Klimaschutzkonferenz in Bonn

Die nützliche Blamage der Klimakanzlerin

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sigmar Gabriel, damals Bundesumweltminister, 2007 in Grönland
Bundeskanzlerin Angela Merkel und Sigmar Gabriel, damals Bundesumweltminister, 2007 in Grönland © dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Von Andreas Zumach · 08.11.2017
Für Unterzeichnerstaaten des Pariser Klimaabkommens gelten scharfe Vorschriften. Doch während sich Angela Merkel als Klimakanzlerin inszeniert, hat Deutschland immer wieder gezeigt, dass großen Worten kaum Taten folgen müssen. Das muss klar benannt werden.
Deutschland droht eine totale Blamage – und das ist gut. Denn nur die Angst vor der internationalen Peinlichkeit kann die Bundesregierung noch dazu bringen, endlich ernst zu machen mit dem Klimaschutz.
Diese Hoffnung steckt im Pariser Klimaabkommen. Dort haben sich die Vertragsstaaten verbindlich verpflichtet, die Emissionen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen zu reduzieren. Und in Paris wurde auch eigens ein Komitee eingerichtet, das die Einhaltung des Abkommens überwachen und unterstützen soll. Wie dieses Komitee die Staaten wie Deutschland in die Pflicht nehmen soll, ist bislang aber offen.
Und da kommt die drohende Blamage der angeblichen Klimakanzlerin ins Spiel. Auf der Webseite des Bundesumweltministeriums heißt es: "Auch wenn das Komitee voraussichtlich über keine scharfen Sanktionen verfügen kann, haben die Aktionen des Komitees doch starken Einfluss auf die Reputation eines Landes auf internationaler Ebene. Diese Reputation ist ein kostbares Gut – schließlich wollen Regierungen weiterhin als vertrauenswürdige Partner auf dem internationalen Parkett gelten."

Sobald es ernst wurde, kniff Angela Merkel

Für kein Land ist die klimapolitische Reputation ein so kostbares Gut wie für Deutschland. Denn nirgendwo ist die Diskrepanz zwischen Schein und Sein der Klimapolitik so groß wie hierzulande. Das ist wesentlich das Verdienst von Angela Merkel, die seit zwölf Jahren Kanzlerin ist und bereits im Kabinett Helmut Kohl von 1994 bis 1998 als Umweltministerin für die Klimapolitik zuständig war. Damals engagierte sich die Ministerin bei den internationalen Klimaverhandlungen noch stark für verbindliche Verpflichtungen. In ihren ersten beiden Amtsperioden als Regierungschefin verkündete Merkel dann mehrfach weitreichende nationale Reduktionsziele für Deutschland und verschaffte sich damit international das positive Image als Klimakanzlerin.
Doch immer wenn es ernst wurde, kniff Merkel oder handelte sogar ausdrücklich gegen ihr besseres Wissen und gegen die von ihr selbst verkündeten Ziele. 2007 und 2013 beispielsweise torpedierte die Kanzlerin im Sinne der deutschen Automobilkonzerne Daimler und BMW Beschlüsse der EU zu Obergrenzen sowie zur schrittweisen Reduktion von Kohlendioxid in Autoabgasen.
Zwar hat die Regierung Merkel als Zwischenziel proklamiert, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 gegenüber dem Niveau von 1990 um 40 Prozent reduzieren zu wollen. Doch ohne die verkehrsbedingten Abgase deutlich zu senken, und vor allem ohne die besonders klimaschädlichen Kohlekraftwerke abzuschalten, wird dieses Ziel krachend verfehlt werden. Unabhängige Klimaexperten rechnen damit, dass der Kohlendioxidausstoß bis 2020 nicht etwa sinkt, sondern um fast 15 Millionen Tonnen weiter wächst. Die Kluft zwischen Schein und Sein ist also gewaltig.

Drohende Blamage als Chance

Und genau darin liegt die Chance. Wenn das Komitee zur Überwachung der Einhaltung des Pariser Abkommens kein zahnloser Papiertiger werden will, muss es die deutsche Klimakanzlerin international vorführen. Nur der dann drohende Reputationsschaden könnte die Bundesregierung dazu bewegen, endlich zu handeln.
Die entscheidende Frage ist deshalb, welche Funktion und Kompetenzen das neue Komitee haben wird. Darf es Vertragsstaaten wegen ihrer unzureichenden Klimaschutzmaßnahmen öffentlich kritisieren? Oder wenigstens intern? Kann es den Regierungen konkrete Schritte vorschlagen oder gar vorschreiben? Bekommt es echte Sanktionsinstrumente gegen unwillige Staaten?
All diese Fragen blieben im Pariser Abkommen noch unbeantwortet und werden jetzt in Bonn verhandelt. Man darf gespannt sein, ob die Bundeskanzlerin ihre Reputation – und damit nebenbei auch das Klima – retten will.

Andreas Zumach, geboren 1954 in Köln, ist freier Journalist am UNO-Sitz in Genf, Korrespondent für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten in Deutschland, der Schweiz, Österreich und den USA. Er ist Autor mehrerer Bücher über den Irakkrieg, die UNO und internationale Konflikte, u.a.: "Globales Chaos Machtlose UNO: Ist die Weltorganisation überflüssig geworden?", Rotpunkt Verlag Zürich 2015.

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