Im Aufwind oder auf verlorenem Posten? Grüne Parteien in Ostafrika - Das Mammutprojekt der Great Green Wall ist nur ein Beispiel dafür, dass es auf dem afrikanischen Kontinent jede Menge Umweltthemen anzupacken gibt. Für grüne, ökologische Parteien eigentlich eine ungeheure Chance, sich zu profilieren. Aber wie realistisch ist das angesichts zahlreicher autoritärer Regierungen? Antje Diekhans, Korrespondentin für Ost- und Zentralafrika, schildert die schwierigen Bedingungen und wie den Grünen in Ruanda trotzdem das Wunder gelang, zwei Sitze im Parlament zu erobern.Audio Player
Die Vision einer grünen Sahelzone
23:07 Minuten
Ein Band aus Milliarden Bäumen soll die Wüstenbildung eindämmen. Tausende Kilometer quer durch den Kontinent. Vor 15 Jahren setzte die Afrikanische Union das Thema auf die Tagesordnung. Heute gibt es bittere Rückschläge, aber auch blühende Gärten.
N´Djamena – die Hauptstadt des Tschads. Und die mit Abstand größte Stadt des Landes. Hier fängt der Kampf gegen den Klimawandel an. Um die Hauptstadt herum ließ die Regierung vor einigen Jahren eine Art grünen Gürtel pflanzen. Der Tschad wisse um die Folgen des Klimawandels, nur reiche das oft nicht, erzählt Blaise Dariustone, Journalist beim regierungskritischen Radio-Sender FM Liberté.
"Der Wille der Regierung, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen ist da, aber in der Realität wird wenig umgesetzt", sagt er. "Die Great Green Wall ist ein Beispiel dafür. Die Bäume, die damals gepflanzt wurden, werden heute nicht mehr gepflegt. Die Bäume kämpfen ums Überleben, da sie während der Trockenzeit nicht bewässert werden."
Der Tschad war von Beginn an Teil des Projekts
Wenn Medien über die Great Green Wall berichten, taucht der Tschad eigentlich nie auf. Dabei war das Land von Beginn an Teil des Projekts und hätte Erfolge bitter nötig. Gut 65 Prozent der Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze. Und 80 Prozent der Bevölkerung im Tschad und in der gesamten Sahelzone hängt von der Landwirtschaft ab.
Doch der Klimawandel und die Ausbreitung der Wüste könnten diese in Zukunft unmöglich machen, sagt Nora Berrahmouni aus dem Afrika-Büro der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft.
"Der Klimawandel ist einer der Faktoren, aber er ist nicht der einzige", erklärt sie. "Wenn die Ressourcen nicht gut und nachhaltig bewirtschaftet, sondern ausgeschöpft werden, führt das natürlich zu mehr Wüstenbildung und Zerstörung des Bodens. Aber wir sollten nicht der lokalen Bevölkerung die Schuld geben. Denn die brauchen alternative Lebensgrundlagen."
Genau da setzen die Pläne der Great Green Wall an. Es geht um mehr als nur das Pflanzen von Bäumen. Insgesamt sollen 10 Millionen neue Jobs entstehen.
Ein afrikanischer Traum vom Klimaschutz
In einem Imagevideo preist die Afrikanische Union die geplanten Erfolge an. Sie ist die Initiatorin der Great Green Wall. Das Geld aber kommt aus dem Ausland: von der Weltbank, der EU, verschiedenen UN-Organisationen. Und die haben durchaus ein Interesse am Erfolg des Projekts, erklärt Camilla Nordheim-Larsen, die bei den Vereinten Nationen das Projekt der Great Green Wall koordiniert.
"Es war wirklich ein afrikanischer Traum, diese globalen Herausforderungen zu bekämpfen", sagt sie. "Aber es gibt Verbindungen zu einigen Herausforderungen in Europa. Bis 2045 könnten 60 Millionen Menschen aus Subsahara-Afrika nach Europa fliehen, insbesondere aus geschädigten Gebieten."
Nur - die Ziele für die Great Green Wall zu erreichen, ist für viele Staaten eine echte Herausforderung. Da ist die enorme Fläche: Der Tschad beispielsweise ist mehr als dreimal so groß wie Deutschland, hat aber gerade mal 16 Millionen Einwohner. Die Bevölkerung hat kaum Wissen über nachhaltige Landwirtschaft.
Und wenn, dann fehlt es an Geld und Material, sagt Nora Berrahmouni: "Um die ausgeschöpften Böden wiederherzustellen, braucht man Samen - und nicht nur Samen einer Art. Man braucht Bäume, gute Sorten von Feldfrüchten, Weiden und so weiter. Und die Saatgutzentren in diesen Gebieten haben nicht die Kapazität dazu."
Der Tschadsee hat 90 Prozent seiner Fläche verloren
Wie stark der Klimawandel und die schlechte Nutzung von Ressourcen die Menschen treffen, zeigt sich besonders am Tschadsee im Westen des Landes. Der See ist für gut 30 Millionen Menschen eine wichtige Wasserquelle – im Tschad, aber auch in den Nachbarländern Niger, Nigeria und Kamerun.
