Zafer Şenocak ist Autor und Publizist. Er wurde 1961 in Ankara geboren, seit 1970 lebt er in Deutschland. Şenocak studierte Germanistik, Politik und Philosophie in München. Seit 1979 veröffentlicht er Gedichte, Essays und Prosa in deutscher Sprache. Er schreibt für die Zeitung "taz" und andere Publikationen. Zuletzt erschien sein Roman "Deutsche Schule".
"Wohlstandssicherung wird wahrscheinlich nicht gehen"
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Der Publizist Zafer Şenocak begrüßt, dass "Fridays for Future" wieder aktiv wird. Seine Sorge ist, dass die Politik die Forderungen nach mehr Klimaschutz nicht ausreichend umsetzt. Er vermisst im Wahlkampf eine klarere Sprache.
Der erste Schulstreik der schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg ist drei Jahre her. Vor dem Parlament in Stockholm zog sie am Freitag gemeinsam mit anderen Mitstreitern eine ernüchternde Bilanz der Klimaschutzbemühungen. Die Pandemie hat die Bewegung ausgebremst. Nun plane man öffentliche Aktionen eben auf Sicht, so Thunberg.
Krise wie eine Krise behandeln
Dass die Welt schnell und entschlossen auf eine Pandemie reagiert, nicht aber auf die Bedrohung durch eine Klimakrise, das habe auch etwas mit der Berichterstattung zu tun, so die 18-Jährige: "Bei der Coronapandemie haben sich die Medien am ersten Tag entschieden, sie wie eine Krise zu behandeln und deshalb haben Regierungen und Machthaber beschlossen, drastische Maßnahmen zu ergreifen. Das ist mit der Klimakrise nicht passiert. Wir Menschen sind soziale Tiere: Solange niemand um uns herum eine Krise wie eine Krise behandelt und sein Verhalten ändert, so lange verstehen wir nicht, dass wir in einer Krise sind."
Der Publizist Zafer Şenocak ist ein Bewunderer von "Fridays for Future". Er finde sehr gut, dass junge Menschen lautstark geworden seien und dadurch auffielen. "Sie haben etwas für sich selber erreicht, sie haben definieren können, was für sie wichtig ist", sagt Şenocak. "Das ist schon sehr, sehr viel." Die Frage sei, was die Gesellschaft und die Politik daraus machen.
Kooperation mit Ökonomen wichtig
Die Zusammenarbeit von "Fridays for Future" mit der Wissenschaft sei sehr wichtig. Aber sie müssten nicht nur mit Klimaforschern, sondern auch mit Ökonomen arbeiten - mit Menschen, die darüber nachdenken, wie man einen Umbau der Gesellschaft erreichen könnte, ohne in eine große soziale Krise zu fallen, findet der Publizist. "Wie gehen wir mit dem großen Gefälle der Einkünfte auf der Welt um?" Das gehöre in diese Debatte hinein. "Sonst haben wir keine Chance."
"Wohlstandssicherung wird wahrscheinlich nicht gehen", sagt Şenocak."Niemand traut sich, das wirklich offen zu sagen, auch die Grünen nicht. Die Grünen versuchen so eine in Watte gepackte Umformung unserer Gesellschaft zu erreichen." Das werde von der Partei als Klimaschutz verkauft, kritisiert der Autor. "Das wird nicht gelingen."
"Wohlstandssicherung wird wahrscheinlich nicht gehen", sagt Şenocak."Niemand traut sich, das wirklich offen zu sagen, auch die Grünen nicht. Die Grünen versuchen so eine in Watte gepackte Umformung unserer Gesellschaft zu erreichen." Das werde von der Partei als Klimaschutz verkauft, kritisiert der Autor. "Das wird nicht gelingen."
Erinnerung an große Ideen
Selbst bei großer Innovationskraft, auf die man in Deutschland sehr vertraue, könne das global nicht gelingen, wenn China, Indien und der ganze globale Süden nicht mitgenommen würden. Şenocak erinnert an den Bericht "Die Grenzen des Wachstums" des Club of Rome in den 1970er Jahren und den "Dialog mit dem Süden" von SPD-Politiker Willy Brandt.
"Wir hatten große wichtige Ideen", so Şenocak. "Die hat man in den 80er-Jahren in den Müllkorb der Geschichte hineingeworfen." Dann habe nach dem Fall der Mauer eine Stimmung vorherrscht, als sei die Welt jetzt gut. "Ich glaube, das war sehr trügerisch - jetzt ist Not am Mann und an der Frau, jetzt muss man wirklich schauen, dass man Konzepte entwickelt."
Die Gesellschaft brauche eine Aufbruchsstimmung, deshalb finde er die jungen Leute so wichtig, sagt der Publizist. "Die müssen wieder mehr auf die Straße." Es sei wichtig, dass der Politik auf die Finger geschaut werde.
Die Frage nach Verzicht
Jeder müsse sich fragen, wie viel Luxus er in seinem Leben brauche und was man streichen könne. Wenn dieser Verzicht nicht gelinge, "dann gehen wir halt unter". Man müsse klar machen, was das dann für Folgen habe. "Die Menschen lieben in der Regel ihre Kinder, ihre Enkel und sind schon bereit, auch für sie Verzicht zu üben." Man müsse das offen und ehrlich ansprechen. Wenn er auf den Wahlkampf blicke, sei er allerdings skeptisch, ob die Sprache da klarer werde.