Klimaveränderung und Nachhaltigkeit

So kann es nicht weitergehen

20:02 Minuten
Grafik: Viele Menschen laufen einander vorbei.
"Alles soll selbst, selbst, selbst gemacht werden, da spiegelt sich in der Kultur eine Ekstase des Selbst und damit aber auch eine Zurücknahme von Zugehörigkeiten", so Kersten Reich. © imago images/Science Photo Library/Fanatic Studio/Gary Waters
Kersten Reich im Gespräch mit Shelly Kupferberg |
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Um auf die Klimaveränderung zu reagieren, sei es notwendig, auch unser Bildungssystem radikal zu ändern, sagt Bildungsforscher Kersten Reich. Ein Blick nach Finnland könnte helfen. Dort wird im "Phänomenunterricht" Klima und Geldwirtschaft behandelt.
Shelly Kupferberg: Wir alle haben dieses System mit konstruiert, also sind wir es auch, die es wieder zerschlagen können. Dieser Satz findet sich auf dem Buchdeckel einer neuen zweiteiligen Schrift des Pädagogen, Kulturtheoretikers und Universitätsprofessors Kersten Reich unter dem Titel "Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde". Darin geht er einmal mehr der Frage nach, wie Ökonomie und Politik die Nachhaltigkeit verhindern und zum anderen wie Erziehung und Verhalten die Nachhaltigkeit erschweren. Einen schönen guten Tag, Kersten Reich!
Kersten Reich: Es freut mich, dass ich darüber sprechen kann.
Kupferberg: Das Wissen, Kersten Reich, um den Zustand der Welt ist ja heute größer als noch vor Jahrzehnten – aber wir handeln nicht nach diesem Wissen. Da tut sich also eine große Kluft zwischen dem auf, was ist und worum wir wissen, und dem, was wir tun, wie wir handeln. Wie kann man sich diese Kluft und diese Schwerfälligkeit erklären?
Reich: Ich komme ja aus der Lernforschung, und da ist das schon lange ein Thema. Wir haben viele Einsichten und hoffen dann, dass wir nach diesen Einsichten handeln. Auch die ganze Bildung ist ja danach aufgestellt: Wissen erwerben und dann denkt man automatisch, der Mensch ist aufgeklärt und dann verhält er sich vernünftig. Leider zeigt die Verhaltensforschung sehr oft das genaue Gegenteil. Wir handeln nach anderen Motiven, wir handeln nach dem, was wir emotional erwünschen.
Und da gehört es jetzt in der heutigen Zeit natürlich dazu, dass wir besonders wünschen, unseren Wohlstand zu verteidigen, unsere Mobilität, unsere Freiheit. Wir sehen das ja auch in der Coronapandemie, wenn Beschränkungen kommen, dann werden die Menschen sehr schnell nervös. Und gerade jetzt: Wenn ein zweiter Lockdown war, dass dann ein dritter naht, dann denkt man: Jetzt ist die Freiheit gänzlich am Ende und die Sehnsüchte immer mehr, zu reisen und auszubrechen, das wird immer größer.


Kupferberg: Sein Individualleben irgendwie aufrechtzuerhalten …
Reich: Das ist in der Nachhaltigkeit natürlich auch so.
Kupferberg: Darauf kommen wir jetzt zu sprechen. Und da möchte ich Sie noch mal fragen, welches Mindset ist es denn, dass uns so sehr doch im Wege steht, um die Welt zu verändern? Da geht es ja erst mal gar nicht unbedingt darum, dass ich meine Freiheit jetzt einschränken muss, aber um Nachhaltigkeit tatsächlich zu praktizieren, was steht da im Wege für uns alle?
Reich: Vielleicht zuerst sind es immer die Vergleichsnormen, also das, was wir sozial gewohnt sind, was wir erwarten, was in unserer Erziehung uns versprochen ist. Das ist ja seit der Moderne immer mehr ein wahnsinniger Fortschritt, materieller Fortschritt, wir alle erwarten, gut zu wohnen, immer besser zu wohnen, wollen den Fußabdruck letztlich vergrößern. Und nur wenige sind bisher bereit, dann Verzicht zu praktizieren. Es gibt Menschen, die das tun wollen, aber der soziale Druck der Vergleichsnorm dessen, was als erfolgreich gilt, dessen, was als wünschenswert gilt, der geht eben doch mehr Richtung Entgrenzung, deshalb der Titel "Entgrenzter Mensch".

