Klinikum Havelhöhe

Auf dem Weg zum grünen Krankenhaus

05:06 Minuten
Blick auf ein Gebäude des Krankenhauses Havelhöhe.
Im anthroposophischen Krankenhaus Havelhöhe ist Nachhaltigkeit bereits seit 25 Jahren ein Thema. © picture alliance/dpa / Christoph Soeder
Von Nantke Garrelts |
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Health for Future: Das anthroposophische Krankenhaus Havelhöhe will bis 2030 klimafreundlich werden - mit Gemüse aus dem eigenen Garten, Biolebensmitteln aus der Region, Blockheizkraftwerk und Solarpaneelen auf dem Dach.
Es ist 12.15 Uhr in der Küche des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe. Hier geht gerade ein Kraftakt zu Ende: 500 Portionen Mittagessen sind auf die Stationen und in die Kantine geschickt worden. Es gibt Farfalle mit Kürbissauce, Grießbrei und Schweineschulter mit Spätzle.
Jetzt bereitet die Küchenmannschaft das Abendessen vor. Ein Mitarbeiter stopft dafür geschälte Rote-Bete-Knollen in die Öffnung einer Wurstmaschine.

Biolebensmittel für die Patienten

Chefarzt Christian Grah ist mit dafür verantwortlich, dass diese Wurstmaschine fast nur noch Gemüse verarbeitet. Bei einem Rundgang auf dem Gelände erklärt er, warum es in Havelhöhe kaum noch Fleisch und zu 40 Prozent Biolebensmittel gibt: "Diese Frage überhaupt erst einmal zuzulassen: Interessiere ich mich überhaupt dafür, wo das Essen herkommt? Die ist bisher im Gesundheitssystem noch nicht etabliert."

Christian Grah gründete vor 25 Jahren das anthroposophische Krankenhaus mit. Schon immer gab es hier Arbeitsgruppen zum Stromsparen oder ökologischem Essen. Seit zwei Jahren aber haben sich Krankenhausangestellte zu einer lokalen Gruppe der Bewegung „Health for Future“ zusammengeschlossen.
Eine Frau mit blauen Plastikhandschuhen schneidet Paprikaschoten in zwei Hälften.
40 Prozent Biolebensmittel verwendet die Krankenhausküche Havelhöhe.© picture alliance / Annette Riedl/dpa

Klimafreundlich bis 2030

Sie arbeiten an einem ehrgeizigen Ziel: Bis 2030 will Havelhöhe klimafreundlich sein. Gar nicht so einfach in einem Haus voller Computer, medizinischer Geräte, Mülleimer, gefüllt mit Einwegmaterialien, und ständig schmutzigen Laken.
Wäre der Gesundheitssektor ein Staat, er wäre der fünftgrößte Umweltverschmutzer weltweit. 107 Millionen Tonnen CO2 fabriziert allein Deutschland jedes Jahr durch seine Gesundheitsversorgung.

Wir sind zu fünf Prozent mitverantwortlich für die Klimazerstörung in Deutschland. Fünf Prozent! Wenn man sich das auf der Zunge zergehen lässt, dann frage ich mich: Warum bin ich eigentlich Arzt, wenn ich durch mein Handeln die Lebensgrundlage meiner Patienten zerstöre?

Chefarzt Christian Grah

Stromfresser Intensivstation

Eine Schwester sortiert gerade frische Spritzen in eine Schublade. Jede davon ist eingeschweißt, steckte zuvor in einer Folie, die in einer Schachtel lag. Dreifach verpackt also. Hinter ihr liegt eine Patientin in einem Bett. Ein Turm aus Geräten steht neben ihr, überall blinkt, piept und klingelt es.
Strom verbraucht die Station massenhaft. Müll produziert sie auch in Mengen. Drei Mal so viel pro Patient und Tag wie ein Normalbürger. Vor dem Gebäude schiebt ein Mitarbeiter gerade die großen, braunen Müllcontainer an ihren Platz.
"In Krankenhäusern ist das logistisch noch schwieriger, weil die Krankenschwestern, die den Müll in die Mülltonnen tun, häufig unter hohem Druck arbeiten und das auseinanderzufuddeln, den Plastik- von dem Papieranteil, kostet wieder Zeit. Die haben die gar nicht, die werden sowieso unterbezahlt. Das ihnen auch noch aufzuoktroyieren, das ist zumindest keine leichte Geschichte."

Ohne lebensrettende Elektrogeräte geht es nicht

Ohne sterile Spritzen und lebensrettende Elektrogeräte geht es nicht. Wenn schon die Medizin nicht sauber ist, so sollen es wenigstens Müllentsorgung und Stromproduktion sein.
Ein Mann im dunklen Pullover steht an einem Holztresen und telefoniert. In der anderen Hand hält er ein großes Blatt Papier.
Vom Müll über Essen bis zur Wäsche: Im Krankenhaus Havelhöhe widmet sich der Chefarzt persönlich dem Thema Klimafreundlichkeit.© CARSTEN STRUEBBE
Krankenhäuser sind Mittelpunkte in einem Geflecht aus Logistik: Medikamente, Lebensmittel, Gas für die Stromerzeugung und die Patienten selbst kommen in Lastfahrzeugen und Krankenwagen nach Kladow. Feuerwehr und Technisches Hilfswerk aber benutzen immer noch Krankenwagen mit Diesel- und Benzinmotoren.

Gemüse aus dem Therapiegarten

Das hätte Christian Grah gerne anders: "Zum Beispiel unsere Wäsche, die ich hier anhabe, die wird gewaschen von einer Wäscherei, die nicht auf dem Gelände ist, da geht natürlich viel Energie, CO2 frei in die Atmosphäre, und das wollen wir natürlich verändern. Von der Berliner Feuerwehr bis zur Wäscherei geht unsere Idee."

Auf dem Rundgang zeigt Christian Grah noch den Therapiegarten, der irgendwann das Gemüse für die Küche produzieren soll. Dächer, die bald Solarpaneele tragen. Unter der Küche liegt das Blockheizkraftwerk, dessen Abwärme in die Stationsräume steigt.

"Unsere letzte Chance als Zivilisation"

Die Liste der Projekte in Havelhöhe ist lang. 14 Handlungsfelder, die alle gleichzeitig angepackt werden müssen. Angst, dass sie den Klimawandel nicht rechtzeitig aufhalten können, hat Christan Grah nicht:
"Meine Vision ist, dass wir hier zeigen, wie auf diesem Sandboden Humuserzeugung geht, wie wir Wasserkreisläufe wieder hinkriegen und wie unsere Bäumen wieder Teil der Nahrungskette werden. Sorge, dass es schiefgeht, habe ich eher nicht, weil es unsere letzte Chance als Zivilisation ist, dass wir die Kurve noch kriegen."
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