Doch seit 1963 hat der Tschadsee 90 Prozent seiner Fläche verloren. Und das verstärkt den Terrorismus in der Region, erklärt Camilla Nordheim-Larsen:
"Diese Verschlechterung hat auch für die Präsenz von Boko Haram gesorgt. Sie bieten jungen Menschen Beschäftigung, die keine andere Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen."
Trotz all dieser Schwierigkeiten: Die Verantwortlichen im Tschad sind zufrieden und sehen Erfolge bei der Great Green Wall. Eine lokale NGO berichtet, bereits 2,5 Millionen Pflanzen angebaut zu haben. Und laut Bakari Sanda, der das Projekt im Tschad für das Umweltministerium koordiniert, profitiert die Bevölkerung bereits von zahlreichen Projekten.
"Es gibt gemeinsame landwirtschaftliche Betriebe, die von der lokalen Bevölkerung eingerichtet und verwaltet werden", erklärt er. "Wir haben auch Wasserstellen geschaffen, die für die lokale Bevölkerung von Nutzen sind."
Arabisches Gummi als Chance für den Weltmarkt
Ein Beispiel wie die Great Green Wall der Bevölkerung im Tschad konkret helfen kann, ist das sogenannte Arabische Gummi. Es wird aus Akazienbäumen gewonnen und unter anderem in der Medizin- und Lebensmittelproduktion eingesetzt.
Und das weltweit, erklärt Nora Berrahmouni: "Der Tschad ist der zweitgrößte Hersteller in der Sahelzone für das wichtige arabische Gummi. Das hat einen internationalen Markt und kann Menschen tatsächlich aus der Armut befreien."
Langfristig kann das wohl nur mit Finanzierung aus dem Ausland klappen. Zudem ist das Klima im Kampf gegen den Klimawandel schon jetzt der größte Gegner, sagt Radiojournalist Blaise Dariustone.
"Dazu gehören hohe Temperaturen, das Wachstum der Wüste, heftiger Wind und unregelmäßige Niederschläge", erklärt er.
Die Regenzeit jetzt im Sommer sorgt in Teilen des Tschads immer wieder für Überschwemmungen. Den Großteil des Jahres aber kämpft der Tschad mit extremer Dürre. Die viele der neuen Pflanzen nicht überleben.
Obstgärten und Baumschulen: Grüne Wand im Senegal wächst
Die zarten grünen Setzlinge ragen aus ihren schwarzen Plastikvasen heraus. Die 22-jährige Diary Bâ gießt sie vorsichtig mit Wasser.
"Hier ist die Baumschule von Koyli Alpha. Sehr früh fangen wir, an die Plastiksäcke mit Kompost zu füllen", erzählt sie. "Danach pflanzen wir die Setzlinge ein. Wir haben verschiedene Baumsorten. Danach gießen wir. Wenn das mit der Winterzeit zusammenfällt, warten wir drei Regenfälle ab und pflanzen die Sträucher aus."
Hunderttausende Setzlinge wachsen hier in Koyli Alpha - einem Dorf im Zentrum Senegals. Aus ihnen entwickeln sich zum Beispiel knorrige Affenbrotbäume oder dornige Akazien. Pflanzen, die den heißen Temperaturen trotzen können. Diary Bâ kümmert sich um den grünen Nachwuchs.
Senegal gehört zu den afrikanischen Staaten, die am erfolgreichsten aufgeforstet haben, erklärt Mignane Sarr. Er ist der Projektkoordinator der Vereinten Nationen für den Senegal.
"Die Erfolge des Projekts sind vielfältig", sagt er. "Auf der Seite der Gemeinde - ihre Lebensgrundlage wurde gesichert. Seit drei Jahren produziert das Projekt Futtermittel für das Vieh der Gemeinde. Andere Erfolge sind, dass wir Parzellen für die Landwirtschaft wiederherstellen konnten. Es gibt eine Micro-Firma, die die Produkte des Waldes vertreibt. Außerdem wurden Frauen ausgebildet, um diese Produkte zu erzeugen. Und wir arbeiten mit den Schulen im Umland zusammen. So haben wir schon 800 Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren für das Thema sensibilisiert und für Umwelt- und Gemeindeschutz fortgebildet."
Arbeit und Unabhängigkeit für Frauen
Seit 2012 läuft das Projekt im Dorf Koyli Alpha schon - etwa 1700 Hektar Land in der Nähe des Dorfes sollen bald zu einem dichten Wald heranwachsen. Laut offiziellen Angaben konnten im Senegal mehr als elf Millionen Bäume bereits gepflanzt werden. So wurden Zehntausende Hektar Land wieder fruchtbar. Das ist auch der Frauenkooperative zu verdanken, sagt Ajaratou Maimouna Sène. Sie ist die Präsidentin der Frauengruppe.
