Nachhaltigkeit in der Kultur

Radeln für Strom - und Bienen auf dem Dach

Bei Coldplays "Music of the Spheres"-Tour fahren Fans vor der Bühne auf stationären Fahrrädern und erzeugen damit Strom.
Mit Muskelkraft von Fans: Bei ihrer "Music of the Spheres"-Tour sind Coldplay angetreten, die Klimabilanz zu verbessern. © picture alliance / Invision / AP / Rick Scuteri
CO2-Ausstoß, Müll, Energieverbrauch: Der ökologische Fußabdruck in der Kulturbranche ist zum Teil erheblich. Künstler verschiedenster Sparten bemühen sich bereits um Nachhaltigkeit. Doch es gibt auch Kritik an den Maßnahmen.
Sommer ist Festival- und Konzertsaison. Doch wie nachhaltig sind solche und andere Veranstaltungen eigentlich? Besonders angesichts der Mengen an Kohlendioxid oder Abfällen, die etwa bei Band-Tourneen, Filmdrehs, Theaterproduktionen oder Museen anfallen. Hier geht es meist besonders um Aspekte wie Reisen, Transporte und Catering.
Neben Künstlerinnen, Kulturinstitutionen und Verbänden versucht inzwischen auch die Politik, die Nachhaltigkeit in der Kulturbranche voranzubringen. Doch gegen das Klima- und Umweltengagement wird immer wieder vorgebracht, es diene nur dem Schein.
Mit welchen Ideen engagiert sich die Kulturbranche für Nachhaltigkeit?

Welche Rolle spielt der Klimaschutz in der Kulturbranche?

Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Kulturbranche ist ein noch recht junges Thema, das aber in den vergangenen Jahren ordentlich Fahrt aufgenommen hat.
Generell gilt für die Kulturbranche, dass sie – neben der Klimafreundlichkeit ihrer Produktionen und Werke – die große Chance hat, diesem Thema durch Sichtbarkeit, Vorbild- und Multiplikatorwirkung Öffentlichkeit zu verschaffen.
Wichtig dabei: die Abwägung zwischen ökologischer und kultureller Nachhaltigkeit. Das betonte Christian Höppner, der bis Frühjahr 2024 Generalsekretär des Deutschen Musikrates war. Diese Abwägung gilt mit Sicherheit über den Bereich der Musik hinaus. Sie solle keine Ausflucht sein, weiterzumachen wie bisher, sagte er. Doch Menschen bräuchten Live-Ereignisse, das gemeinsame Erleben kultureller Ereignisse.

Wie arbeitet die Musikbranche nachhaltig?

Die britische Pop- und Rock-Band Coldplay hat sich vor einigen Jahren viel vorgenommen in Sachen Klimaschutz: 2021 kündigten sie an, nur noch auf Tour gehen zu wollen, wenn das vollständig CO2-neutral möglich ist.
In den ersten beiden Jahren ihrer „Music of the Spheres“-Tour hätten sie die direkten CO-Emissionen mit 59 Prozent sogar stärker reduziert als geplant, heißt es auf der Webseite der Band. Dabei spielten die Besucherinnen und Besucher der Konzerte eine große Rolle. Beispielsweise erzeugten sie Strom durch Hüpfen auf einem kinetischen Boden – der die Energie menschlicher Bewegung in elektrische Energie umwandelt – oder beim Radeln vor der Bühne. Außerdem dankt die Band ihren Fans für die klimafreundliche An- und Abreise. Diese hat in der Regel mit den größten Anteil an der CO2-Bilanz von Konzerten.
Allerdings bekam Coldplay auch einiges an Kritik ab. Umweltaktivisten und Medien warfen der Band Greenwashing vor, da sie trotz ihren Ankündigungen mit einem Mineralölkonzern zusammenarbeitete. Julian Vogels, Experte für die Nachhaltigkeit von Megakonzerten, sagt, die Band habe das angekündigt. Und: Anders als andere mache Coldplay eine Menge. Für ihn „ein Leuchtturmbeispiel“ in Sachen grünes Touring.
Die britische Sängerin Adele zieht mit einem anderen Konzept gerade Kritik auf sich. Sie tourt nicht an verschiedene Orte, sondern spielt zehn Konzerte in München. Nachhaltigkeitsexperte Julian Vogels meint: Wegen des großen Anteils der An- und Abreise des Publikums am CO2-Ausstoß bei Konzerten wäre Adeles Klimabilanz besser, wenn sie in verschiedenen Städten aufträte.

Das erste klimaneutrale Orchester?