"Jeder wird auf seine individuelle Rolle geworfen"

Kupferberg: Sie schreiben auch, dass es uns als Menschen schwerfällt, in systemischen Zusammenhängen zu denken, das wiederum dazu führt, dass nicht über langfristige Lösungen nachgedacht wird, die ja vielleicht auch gar nicht so wahnsinnig viel mit Verzicht zu tun haben, vielleicht müssen wir es einfach anders betiteln, was uns da blühen könnte, also positiv gedacht. Können Sie uns dafür vielleicht ein Beispiel geben? Sie sprechen auch von der Nachhaltigkeitsfalle, was genau ist das?
Reich: Wenn wir in den Supermarkt gehen oder im alltäglichen Leben, denken wir eigentlich immer linear, wir denken in zeitlichen Abfolgen, so ist auch unser Leben von der Geburt bis zum Tod. Und dass die Welt Sprünge machen kann, in der Nachhaltigkeit sind die ja besonders unangenehm, wenn diese sogenannten Kipppunkte entstehen, wenn also das Eis abgeschmolzen ist und dann zu einem bestimmten Moment besonders abschmilzt und dann eben ganz viele weitere Effekte produziert, das kann sich der Mensch in seiner Imagination schlecht vorstellen.
Kupferberg: Dennoch wissen wir natürlich um die Welt, das sagte ich eingangs. Wir wissen auch, was Klimawandel, Erderwärmung für uns bedeutet. Wir machen uns darum auch Sorgen, wir machen uns gleichzeitig Sorgen um unser Wohlergehen, vergessen aber schnell, dass wir es ja sind, die die Situation verändern könnten. Warum ist das denn so?
Reich: Ja, das ist auch ein großes Problem, ich glaube, der Wohlstandskultur insgesamt. Seit der Industrialisierung hat die Menschheit ja eben enormen Reichtum anwachsen lassen. Und wir hatten früher eben noch sehr viele Zugehörigkeiten, die das Ganze zusammengebunden haben, sogenannte gesellschaftlicher Kitt, der gebildet wurde. Und man kann sagen, so in den letzten Jahrzehnten ist diese Zugehörigkeit immer mehr geschwunden, das heißt, jeder wird auf seine individuelle Rolle geworfen, wir sehen das sehr deutlich auch in den Begrifflichkeiten. Selbstverantwortung sollte gestärkt werden, die Selbstwirksamkeit ist heute der oberste Begriff der Lernpsychologie.


Alles soll selbst, selbst, selbst gemacht werden, da spiegelt sich in der Kultur eine Ekstase des Selbst und damit aber auch eine Zurücknahme von Zugehörigkeiten. Das hat viele Vorteile, das hat Freiheiten, aber es hat eben auch den Nachteil, dass die Verpflichtungen abnehmen. Und ich glaube, da sind wir jetzt an einer Stelle der Kultur angelangt, wo jeder genießen will, aber die Verpflichtung gegenüber den anderen, das ist ja in der sozialen Gerechtigkeit schon das Problem, das hat sehr abgenommen, aber dann vor allem gegenüber dem, was sich nicht wehren kann, das ist Natur und Umwelt.
Buchcover: "Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde" von Kersten Reich
"Die Erziehung und die Bildung müssten im Grunde vom Kopf auf die Füße gestellt werden, indem wir das belohnen, was tatsächlich nachhaltig für uns Menschen ist", sagt Kersten Reich.© Westend / Deutschlandradio
Kupferberg: Lässt sich beides nicht miteinander vereinbaren, der Individualismus und die Nachhaltigkeit und die Sorge sozusagen um das Gemeinwohl?
Reich: Ich glaube, das lässt sich vereinbaren, aber es würde bedeuten, dass wir gänzlich umdenken müssten. Die Erziehung und die Bildung müssten im Grunde vom Kopf auf die Füße gestellt werden, indem wir das belohnen, was tatsächlich nachhaltig für uns Menschen ist. Das ist nicht nur die Umwelt, das ist auch, glaube ich, das soziale Verhalten oder das Miteinander. Wir haben uns so daran gewöhnt, dass das, was dem Individuum Vorteile bringt, dass das in den Vordergrund getreten ist und dass wir meinen - auch kulturell -, damit das Beste erreichen zu können, für uns, unsere Familie, unsere Kinder. Und ich glaube, dass das genau umgekehrt ist, noch mal innehalten, nachdenken und gucken, was bringt denn langfristig eigentlich in der Zufriedenheit des Menschen oder in einer Umwelt, die uns auch zufriedenstellen kann auf Dauer, die auch für Kinder dann noch zufriedenstellend sein kann, was bringt uns da am meisten.

