"Letzte Generation"
Sie kleben sich auf Straßen fest, bewerfen Kunstwerke – die Aktionen der „Letzten Generation“ sorgen für Aufmerksamkeit und Kritik. © Imago / Die Videomanufaktur / Martin Dziadek
Wie weit darf Klimaprotest gehen?
83:58 Minuten
Sie kleben sich auf Straßen fest und bewerfen Kunstwerke. Die Aktionen der "Letzten Generation" sorgen für Aufmerksamkeit und Kritik. Ihr Ziel: Die Regierung zu mehr Klimaschutz zu bewegen. Aber sind dafür alle Mittel recht?
Klebeblockaden im Straßenverkehr, das Bewerfen von Gemälden in Museen, wahlweise mit Kartoffelbrei, Tomatensuppe oder Öl: Die "Letzte Generation" schafft es mit ihren Aktionen regelmäßig in die Schlagzeilen. Die Bewegung steht aber auch vermehrt in der Kritik - begleitet von der Frage, wie weit Klimaprotest gehen darf, welche Mittel gerechtfertigt sind und ob die Aktionen ihrem Ziel nützen oder eher schaden.
"Ziviler Widerstand ist, was mir bleibt"
"Wir sind die letzte Generation, die die unumkehrbare Vernichtung unserer Lebensgrundlagen und damit unserer Zivilisation stoppen kann", begründet Aimée van Baalen, eine der Sprecher:innen, die Aktionen der Bewegung. "Wir wehren uns dagegen, dass das Grundgesetz nicht eingehalten wird, dass die Bundesregierung gerade dabei ist, das 1,5-Grad-Ziel, das wir eigentlich mal festgelegt haben, zu reißen."
Ihr Mittel der Wahl: Ziviler Ungehorsam. "Wir haben alle Mittel ausgeschöpft", sagt van Baalen. Sie sei mit "Fridays for Future" auf die Straße gegangen, protestierte mit "Extinction Rebellion". "Ich habe Petitionen unterschrieben, jahrelang an die Politik appelliert. Das haben Menschen 30 Jahre lang getan. Der zivile Widerstand ist das, was mir jetzt noch bleibt." Und der zeige eben mehr Wirkung, wenn er mitten in die Gesellschaft getragen werde.
Wie die "Happenings der 60er Jahre"
"Die Aktionen sind langsam ein bisschen kontraproduktiv und infantil", sagt der Journalist Knut Cordsen. "Sie hatten ein Momentum, um etwas zu bewegen, aber das verfehlen sie spätestens jetzt mit dem Bekleckern von Gemälden. Mich erinnert das an die Happenings der 60er Jahre, das 'Pudding-Attentat' der 'Kommune I' auf den amerikanischen Vize-Präsidenten als Protest gegen den Vietnam-Krieg. Es droht ihnen, dass die Mehrheit der Bürger, die eigentlich voll auf ihrer Seite sein könnten, sie ablehnen.“
Cordsen hat sich in seinem neuesten Buch mit Protestbewegungen auseinandergesetzt, sein Titel: „Die Weltverbesserer. Wie viel Aktivismus verträgt unsere Gesellschaft?“
Seine Analyse: "Aufmerksamkeitsökomisch erweisen sich die Aktivisten einmal mehr als Vollprofis. Allein die Tomatensuppen-Attacke auf Van Gogh hat über 50 Millionen Klicks, das Öl auf Klimt über eine Million. Aber es folgt nichts. Da kommt doch keiner 'ins Handeln', wie die Grünen so schön phrasenhaft sagen." Die Klicks lösten eher einen Scheinaktivismus aus. "Die Leute, die klicken, drehen nicht unbedingt ihre Heizung runter oder lassen ihr Auto stehen."
(sus)