AfD setzt auf Klimawandel-Skepsis
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Die AfD setzt im Wahlkampf für die Europa- und Landtagswahlen auf die Ablehnung des Klimaschutzes. Dabei greifen Politiker wie Marc Jongen auch Aktivistinnen wie Greta Thunberg persönlich an – sogar als "krankes Kind" wurde die Schwedin bezeichnet.
Gerade einmal vier Wochen liegt Greta Thunbergs letzter Besuch in Deutschland zurück: Anfang März kam die 16-Jährige freitags nach Hamburg. Der Medienrummel, der Personenkult, die deutsche Schulschwänzerdebatte: Greta Thunberg reagiert äußerlich gelassen. Ihr geht es ums Klima.
Zielscheibe Greta Thunberg
Die ältere Generation stiehlt uns die Zukunft, meint Thunberg und wird für diesen Satz bejubelt. Doch es gibt auch andere Stimmen. Etwa die von Marc Jongen, Abgeordneter des Deutschen Bundestags und Mitglied der AfD. Für Jongen ist Greta Thunberg:
"Ein krankes Kind. Denn es ist bekannt, dass Greta Thunberg am Asperger-Syndrom, einer Form des Autismus leidet. Der Fall Greta ist von höchster Symbolkraft für die wahnhafte Klimarettungspolitik im Ganzen."
Michael Schäfer vom Umweltverband WWF widerspricht scharf und verweist auf die Arbeit des Weltklimarats, der regelmäßig über die fortschreitende Erderwärmung berichtet:
"Das ist ein Gremium aus mehreren hundert Wissenschaftlern, die auf Basis aller Veröffentlichungen, die es zum Thema Erderhitzung gibt, zusammenfasst, was der Stand der wissenschaftlichen Forschung ist."
Widerspruch im Bundestag
AfD-Politiker Jongen legte unterdessen vor zwei Wochen im Bundestag nach. Er prangert die "mächtige Klimalobby" an und unterstellt den Eltern von Greta Thunberg Geschäftemacherei. Die Zwischenrufe im Plenarsaal werden lauter, als Jongen fortfährt:
"Asperger-Patienten pflegen ein extremes Schwarz-Weiß-Denken. Das Abwägen und Differenzieren ist nicht ihre Sache."
Die der AfD allerdings auch nicht, hält SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch dagegen:
"Das, was Sie hier an diskriminierenden Worten verloren haben, ist niederträchtig, und es gehört nicht in dieses Haus!"
AfD-Parlamentarier Marc Jongen wirft dem Weltklimarat der Vereinten Nationen fehleranfällige Modellrechnungen vor. Er greift die Grünen an, und immer wieder Greta Thunberg.
Drohungen gegen Forscher
"Da eben diese Klimaskeptiker, oder Leugner, wie man sie ja eigentlich nennen muss, keine Sachargumente haben, geht es halt immer auf die Person", erklärt Stefan Rahmstorf, Physiker beim Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung.
"Jeder Klimaforscher, der sich öffentlich zu dem Thema exponiert äußert, kriegt Morddrohungen. Habe ich auch schon bekommen, auch gegen meine Familie. Daran muss man sich, leider Gottes fast, gewöhnen, wenn man Dinge sagt, die manchen Menschen gegen das eigene Weltbild gehen und die keine sachlichen Gegenargumente haben."
Führende AfD-Vertreter beharren auf ihren Thesen. Im gerade erst verabschiedeten Europawahlprogramm erklärt die Partei:
"Wir bezweifeln aus guten Gründen, dass der Mensch den jüngsten Klimawandel, insbesondere die gegenwärtige Erwärmung, maßgeblich beeinflusst hat oder gar steuern könnte. Klimaschutzpolitik ist daher ein Irrweg."
Auf Stimmenfang im Osten
Ende Juli, mitten im Dürresommer 2018, erklärte AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, die extremen Wetterereignisse hätten nichts mit dem Klimawandel zu tun:
"Wir glauben nicht, dass das sehr viel mit dem CO2-Ausstoß durch die Industrieproduktion oder durch menschliches Tun zu tun hat."
Solche Aussagen stoßen in den Braunkohlerevieren in der Lausitz auf offene Ohren, erst recht wenige Monate vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland. Aber auch in ihrem Programm für die Europawahl hält die AfD fest: "Umweltpolitik muss sich zuerst an nationalen Bedürfnissen orientieren."
Von dieser Forderung hält Michael Schäfer vom Umweltverband WWF nichts: "Ein Thema wie den Klimaschutz kann man nicht national lösen, sondern erfordert eine Kooperation aller Staaten der Erde, wie es beim Pariser Klimavertrag der Fall ist. Und dieses objektive Dilemma versucht die AfD damit zu lösen, indem sie einfach leugnet, dass es den Klimawandel und die Erderhitzung gibt."
Karsten Hilse, klimapolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, mischte sich bei einer der letzten Fridays-For-Future-Kundgebungen unter die Jugendlichen und verteilte ein sogenanntes Quiz mit Fragen zum Klimawandel. Klimaforscher Rahmstorf hat sich die Fragen angesehen und in seinem Internetblog ausführlich analysiert:
Widerlegte Behauptungen
"Da werden dann Dinge behauptet, dass es im Holozän, also in den letzten 10.000 Jahren schon mal global mehrere Grad wärmer gewesen sein soll als heute. Was einfach wissenschaftlich falsch ist. Und wenn man nach den Belegen fragt, kommen Standardbehauptungen der Klimaskeptiker, die schlichtweg falsch sind."
Karsten Hilse hingegen betont gegenüber unserem Programm: Der CO2-Gehalt und die Temperaturänderungen hätten noch nie in der Erdgeschichte in einer Ursache-Wirkung-Beziehung gestanden. Umweltpolitiker anderer Parteien schütteln darüber den Kopf. Michael Schäfer vom WWF hält die Gefahren solcher Thesen für überschaubar, rät aber zu Wachsamkeit:
"Sie werden nur dann gefährlich, wenn die anderen Parteien dadurch mutlos werden. Aber ich sehe nicht, dass es Klimaleugner in anderen Parteien als der AfD gibt."