"Der Mensch neigt dazu, langfristiges Handeln zu ignorieren"

Kupferberg: Sie fragen sich auch in diesen Büchern, wie viele Katastrophen und Sorgen wir erleben müssen, damit wir unser Verhalten verändern, zu welcher Antwort kommen Sie eigentlich?
Reich: Es gibt gerade in der Nachhaltigkeitsforschung sehr viele Untersuchungen, ob Katastrophen tatsächlich dazu führen, dass Menschen ihr Verhalten ändern. Man hat das für Hurrikans untersucht und dabei sehr ernüchternd feststellen können, selbst Menschen, die einen Hurrikan erlitten hatten und wirklich mit Totalverlust, sind selten bereit, tatsächlich danach ihr Verhalten zu ändern, also woanders hinzuziehen, woanders zu bauen oder so zu bauen, dass die Katastrophe nicht noch einmal eintritt.
Das hat oft auch damit zu tun, dass die Bedingungen, die materiellen Bedingungen und ökonomischen Bedingungen gar nicht ausreichen, so zu bauen oder so eine Vorsorge zu treffen, dass das gelingen kann. In der Risikoforschung ist es sehr klar, der Mensch neigt dazu, die Kurzsichtigkeit und Kurzfristigkeit zu betonen und die Langfristigkeit eher zu vermeiden. Das ist wahrscheinlich irgendwo tief bei uns auch verankert, keine Frage, aber das können wir schwer beantworten, was evolutiv ist, wir können es aber kulturell beantworten. Kulturell ist es ein Phänomen, dass der Mensch dazu neigt, tatsächlich langfristiges Handeln zu ignorieren.

"Es ist nicht möglich, nicht zu lernen"

