespannt auf die ersten elektrisch betriebenen Bagger und die ersten vierrädrigen Elektro-Rasenmäher, die kein CO2 mehr ausstoßen. Solange die nicht auf dem Markt sind, behilft sich Habel damit, die jährlich anfallenden 5,6 Tonnen CO2 auszugleichen. Er zahlt Geld an Unternehmen, die dann so viele Bäume pflanzen und damit Kohlendioxid binden, wie der Friedhof noch verbraucht.