Hohe Klimaschutzambitionen hat auch das Stuttgarter Kammerorchester. Das klassische Orchester ist – nach eigenen Angaben – seit 2022 das erste klimaneutrale Orchester Deutschlands.
Seinen CO2-Fußabdruck reduziert der Klangkörper zunächst mit üblichen Maßnahmen wie Ökostrom, Fernwärme, Jobtickets oder Jobfahrräder. Hinzu kommen Dinge wie Baumspenden für den Stadtwald Herrenberg in der Nähe von Stuttgart – pro Tonne CO2 ein Baum. Und: Das Publikum kann an der Abendkasse per QR-Code seine Anreise kompensieren.
Ein großes Thema für das Orchester sind Auslandsreisen. Komplett auf Flüge zu verzichten, ist für das traditionelle Reiseorchester keine Option. Zum einen, weil man auf die Einnahmen angewiesen sei, sagt Intendant Markus Korselt. Zum anderen, so Cellist Nikolaus von Bülow: „Weil es ansonsten den kulturellen Austausch einfach nicht mehr gibt.“
Doch sie hätten die Reiseplanung verändert, erklärt Korselt: Zum Beispiel fliegen sie heute nicht mehr für vier Konzerte nach Südamerika – und auch nicht für eines nach Mumbai oder Kathmandu. Für die Reisen, die sie machen, gebe es allerdings lediglich die nicht optimale Möglichkeit, den CO2-Ausstoß zu kompensieren, meint Korselt.
Außerdem gibt es Initiativen von Unternehmen, wie etwa den Music Climate Pact. Den haben große Musikkonzerne wie BMG, Universal, Sony und Warner im Jahr 2021 zusammen mit Indielabels geschlossen. Sie verpflichten sich darin, die Prozesse in der Musikwirtschaft bis 2050 klimaneutral zu gestalten. Bereits in den kommenden Jahren sollen die Emissionen um 50 Prozent gesenkt werden.

Welche Initiativen gibt es beim Film?

Bei der Film- und Fernsehproduktion dreht sich das Thema Klimaschutz viel um Ökostrom, effiziente Lichttechnik, um Mobilität und Transporte. Aber etwa auch die Unterbringung der Drehteams in einem möglichst ökozertifizierten Hotel spielt eine Rolle – und wie sich das Drehbuch zum Thema Klimawandel verhält, inhaltlich und was die Produktion betrifft.
Aber auch die Ausstattung mit Utensilien am Set spielt eine Rolle: So will die Serie „In aller Freundschaft“ beispielsweise darauf verzichten, Ärzte oder Besucher mit einem Einmal-Kaffeebecher zu zeigen.
Inhaltliche Vorgaben für Filmproduktionen solle es aber keinesfalls geben, wird in der Branche betont. So werden Autokarambolagen genauso weiter zu sehen sein wie die Serie „Traumschiff“, die immer wieder als extrem klimafeindlich angeprangert wird.

Wie werden Museen nachhaltig?

In Städten stünden Museen zusammen mit Einrichtungen wie Krankenhäusern an der Spitze beim Energieverbrauch, sagt Stefan Simon vom Rathgen-Forschungslabor, das sich mit der naturwissenschaftlichen Kulturerbeforschung befasst. Größter Faktor: Klimaanlagen.
In der Hansestadt Hamburg haben sich deshalb im Jahr 2022 elf Museen, Ausstellungshäuser und Gedenkstätten im Projekt „Elf zu Null“ zusammengeschlossen mit dem Ziel, ökologisch nachhaltiger zu werden. Und es hat sich bereits etwas verändert: Zum Beispiel wurden nach Angaben des Hamburger Senats smarte Heizkörperthermostate installiert, auf LED-Beleuchtung umgerüstet, Fenster ausgetauscht und Gebäudeleittechnik und Anlagensteuerung nachgerüstet.
Wenn heute ein Gebäude neu gebaut wird, wird Nachhaltigkeit von Anfang mit geplant. Doch beim Museum der Moderne, das gerade in Berlin entsteht, war dies nicht der Fall. An der Energiebilanz des ursprünglichen Entwurfs gab es Kritik. Dieser wurde inzwischen aber überarbeitet – und so könnte das Gebäude, das den Spitznamen „Scheune“ hat, möglicherweise ein ökologisches Vorzeigeprojekt im Museumsbereich werden.

Was kann Theater für die Artenvielfalt tun?

Kulturinstitutionen widmen sich auch dem Nachhaltigkeitsaspekt Artenvielfalt. So hat das Staatstheater Saarbrücken vor einigen Jahren eine theaternahe Grünfläche in eine bienenfreundliche Blumenwiese umgestaltet. Gemeinsam mit dem NABU wurde ein Insektenhotel angelegt.
Auf dem Dach der Musik- und Kongresshalle Lübeck leben vier Bienenvölker mit 160.000 Bienen.

Was macht die Politik?

Über Initiativen einzelner Akteure und Institutionen hinaus will Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) die Nachhaltigkeit in Kultur und Medien voranbringen. Demnach gilt etwa seit 2020 die Vorgabe für die Förderung aus dem Bundeskulturetat: Alle Projekte, Initiativen und Einrichtungen, die Geld erhalten, müssen konkrete Ziele ökologischer Nachhaltigkeit erreichen. Hierbei kann der neu entwickelte Rechner für CO2-Emissionen helfen. Beratung gibt es bei der „Green Culture Anlaufstelle“.
Für verschiedene Kulturbereiche wurden außerdem bereits Leitfäden veröffentlicht, die Institutionen und weiteren Akteuren bei der Findung und Umsetzung von Zielen und Maßnahmen für einen ressourcenschonenden Betrieb helfen sollen.

abr