Kupferberg: Nun gibt es aber diejenigen unter uns, die wirklich versuchen, dann doch ihr Leben möglichst nachhaltig zu gestalten, auf Fleisch verzichten, das Auto abgeschafft haben, regional und bio einkaufen, wenig fliegen et cetera. Ab wann ist das denn der Fall, welche Rahmenbedingungen müssen für einen solchen Lebenswandel gegeben sein oder anders gefragt: Was sagt uns die Forschung über Chancen und Grenzen menschlicher Verhaltensänderung?
Reich: Es wäre ja schlimm, wenn wir gar keine Chancen hätten, das will ich auch deutlich betonen. Es gibt ja immer die Chance zu lernen. Ich sage auch, es ist nicht möglich, nicht zu lernen. Und wie gewinnen wir Mehrheiten dafür und wie gewinnen wir dann allerdings auch eine Politik dafür, die das unterstützt, was diese Mehrheiten dann wünschen, also in der Risikovermeidung, das heißt, wie können wir uns insgesamt und der Staat uns auch belohnen, damit der Weg des Verzichts und der Nachhaltigkeit auch tatsächlich zu einem guten Gelingen kommen kann und wir damit auch uns selber belohnen können.
Verzicht heißt ja nicht, dass wir jetzt darben müssen oder dass in dieser Wohlstandskultur alles niedergeht, sondern es ist einfach eine Umstellung, dass wir Freude daran finden, Nachhaltigkeit zu sehen und zu fördern. Wenn wir sehen, wie die Wälder sterben in Deutschland ganz dramatisch durch die Dürre, dann kommen noch die Borkenkäfer hinzu, wie können wir also eine Lust bekommen, alle Menschen, aufzuforsten? Da gibt es ja Programme, da kann sich jeder einen Baum, einen Wald kaufen, jeder kann sich beteiligen, anstatt im Überfluss sich vielleicht ein Konsumgut zu kaufen, das auf Dauer gar nicht so befriedigend ist, ist vielleicht ein Wald, den ich irgendwo pflanzen lasse auf der Welt, wo ich ökonomisch mich daran beteilige, eine Alternative. Das wäre so ein Beispiel.
Kupferberg: Nachhaltigkeit, schreiben Sie, stand noch nie im Fokus der kapitalistischen Arbeits- und Produktionswelt, der Kampf um mehr soziale Gerechtigkeit beherrscht den Kapitalismus, die Frage der Nachhaltigkeit geht hinter diesem Kampf schnell verloren. Aber eigentlich ist das doch tatsächlich bereits politisch angekommen, so mein Eindruck jedenfalls, dass die Transformation, der Wandel ein sozialer, ökonomischer und auch ökologischer sein muss oder?
Reich: Im Bewusstsein angekommen ist es, und da würde ich sagen, gibt es zwischen Intention und Durchführung allerdings einen großen Widerspruch. Das sieht man ja beispielsweise bei den Grünen sehr deutlich. Die Agenda ist klar, aber sind wir konsequent genug im Handeln? Solange die Fridays for Future da die konsequenteren Forderungen stellen als die politischen Parteien – und das wird ja gestützt von der Wissenschaft … Aber die Politik wagt es noch nicht, weil sie dann in Konfrontation mit wirtschaftlichen Interessen gerät.

"Bildungsvorstellung, die vielfach aus dem 19. Jhd. kommt"

Kupferberg: Sie schauen sich auch sehr genau das Thema Erziehung und Bildung an, fand ich auch sehr spannend, und kommen zu der Einsicht, dass an dieser Stelle auch vieles kontraproduktiv in Sachen Nachhaltigkeit läuft, vor allem im Bildungssystem. Da habe ich mich gefragt, wenn ich mir meine Kinder anschaue, da ist das Thema Umwelt priorisiert in der Schule. Aber es wird auch da nicht nach diesen Prinzipien gelebt. Was läuft denn da so schief?
Reich: Je länger ich so unsere Bildungslandschaft anschaue und die Entwicklung – und ich bin ja international vergleichender Lernforscher –, muss ich sagen, dass Deutschland viele Punkte verpasst hat schon in den letzten Jahrzehnten und dass es immer so weitergeht. Wir leben noch in einer Bildungsvorstellung, die vielfach aus dem 19. Jahrhundert kommt. Die Schulfächer, die wir heute praktizieren, bilden gar nicht mehr die Wirklichkeit der Welt ab, die heute notwendig behandelt werden muss. Sagen wir mal, Bildung für nachhaltige Entwicklung, das wäre Nachhaltigkeit in der Schule, ist ein unverbindlicher Gegenstand, man muss es nicht machen.
Die Lehrenden, die sich bereit erklären, da etwas zu investieren, da gibt es auch Infomaterial und so weiter, die können das tun, aber es ist nicht verbindlich in den Lehrplänen. Und selbst wenn es verbindlich wäre, es hat, glaube ich, nicht die Priorität, weil wir ringen sozusagen im Nebeneinander der vielen Stoffe und Themen damit, was wir alles präsentieren wollen, ohne eine Priorität zu setzen. Und es geht ja noch weiter. Wir haben in der Schule auch im System der Schulfächer gar nichts, was über Finanzwirtschaft oder Kredite, was im Grunde die Menschen später im Leben groß beschäftigt, das wird alles nicht behandelt, es ist einfach nur ein Nebeneinander, ein Randgebiet und bleibt unzureichend.