Sène sagt, das Projekt habe die Frauen im Dorf unabhängiger gemacht: "200 Frauen arbeiten in der Kooperative. Das Projekt ist wichtig für die Frauen, dadurch sind sie erwerbstätig. Es erlaubt uns, nicht nur Gemüse und frische Früchte zu konsumieren, sondern gleichzeitig auch Geld zu verdienen. Auf unserem Kooperativenkonto der Frauen aus Koyli Alpha waren im ersten Jahr 1100 Euro, im zweiten Jahr konnten wir diese Summe halten."
Und diese Summe verschaffte zahlreichen Menschen im Dorf einen besseren Lebensunterhalt. Auch wenn der westafrikanische Staat zu einem der stabilsten der Region gehört, leben hier rund 40 Prozent der Menschen von weniger als 1,75 Euro pro Tag. Viele halten sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.
Die Aufforstung ermöglicht bessere Schulbildung für Kinder
Das Projekt habe auch dafür gesorgt, dass die Kinder konstanter und länger in die Schule gehen. Der Hintergrund: Viele mussten ihren Eltern helfen, weidende Rinder von den Jungbäumen fernzuhalten. Denn in den vergangenen Jahrzehnten mussten Viehhirten für ihre Tiere auf Bäume zurückgreifen, um ihre Tiere überhaupt noch füttern zu können. Die Konsequenz: Die Ausbreitung der Wüste nahm zusätzlich zu.
Heute produziert die Gemeinde selbst Futtermittel, das sie an die Hirten verkaufen kann. Die Frauen der Kooperative züchten nicht nur die Baumschule. Weil der Boden wieder fruchtbar gemacht wurde, haben sie einen Garten und Obstbäume angelegt, erklärt Diary Bâ.
"Wir haben viel Gemüse in unserem Garten angelegt. Karotten, Kartoffeln, Zwiebeln. Und Früchte: Mango, Zitronen." Aber es ist nicht alles rosig, sagt sie. "Die Arbeit ist etwas mühselig. Aber bevor wir Probleme hatten, Wasser zu beschaffen, lief die Arbeit wie am Schnürchen, aktuell sind wir aber etwas entmutigt. Die Grüne Wand hat uns monatlich 83 Euro eingebracht, aber seit drei Monaten haben wir keinen Lohn mehr bekommen."
Warten auf Regen
Seit mehreren Monaten ist das Wasser knapp, erzählen die Dorfbewohner von Koyli Alpha. Es hat wenig geregnet. An Wasser zu gelangen, wurde schwieriger. Das Projekt stockt. Ajaratou Maimouna Sène, Präsidentin der Frauenkooperative, erklärt die Ausmaße des Problems.
"Es begann damit, dass wir Schwierigkeiten mit unserer Wasserpumpe hatten und so konnten wir kein Wasser schöpfen", sagt sie. "Und dadurch konnten wir nicht mehr den Bedarf decken, um Gras für das Vieh zu produzieren oder die Bevölkerung von Koyli Alpha zu versorgen. Das ist auch zu einem Problem in unserem Garten geworden, denn die umliegenden Dörfer kommen hierher, um Gemüse und Früchte zu kaufen. Dieses Jahr konnten wir noch nichts anbauen - und unsere Obstbäume tragen keine Früchte mehr."
Deswegen arbeiten die Frauen jetzt vor allem in der Aufforstung. Die größte Sorge: Bereits gewonnenes Land wieder zu verlieren, erklärt Projektkoordinator Mignane Sarr.
"Das größte Problem ist gerade, auf dem jetzigen Niveau zu bleiben", sagt er. "Und unsere aktuelle Strategie ist, die eingezäunten Parzellen wieder aufzuforsten, um Probleme mit den Viehzüchtern zu vermeiden. Denn die Parzellen, die nicht eingezäunt sind, können wir nicht schützen - und Viehzucht ist ein wichtiger Bestandteil in dieser Region."
Gewonnenes Land könnte wieder verloren gehen
Ein Teufelskreis. Denn wenn die Kooperative nicht mehr ausreichend Gras zum Verkauf erzeugen kann, sinken nicht nur ihre Einnahmen, sondern die Viehhirten müssen notgedrungen ihre Tiere an Setzlingen und Bäumen fressen lassen. Was in Koyli Alpha passiert, zeigt im Kleinen, wie einerseits das Projekt der Grünen Wand zur Entwicklung und Förderung ganzer Gemeinden führen kann. Andererseits verdeutlicht es auch, wie aufwändig und schwierig das Mammutprojekt auf dem afrikanischen Kontinent ist.
Insgesamt zählt Senegals Grüne-Wand-Projekt zu den erfolgreichsten des Kontinents, dennoch hinkt auch der westafrikanische Staat seinen ambitionierten Zielen hinterher. Bislang ist nur ein Bruchteil der angepeilten 850.000 Hektar Wald im Senegal umgesetzt worden.