"Das wäre eine grundlegende Bildungsrevolution"

Kupferberg: Es gibt viele Bildungsforscher:innen, die genau das kritisieren an unserem Schulsystem, wir stecken da sozusagen noch im 19. Jahrhundert mit Lehrerinnen des 20. Jahrhundert für das 21. Jahrhundert. Müssten wir demnach nicht Begriffe wie Wachstum, Fortschritt und Bildung komplett neu definieren und uns fragen, was bedeutet das eigentlich, was ist uns hier wichtig?
Reich: Das wäre eine grundlegende Bildungsrevolution, die nenne ich auch als notwendig. Aber das ist natürlich sehr schwierig, weil hier kommt dann der andere Wirkfaktor von Verhalten, den ich vorhin schon angesprochen habe, das ist die Gewohnheit. Die Eltern denken natürlich, ihre Erziehung sei ja nicht schlecht, hat sie zu Erfolg und zu Wohlstand gebracht, warum soll man das für ihre Kinder ändern.
Und da ist eine gewisse Sorge dabei, deshalb beharren wir vielleicht so auf den alten Konzepten und trauen uns nicht, neue Wege zu gehen. Die Skandinavier sind da sehr viel weiter, die machen das, die Finnen beispielsweise haben jetzt 20 Prozent der Unterrichtszeit als sogenannten Phänomenunterricht eingeführt. Da können die dann Klima, Geldwirtschaft, Arbeitslosigkeit, die drängenden Probleme der Gegenwart behandeln, sodass die Kinder nicht unvorbereitet auf die Zukunft zugehen.

"Dieser Mobilitätswahn, den wir alle haben"

Kupferberg: Das sind alles Beispiele, die Sie nennen, und Sie formulieren auch am Ende eines jeden Bandes einige Punkte, die Ihnen besonders wichtig erscheinen. Das ist eine Art Manifest der Nachhaltigkeit, in dem wir Nachhaltigkeit als Gewinn lernen. Welche zentralen Forderungen ergeben sich denn aus Ihren Forschungen?
Reich: Es beginnt letztlich wie immer durchaus mit Wissen und Aufklärung. Umgekehrt ist es dann auch die staatliche Aufgabe, dieses Wissen und diese Aufklärung in den Schulen ganz breit zu vermitteln. Das ist, glaube ich, die Agenda, die jetzt ansteht. Da sehe ich leider in Deutschland viel zu wenig Anstrengung bisher. Ich muss individuell, da können wir alle zu beitragen, mein Verhalten besser in Richtung Nachhaltigkeit kontrollieren und auch ein Vorbild setzen.
Dieser Mobilitätswahn, den wir alle haben, die immer größeren Autos – und das wird ja mit den Elektroautos auch nicht abnehmen –, das bedarf wirklich einer anderen Nachdenklichkeit, einer Umstellung des Verhaltens, dass wir Dinge wieder schön finden, die vielleicht gar nicht so aufwendig sind in der materiellen Produktion, sondern eher in der Ästhetik, im Leben in der Natur, in der Zuwendung zu anderen Dingen.
Warum nicht den Nahverkehr kostenlos machen und damit einen Anreiz setzen für alle Menschen, tatsächlich auf das Auto dann besonders in den Städten zu verzichten? Und individuell auch die Ausgaben und die Konsumwünsche immer an den nachhaltigen Wirkungen zu beurteilen. Aber wir würden uns Unterstützung vom Staat wünschen, dass es Ökosiegel und Regulierungen gibt, die uns erkennen lassen, was ist denn überhaupt an der einzelnen Ware, am einzelnen Konsumgut tatsächlich nachhaltig und nicht nachhaltig.
Und da scheut sich die Politik bisher, und ich glaube, diese Kröte muss die Politik endlich mal schlucken, dass sie denkt, dass das alles immer zum Schaden der Wirtschaft wäre. Darin kann ja auch ein neues wirtschaftliches Wachstum durchaus liegen, denn nachhaltig produzierte Güter und nachhaltige Güter, die wir konsumieren, die sind ja auch ein Wachstumsmarkt. Diese Umstellung, ich glaube, darauf kommt es jetzt an.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Kersten Reich: "Der entgrenzte Mensch und die Grenzen der Erde – 2. Band: Wie Ökonomie und Politik die Nachhaltigkeit verhindern"
Westend, 2021
350 Seiten, 25 Euro

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